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Der Bezahldienst Alipay stößt der chinesischen Regierung schon länger sauer auf. Nun geht die Staatsführung anscheinend in die Offensive.

Foto: AP/Ng Han Guan

Peking – Jahrelang galt in China die Devise "Wachstum um jeden Preis". Das Konzept funktionierte, doch nun fürchtet die Regierung in Peking um den eigenen Einfluss und setzt bei den eigenen Tech-Giganten auf eine ihrer liebsten Maßnahmen: Kontrolle. Die hochprofitable Zahlungs-App Alipay des Fintechs Ant Group soll zerschlagen und für das Kreditgeschäft eine getrennte Plattform erschaffen werden, wie die britische Zeitung "Financial Times" ("FT") berichtet. Insgesamt nutzen mehr als eine Milliarde Menschen Alipay, die App hat damit einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent.

Die Nutzerdaten, die das Fintech bei seinen Kreditentscheidungen zugrunde legt, sollen in ein neues Gemeinschaftsunternehmen ausgelagert werden, das zum Teil dem Staat gehört. Auch andere Internet-Kreditanbieter seien von der schärferen Regulierung betroffen, hieß es in dem Bericht. Die "FT" beruft sich auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen.

Verlust der Cashcow

Wird dieses Szenario Realität, wäre das der nächste harte Schlag für Ant – besonders die Zwangsabtretung des Kreditgeschäfts. Im ersten Halbjahr 2020 spülte dieses Segment rund 39 Prozent der Einnahmen in die Firmenkasse und übertraf damit die Zahlungsdienstleistungen, das eigentliche Kerngeschäft.

Wenig überraschend reagierten die Aktienkurse chinesischer Tech-Werte am Montag mit Verlusten: Der Hang-Seng-Index fasst die wichtigsten in Hongkong gelisteten chinesischen Tech-Papiere zusammen und fiel im Verlauf um über drei Prozent. Zu Mittag hatte er sich etwas erholt. Titel des vom chinesischen Milliardär Jack Ma gegründeten Ant-Mutterkonzerns Alibaba, der rund ein Drittel an dem Finanzunternehmen hält, verloren mehr als fünf Prozent, Tencent gaben um drei Prozent nach.

Reihe von Maßnahmen

Der Schritt reiht sich ein in eine ganze Serie von Maßnahmen, durch die die chinesischen Behörden ihre Aufsicht über viele Branchen verschärfen – von der Technologie bis zur Bildung. Damit soll nach Jahren des rasanten Wachstums die Kontrolle über Wirtschaft und Gesellschaft gestärkt werden.

Im Juli trafen Kontrollmaßnahmen den Fahrdienstleister Didi, das chinesische Pendant zu Uber, DER STANDARD hat berichtet. Die App ließ sich nicht mehr downloaden, ungeachtet dessen, dass die Firma erst kürzlich in New York an die Börse gegangenen war. Zur Begründung hieß es, man mache sich Sorgen, dass die rund 380 Millionen Nutzerdaten in falsche, sprich amerikanische Hände gelangen könnten. Geplante Börsengänge von weiteren Tech-Unternehmen wurde daraufhin kurzerhand abgesagt.

Börsengang vereitelt

Bereits im Herbst vergangenen Jahres war Ant ins Visier der Regulierer geraten: Chinas Behörden vereitelten den geplanten Börsengang des Unternehmens und belasteten damit auch Alibaba. Nur zwei Tage vor dem geplanten Debüt an den Börsen in Schanghai und Hongkong bemängelte die Finanzaufsicht bei Alibaba-Gründer Jack Ma, dass wegen veränderter Regularien die Offenlegungspflichten wohl nicht erfüllt würden. Kurz vor der Ziellinie platzte damit der mit mehr als 37 Milliarden Dollar weltgrößte Börsengang von Chinas Branchenführer beim mobilen Zahlungsverkehr.

Die unkonventionellen Methoden der Ant Goup, zu der auch der führende mobile Bezahldienst Alipay gehört, waren den Behörden allerdings schon länger ein Dorn im Auge. Das Unternehmen bietet nicht nur mobiles Bezahlen mit dem Handy, sondern auch schnelle Verbraucherkredite, Vermögensverwaltung und Versicherungen an.

Die nächste Hiobsbotschaft für Alibaba folgte im April. Die Aufsichtsbehörden ordneten eine Umstrukturierung der Ant Group an, was weitreichende Folgen mit sich brachte. Ant wurde in eine Finanzholding umgewandelt und infolgedessen wie eine Bank behandelt. Das heißt, das Fintech untersteht den Aufsichtsbehörden sowie der Zentralbank und muss dadurch strengere Auflagen erfüllen und mehr Liquidität bereithalten. (and, 13.9.2021)