Die Hausdurchsuchung bei FPÖ-Politiker Hans-Jörg Jenewein sorgt für Verunsicherung bei Kolleginnen und Kollegen.

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Samstagvormittag auf einem Supermarktparkplatz in Wien-Penzing: Der ehemalige Nationalratsabgeordnete Hans-Jörg Jenewein will gerade den Wochenendeinkauf erledigen, als ihn mehrere Polizisten aufhalten. Sie haben eine Hausdurchsuchungsanordnung für seine Wohnung in Wien dabei, sein Haus in Niederösterreich haben sie offensichtlich vergessen – die Erlaubnis zur Durchsuchung erteilt die diensthabende Staatsanwältin telefonisch.

Wenig später beginnen die Smartphones von Politikerinnen und Politikern, aber auch von BVT-Beamten und Ministeriumsmitarbeitern zu glühen. Die Durchsuchung bei Jenewein schlägt Wellen: Der FPÖ-Politiker ist zwar kein Nationalratsabgeordneter mehr, aber nach wie vor einer der wichtigen Strategen und Taktiker der Partei. Besonders im Sicherheitsbereich ist Jenewein gut vernetzt: Im BVT-Untersuchungsausschuss war er der wichtigste Verteidiger des damaligen Innenministers Herbert Kickl, dabei erwarb er zumindest den Respekt anderer Fraktionen. Stephanie Krisper (Neos), Peter Pilz (Jetzt) und Kai Jan Krainer (SPÖ) haben alle eine gute Gesprächsbasis mit Jenewein – besonders seit die FPÖ nicht mehr in der Regierung ist.

Kampf um Polizeibehörden

Sie alle eint das Gefühl, dass die ÖVP die Schlüsselstellen der Republik mit ihren loyalen Gefolgsleuten besetzt hat, die im Zweifel ihre Partei über das Staatswohl stellen. In der Zeit nach Ibiza samt dem dazugehörigen U-Ausschuss sahen sie sich bestätigt: Da wäre der einstige Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid, der sich die Staatsholding Öbag zimmerte, um dann dort als Alleinvorstand einzuziehen; da war der Fall des einstigen Justiz-Generalsekretärs und Sektionschefs Christian Pilnacek, der nun offiziell suspendiert wurde.

Im Innenministerium will die Opposition nun einen weiteren Knotenpunkt der "türkisen Netzwerke" identifiziert haben: Andreas Holzer. Er war Leiter der Soko Tape, die Korruption rund um das Ibiza-Video sowie dessen Entstehung aufklären sollte, und avancierte daraufhin zum Leiter des Bundeskriminalamts.

Chats zwischen Holzer und Pilnacek zeigten, wie sich die beiden über die unbeliebte Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) unterhielten; teils wurden Dienstbesprechungen zu Ibiza ohne WKStA abgehalten. In einem langen Brief an den damaligen Generaldirektor für öffentliche Sicherheit beschwerte sich Holzer ausführlich über die Korruptionsermittler – die, vice versa, einige Konflikte mit der Soko Tape begannen. Das resultierte zum Beispiel darin, dass die WKStA wochenlang nicht erfuhr, dass eine Kopie des gesamten Ibiza-Videos gefunden worden war.

Die altbekannte BVT-Affäre

Zurück zu Jenewein: Im BVT-Untersuchungsausschuss stand er nicht nur an der Seite Herbert Kickls, sondern verteidigte auch die WKStA. Die hatte damals, befeuert durch das Umfeld des Innenministers und ein anonymes Dossier, eine skandalöse Hausdurchsuchung im Verfassungsschutz durchgeführt.

Gezielt wurde damals, im Frühjahr 2018, auf die wichtigen Köpfe des Sicherheitsapparats, etwa den damaligen BVT-Direktor Peter Gridling, seinen Vize Wolfgang Z. sowie den damaligen Kabinetts- und Sektionschef Michael Kloibmüller. Doch das Substrat der Vorwürfe war zu dünn, und die Belastungszeugen waren zu dubios, dazu kam enormer Gegenwind aller Parteien aufgrund der Drangsalierung des Extremismusreferats im BVT während und nach der Razzia.

Smartphone-Daten

Einer der "Belastungszeugen" war damals ein IT-Techniker namens Anton H., der vor wenigen Wochen kurzzeitig verhaftet worden war. H. wird vorgeworfen, zahlreiche Smartphones von hochrangigen Beamten im Innenministerium und angeblich sogar von Ministern abgesaugt zu haben, nachdem ihm diese zur Reparatur oder Entsorgung vorgelegt worden waren.

Dieser H. stand wiederum in engem Kontakt zu einem langjährigen einstigen BVT-Beamten namens O., der politisch gut vernetzt war – etwa mit Hans-Jörg Jenewein, aber auch mit Politikern anderer Parteien. Die Staatsanwaltschaft Wien wirft ihm vor, Informationen verkauft zu haben, teils sollen diese aus H.s Smartphone-Datendiebstählen stammen. Die Genannten bestreiten das, für sie gilt die Unschuldsvermutung.

Sollten belastende Chats von ÖVP-nahen Beamten existieren, würde man sie sicher nicht mit einer Razzia bei Politikern finden und "einfangen", sagt ein Eingeweihter: "Dafür gibt es Anwälte, Redaktionen, Safes im Parlament." Ob Jenewein im Besitz solcher Daten war, werden die Ermittler jedenfalls nicht so bald wissen: Der Politiker, der auch als Journalist tätig ist, hat vor Gericht erfolgreich die Versiegelung seiner Datenträger durchgesetzt. (Fabian Schmid, 13.9.2021)