Wer sich bei der Einstellung wahrheitswidrig als geimpft präsentiert hat, kann später entlassen werden – ebenso, wer die Zusage, sich bis zu einem gewissen Zeitpunkt impfen zu lassen, nicht einhält.

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Zwei Fragen werden derzeit heiß diskutiert: Darf der Arbeitgeber die Einstellung von Arbeitnehmern von einer Covid-19-Impfung abhängig machen? Und kann der Arbeitgeber bereits Beschäftigten eine Impfung dadurch indirekt vorschreiben, dass er sie bei Weigerung kündigt und sich erfolgreich auf einen personenbezogenen Kündigungsgrund nach § 105 Abs 3 Z 2 lit a des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) beruft?

Die erste Frage ist einfacher zu beantworten. Der Impfstatus ist kein gesetzlich geschütztes Diskriminierungsmerkmal. So wie ein Arbeitgeber sich entscheiden kann, nur schlanke Mitarbeiter oder Anhänger eines bestimmten Fußballclubs aufzunehmen, darf er die Bewerberauswahl auf Geimpfte beschränken.

Doch kein Rapid-Fan

Heißt das nun aber, dass der Arbeitnehmer sogar fristlos entlassen werden darf, wenn er fälschlich behauptet hat, geimpft zu sein? Legt der Arbeitnehmer gefälschte Nachweise vor, steht die Berechtigung der Entlassung außer Zweifel. Gilt das aber auch, wenn sich der Arbeitgeber auf das Wort des Arbeitnehmers verlassen hat? Aus der Zulässigkeit des Einstellungskriteriums folgt nicht zwangsläufig die Sanktionierbarkeit einer falschen Angabe.

Hält der Arbeitnehmer die Zusage, bis zum Dienstantritt zehn Kilo abzunehmen, nicht ein, kann er ebenso wenig entlassen werden wie der angebliche Rapid-Fan, der sich später als langjähriges Mitglied von Austria Wien entpuppt. Denn der Arbeitgeber darf zwar nach solchen Kriterien einstellen; sein Interesse an einer derart zusammengesetzten Belegschaft verdient aber kein so hohes Maß an Schutz, wenn und weil die Kriterien mit der Arbeit nichts zu tun haben; für das Fitnessmodel lautet die Antwort im ersten Fall daher anders.

Umfassender Gesundheitsschutz

Im Falle des Covid-19-Impfstatus ist aber das Interesse des Arbeitgebers an der Gesundheit der Arbeitnehmer und an der Unterbindung einer "betriebsinternen Epidemie" ungleich stärker schutzwürdig. Deshalb ist der Arbeitgeber zur Entlassung des Arbeitnehmers berechtigt, der sich wahrheitswidrig als geimpft präsentiert hat.

Das gilt auch für den Fall, dass der Arbeitnehmer seine Zusage nicht einhält, sich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt impfen zu lassen. Als Entlassungstatbestände kommen hier Vertrauensunwürdigkeit, unter Umständen beharrliche Dienstpflichtverletzung in Betracht.

Rechtfertigt das Interesse an umfassendem Gesundheitsschutz aber auch die Kündigung bestehender Arbeitnehmer, die bei der Einstellung keine Impfzusage abgegeben haben? Dass der Arbeitgeber – sofern keine staatliche Impfpflicht besteht – kein Weisungsrecht in puncto Impfung hat, ist klar.

Ob ein Kündigungsgrund vorliegt, hängt von einer Abwägung zwischen dem Interesse des Arbeitgebers und der geimpften Belegschaft an maximaler Reduktion des Ansteckungsrisikos und dem Interesse der Ungeimpften an körperlicher Integrität und Selbstbestimmung über die Durchführung medizinischer Behandlungen ab.

Grenzen der Fürsorgepflicht

Ein bedingungsloses Interesse an maximalem Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz gibt es nicht. So weit kann daher die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht reichen. Anderenfalls könnte dieser auch eine Grippeimpfung oder das Tragen von FFP2-Masken vorschreiben, weil diese im letzten Winter eindrucksvoll bewiesen hatten, eine Grippeepidemie verhindern zu können.

Eine Interessenabwägung legt den Schluss nahe, dass in der Regel kein Kündigungsgrund vorliegt, wenn der Arbeitnehmer eine Impfung verweigert. Arbeitnehmer, die durch die Kündigung weder von längerer Arbeitslosigkeit noch von signifikanten Entgelteinbußen bedroht sind, können ohnehin begründungslos gekündigt werden – auch, weil sie sich nicht impfen lassen.

Anwendung der 3G-Regel

Dort, wo der Arbeitgeber die Kündigung begründen muss, spricht gegen einen Kündigungsgrund neben dem Recht auf körperliche Integrität und Selbstbestimmung der Umstand, dass der Arbeitgeber mit der konsequenten Anwendung der 3G-Regel am Arbeitsplatz ein ähnlich effizientes und gelinderes Mittel zur Hand hat.

Zu deren Anwendung ist der Arbeitgeber nicht nur berechtigt, sondern dann sogar verpflichtet, wenn ein engerer Kontakt zwischen geimpften und ungeimpften Mitarbeitern nicht vermeidbar ist. Zumindest in Großraumbüros wird der Arbeitgeber Ungeimpften auch das Tragen von Schutzmasken vorschreiben dürfen.

Verstößt der Arbeitnehmer gegen solche Auflagen, setzt er einen Kündigungsgrund und kann möglicherweise sogar entlassen werden. Der neue General-Kollektivvertrag verbietet die Kumulierung von 3G-Regel und Maskenpflicht; ob er das wirksam tun kann, ist jedoch zweifelhaft.

Kein Kostenersatz

Lässt der Arbeitgeber den ungeimpften Arbeitnehmer wegen Testverweigerung nicht ins Büro, verliert dieser nach § 1155 ABGB seinen Entgeltanspruch. Sollten in Zukunft Tests nicht mehr kostenlos sein, hat der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Kostenersatz nach § 1014 ABGB, wenn er diese Kosten durch eine Impfung hätte vermeiden können. Anderes gilt für Arbeitnehmer, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können oder keine Antikörper bilden.

Alternativ zur 3G-Regel darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer meines Erachtens auch die Arbeit im Homeoffice anbieten; eine Weigerung bleibt nur dann sanktionslos, wenn an der Wohnstätte ein gedeihliches Arbeiten nicht möglich ist. Umgekehrt hat der Arbeitnehmer, der die die 3G-Regel verweigert, keinen Anspruch auf Homeoffice; vielmehr darf der Arbeitgeber mit Kündigung oder gegebenenfalls Entlassung vorgehen. (Georg Schima, 13.9.2021)