Es ist ein guter Gradmesser für die Hilflosigkeit in Sachen Iran, dass schon ein kleiner Erfolg des IAEA-Chefs als Hoffnungsstrahl am Horizont wahrgenommen wird. Der Generaldirektor der Internationalen Atomenergie-Organisation, Rafael Grossi, kam mit der Nachricht aus Teheran zurück, dass die IAEA nun ihre Kameras in gewissen iranischen Atomanlagen warten und mit neuen Speicherkarten bestücken kann. Deren Inhalt darf sie jedoch bis auf weiteres wieder nicht sehen.

Es ist eine Rückkehr zu einem Deal von Ende Februar – nur hat sich seitdem viel geändert. Was damals wie ein Kompromiss auf dem Weg zu einer Erneuerung des Wiener Atomabkommens von 2015 aussah, die viele bereits als gegeben annahmen, fragt man sich heute, ob es sich nicht nur um eine kalkulierte Verzögerung des Zusammenbruchs der Atomdiplomatie handelt. Währenddessen reichert Teheran Uran auf sechzig Prozent an und arbeitet an seinem nuklearen Know-how, etwa bei der Herstellung von Uranmetall oder beim Betrieb von hochentwickelten Zentrifugen.

Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA in Wien.
Foto: AFP/ALEX HALADA

Die Iran-Hardliner sehen alle ihre Prognosen bestätigt. Es bleibt jedoch ein Faktum, dass die jetzige Situation Folge der Entscheidung von US-Präsident Donald Trump ist, 2018 aus dem Wiener Abkommen auszusteigen. Ja, die US-Sanktionen haben dem Iran wehgetan, er hat weniger Geld für seine Klienten in der Region zur Verfügung gehabt. Hat Teheran deswegen seine Politik geändert? Nein. Würden die Iraner heute nahe an der Waffenfähigkeit anreichern und den Abstand zur Schwelle eines nuklearen "breakout" – genügend Material für eine Bombe – stetig verkleinern? Ebenfalls nein.

Paradoxon

Ein von der Nachrichtenagentur AP zitierter israelischer Offizieller fasst das Paradoxon gut zusammen: Die neue israelische Regierung lehne, wie die vorige, das Atomabkommen ab, sagt er. Aber wenn es neu abgeschlossen würde, könnte das von Nutzen sein, um die iranische Anreicherung zu verlangsamen.

Das wissen alle, und das weiß auch der Iran, dessen neue Regierung klargemacht hat, dass ihre Politikprioritäten nicht im Westen, sondern in der Nachbarschaft und in Asien liegen. Das heißt natürlich nicht, dass das Regime nicht noch immer ein großes Interesse daran hätte, die US-Sanktionen loszuwerden und doch noch, wie unter dem Wiener Abkommen vorgesehen, wieder Geschäfte mit der ganzen Welt zu machen.

Die Hürden bis dorthin sind aber hoch: Vielleicht hat das kleine iranische Einlenken verhindert, dass die IAEA-Gouverneure bei ihrem Treffen in Wien eine Iran-kritische Resolution verabschieden. Die jüngsten IAEA-Berichte würden sie rechtfertigen: Da geht es nicht nur um die jetzigen, sondern auch um offene Fragen zu früheren iranischen Atomaktivitäten. Aber wenn es zu einer Verurteilung des Iran kommt, dann gibt es wahrscheinlich keine weitere Wiener Verhandlungsrunde.

Und wenn es sie gibt, bleiben die substanziellen Differenzen bestehen, die vor den iranischen Wahlen im Juni einen Durchbruch verhinderten – als es noch eine Regierung in Teheran gab, die ihn viel mehr wollte als die jetzige. Washington gibt zu verstehen, dass die Zeit für Verhandlungen und eine Einigung bald ablaufen wird. Wobei: Die USA könnten nach dem Afghanistan-Debakel eine minimale Verständigungsbasis mit dem Iran in der Region gut brauchen. Auch das weiß man in Teheran. (Gudrun Harrer, 13.9.2021)