Der Finanzminister will Sparer dazu bringen, künftig vermehrt in Unternehmen zu investieren. Grund dafür sind auch die niedrigen Bankzinsen.

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Geht es nach den Regierungsparteien, sollen Österreicher ihr Sparschwein künftig öfter gegen ein Aktiendepot tauschen. Mit der nun anstehenden Steuerreform prüfen ÖVP und Grüne daher auch die Wiedereinführung der sogenannten Behaltefrist. Mit der Maßnahme müssten private Investoren, die ihre Kapitalanlagen für eine gewisse Zeit halten, realisierte Kursgewinne nicht mehr versteuern. Die Reform wäre eine deutliche Entlastung für vermögende Privataktionäre. Gleichzeitig könnte sie aber auch Kleinsparer dazu motivieren, vermehrt in Unternehmen zu investieren.

Die nun vorgeschlagene Behaltefrist war bis 2012 geltende Rechtslage. Gewinne aus dem privaten Verkauf von Wertpapieren wurden nur dann besteuert, wenn sie innerhalb eines Jahres nach deren Anschaffung wieder verkauft wurden. Wer seine Aktien länger behielt, musste dagegen keine Abgaben zahlen. Mit einer grundlegenden Steuerreform im Jahr 2012 änderte sich das. Seither werden alle Kursgewinne genauso wie Zinsen und Dividenden mit einer Kapitalertragssteuer (KESt) von 27,5 Prozent belastet – und das unabhängig davon, wie lang man die Wertpapiere behält.

Reform der Reform

Das aktuelle Regierungsprogramm sieht nun eine Rückkehr zur ursprünglichen Rechtslage vor. Demnach soll eine "Behaltefrist für die KESt-Befreiung von Kursgewinnen bei Wertpapieren und Fondsprodukten" erarbeitet werden. Ziel sei die "Teilhabe am Kapitalmarkt" sowie die "private Altersvorsorge".

Aktuell liegen rund 40 Prozent des Sparvermögens der Österreicherinnen und Österreicher auf Konten oder Sparbüchern. "Angesichts des Niedrigzinsumfeldes ist das eine schleichende Geldentwertung", sagt Felix Lamezan-Salins, Sprecher von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), zum STANDARD.

Der OECD-Durchschnitt von Kapitaleinkünften beim Alterseinkommen betrug 2014 18,4 Prozent. In Österreich lag der Wert lediglich bei 5,8 Prozent. Eine Economica-Studie von März 2020 ergab, dass der Anteil der Investitionen in Wertpapiere an der Vermögensbildung privater Haushalte seit Abschaffung der Behaltefrist weiter abgenommen hat. Laut der Studie wäre deren Wiedereinführung daher "ein probates Mittel zur Stärkung der Anreize für den langfristigen Vermögensaufbau und die Veranlagung in Wertpapieren".

Finanzminister Blümel untermauert seine Argumentation für die Behaltefrist zudem mit der steuerlichen Behandlung von Kryptowährungen. Gewinne aus deren Verkauf unterliegen laut aktueller Rechtslage nämlich sehr wohl einer Spekulationsfrist: Krypto-Assets wie Bitcoin können nach einem Jahr steuerfrei verkauft werden.

Krypto-Gewinne bevorzugt

"Wer in hochspekulative Kryptowährungen investiert, wird aktuell belohnt, und im Gegensatz dazu werden Aktienanleger steuerlich benachteiligt", sagt Blümel. Die Neuregelung für Kapitalanlagen soll daher auch für Kryptowährungen gelten. Dabei gehe es nicht um ein Verbot, sondern um eine "faire Regulierung".

Die Wiedereinführung einer Behaltefrist würde Privatleute, die viel Erspartes zur Verfügung haben, bevorzugen und Investitionen in österreichische Unternehmen fördern. Zuletzt brachten daher vor allem die Wirtschaftskammer, die Wiener Börse und die Industriellenvereinigung Schwung in die Debatte. Für die SPÖ, die die Behaltefrist unter Kanzler Werner Faymann abschaffte, kommt deren Comeback jedenfalls nicht infrage. Die Behaltefrist für Spekulationsgeschäfte sei "aus gutem Grund" abgeschafft worden.

Aber auch innerhalb der Regierung dürfte die konkrete Ausgestaltung der Reform nicht unumstritten sein. Laut ÖVP werde aktuell in der Koalition verhandelt. Ein konkreter Zeitplan liege noch nicht vor. An sich habe man mit der einjährigen Behaltefrist, wie sie bis 2012 galt, "gute Erfahrungen gemacht". Die Grünen wollten zu dem Thema vorerst keine Stellungnahme abgeben. (Jakob Pflügl, 14.9.2021)