Die Übernahmekommission, die bei der Wiener Börse eingerichtet ist und größere Transaktionen überprüft, wird aus Sicht des Höchstgerichts europarechtlichen Vorgaben nicht gerecht.

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Sie sei "kein unabhängiges und unparteiisches Gericht", auch ein "wirksamer Rechtsbehelf" gegen ihre Entscheidungen sei nicht möglich: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) zeigte vergangene Woche mit deutlichen Worten Reformbedarf bei der österreichischen Übernahmekommission auf.

Die Behörde, die bei der Wiener Börse eingerichtet ist und größere Transaktionen überprüft, wird aus Sicht des Höchstgerichts europarechtlichen Vorgaben nicht gerecht. Anlassfall der aktuellen Entscheidung war die geplante Übernahme des Immobilienkonzerns Conwert durch die Adler Real Estate im Jahr 2015 (EuGH, 9. 9. 2021, C-546/18).

Erlangen Großaktionäre eine kontrollierende Beteiligung an einer börsennotierten Gesellschaft, müssen sie allen anderen Anteilshabern ein Pflichtangebot zum Kauf von deren Aktien machen. Die Bestimmung soll kleineren Aktionären die Möglichkeit geben, ihre Anteile ebenfalls an die übernehmenden Gesellschafter zu verkaufen.

EuGH sieht zwei Probleme

Aufgabe der Übernahmekommission ist es, diese Transaktionen zu überprüfen. Im Fall eines Verstoßes gegen das Übernahmegesetz erlässt die Behörde einen Feststellungsbescheid. Dort sieht der EuGH zwei Probleme: Zum einen ist die Entscheidung der Kommission im nachfolgenden Verwaltungsstrafverfahren bindend – und zwar nicht nur für die übernehmende Gesellschaft, sondern auch für Vorstände, die zuvor im Feststellungsverfahren keine Parteienrechte wahrnehmen konnten.

Zum anderen kann der Feststellungsbescheid der Übernahmekommission nur beim Obersten Gerichtshof bekämpft werden. Das Höchstgericht überprüft allerdings nur reine Rechtsfragen und nicht die Sachverhaltsfeststellungen der Behörde. Da die Kommission aus Sicht des EuGH aber selbst kein "unabhängiges und unparteiisches Gericht" sei, müssen Betroffene zumindest die Möglichkeit haben, deren Entscheidungen in einer zweiten Instanz vollumfänglich anfechten zu können.

Zweite gerichtliche Instanz

Laut Rechtsanwalt Sascha Hödl, der die Adler Real Estate vor dem EuGH vertrat, sollte der österreichische Gesetzgeber nun verlässliche Rahmenbedingungen zur Überprüfung von Entscheidungen der Kommission schaffen. "Unsere Empfehlung ist es, wie in Deutschland eine zweite gerichtliche Instanz beim Oberlandesgericht einzurichten", sagt der Partner bei Schönherr.

Bescheide der Kommission könnten dann vollinhaltlich von Richtern überprüft werden, das Problem wäre damit gelöst. Von Vorschlägen, die Übernahmekommission künftig in die Finanzmarktaufsicht (FMA) zu integrieren, hält Hödl wenig. "Die Einrichtung einer eigenen, unabhängigen Kommission, wie sie etwa auch im Vereinigten Königreich besteht, ist durchaus sinnvoll."

Nach der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Jahr 2014 blieb die Übernahmekommission als "richterliche Kollegialbehörde" weiter bestehen. "Es war allerdings eine legistische Fehleinschätzung zu glauben, dass ein Instanzenzug an den Obersten Gerichtshof, bei dem nur mehr Rechtsfragen geprüft werden, reicht", sagt Hödl.

Laut Justizministerium werde die EuGH-Entscheidung aktuell geprüft. Eine inhaltliche Stellungnahme des Ministeriums sei zum aktuellen Zeitpunkt aber aus "fachlicher Sicht verfrüht". (Jakob Pflügl, 14.9.2021)