In den Schulen in Österreich kommen derzeit die beiden Systeme "Alles gurgelt" und "Alles spült" zum Einsatz. Die privaten Firmen dahinter rittern auch um eine lukrative Ausschreibung von PCR-Tests an Schulen.

Foto: APA / Georg Hochmuth

Wien – Primär soll es um den Schutz der Kinder, Jugendlichen und Lehrkräfte vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus gehen. Dafür wurde mit Schulstart die sogenannte dreiwöchige "Sicherheitsphase" an Österreichs Schulen eingeführt – mit drei Tests pro Woche, davon mindestens einer ein PCR-Test. In Wien sind es zwei. Im Hintergrund spitzt sich um die PCR-Test-Strategie an Schulen aber auch ein heftiger Streit zwischen dem Bund und der Stadt Wien zu. Wieder einmal. Es geht auch um Einfluss – und um viel Geld.

Und das kommt so: In Wiens Einrichtungen kommen ab der fünften Schulstufe PCR-Tests des bekannten Programms "Alles gurgelt" zum Einsatz. Dieses wird von der Stadt unterstützt. In den Schulen der restlichen Bundesländer sowie in den Volksschulen Wiens heißt das PCR-Test-Programm hingegen "Alles spült" und wird vom Bildungsministerium – also vom Bund – koordiniert. Ausgewertet werden die zusätzlichen hunderttausenden Tests österreichweit pro Woche von den privaten Labors Lifebrain ("Alles gurgelt") sowie Covid Fighters und Novogenia ("Alles spült").

Probleme zum Schulstart bei beiden Anbietern

Der Start der PCR-Tests an Schulen verlief weder bei "Alles gurgelt" noch bei "Alles spült" problemlos. So wurden etwa Tests nicht an alle Schulen geliefert oder verspätet abgeholt. Bei "Alles spült" fehlten zudem für einige Schulen Testergebnisse – die laut der Firma Covid Fighters mittlerweile aber alle betroffenen Einrichtungen etwas verspätet erhalten hätten. Bei fünf Prozent der Schulen im Osten Österreichs, vor allem in Niederösterreich, habe es letzte Woche "Anlaufschwierigkeiten" gegeben, sagte eine Firmensprecherin zum STANDARD.

Bei "Alles gurgelt" wurden nach Angaben der Stadt Wien vereinzelte Logistikfehler schnell behoben. Allerdings war die Start-Website des Unternehmens am Sonntagabend überlastet. Montagfrüh war die Informationsseite für knapp mehr als zwei Stunden wegen technischer Probleme offline. Der direkte Einstieg zur Testseite, wo vor einer Kamera gegurgelt wird, hat aber geklappt.

Zu kompliziert

Das waren aber noch lange nicht alle Kritikpunkte: So bemängeln einige Lehrervertreter, dass das Testsystem von "Alles gurgelt" samt Onlineplattform für zahlreiche Schüler, Eltern und Schulen zu kompliziert ist: So braucht es für die Registrierung und Testabnahme vor einer Kamera digitales Verständnis, E-Mail-Adresse, Reisepass oder Personalausweis sowie Computer oder Handy.

Die Testabnahme kann dafür von Schülerinnen und Schülern auch zu Hause vor dem Computer durchgeführt werden – sofern laut der Firma Lead Horizon (die die Test-Sets entwickelt hat) "zusätzlich Informationen zu Schule und Klasse in der Web-App" hinzugefügt und diese mit den Schulen verknüpft werden. Martin Netzer, Generalsekretär im Bildungsministerium, führt hier aber kritisch ins Treffen, dass Wien damit die Testabgabe an die Eltern und Schüler ausgelagert habe. Das sei so nicht gewünscht und belaste Eltern zusätzlich.

Niedrige Rücklaufquote laut Ministerium

Dass bei "Alles gurgelt" aufgrund der technischen Schwierigkeiten nicht alles rund läuft, sollen laut Angaben aus dem Ministerium Daten über die PCR-Test-Rücklaufquote von "Alles gurgelt" belegen. Diese sollen in Wiens Gymnasien nach aktuellem Stand zuletzt 52 Prozent, in Neuen Mittelschulen nur 44 Prozent betragen haben. Sprich: Es gab deutlich weniger PCR-Test-Abgaben als Schülerinnen und Schüler in Wien.

Wie viele Schüler ihre PCR-Tests selbst zu Hause durchführten, darüber hat das Bildungsministerium hingegen keine Daten. Die PCR-Test-Rücklaufquote in den Volksschulen in Wien über "Alles spült" hat laut Ministerium 84 Prozent betragen.

DER STANDARD fragte im Wiener Gesundheitsressort nach, wie viele PCR-Tests an Schulen letzte Woche über Alles gurgelt abgegeben beziehungsweise ausgewertet wurden. Dort wurde von einer knapp mehr als 50-prozentigen Rücklaufquote bei den PCR-Gurgeltests ab der fünften Schulstufe berichtet: Bei rund 170.000 Schülerinnen und Schülern ab der fünften Schulstufe seien insgesamt bei zwei PCR-Testrunden etwa 180.000 Tests abgegeben worden.

Ein Sprecher von Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) sagte zudem, dass die Registrierung und der Online-Einstieg für Schulen für "Alles gurgelt" vereinfacht und damit verbessert würden.

Antrag auf einstweilige Verfügung

Hintergrund des schwelenden Konflikts zwischen Bund und Stadt, zwischen "Alles spült" und "Alles gurgelt", ist auch folgender: Lifebrain hat erfolgreich Einspruch gegen die Ausschreibung für PCR-Schultests eingereicht. Es wurde kritisiert, dass eine Ausschreibung der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG) für PCR-Gurgel-Tests an Schulen auf Novogenia und Covid Fighters zugeschnitten war. Das sind just jene beiden Firmen, die hinter "Alles spült" stecken. Covid Fighters sind Testanbieter in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich. Novogenia ist das im Burgenland, Kärnten, der Steiermark, Salzburg, Tirol und Vorarlberg.

Verlängerte Angebotsfrist endet am Dienstag

Weil die BBG dann die Ausschreibung adaptiert hat, zog Lifebrain Anträge auf einstweilige Verfügung zurück. Die Diskriminierungen im Verfahren seien demnach "beseitigt" worden. Nach Eigenangaben will Lifebrain stattdessen ein Angebot für die Ausschreibung abgeben. Die verlängerte Angebotsfrist endet heute, Dienstag.

Eine Entscheidung diesbezüglich sollte zeitnah fallen, denn die Ausschreibung betrifft bereits die PCR-Tests für das laufende Semester. Die aktuelle Beauftragung für die PCR-Tests fußt demnach auf Direktabrufen aus einer bestehenden Rahmenvereinbarung für die Sommerschulen und den unmittelbaren Schulbeginn.

Aus dem Bildungsministerium heißt es zum STANDARD, dass Lifebrain bei der ersten Ausschreibung nur Viertgereihter geworden sei. Lifebrain sei auch in puncto Kosten pro PCR-Test nicht Bestbieter gewesen. Der Bestbieter habe "deutlich unter fünf Euro" geboten, Lifebrain "deutlich über fünf Euro". Nähere Angaben wurden auch auf Nachfrage nicht gemacht. Bei 1,1 Millionen Schülerinnen und Schülern in Österreich, die mindestens einen PCR-Test pro Woche absolvieren, ist für die Testanbieter in der Endabrechnung jedenfalls eine ordentliche Summe Geld im Spiel.

Rot-türkises Hickhack

Politisch ist der Streit zudem auf einer weiteren Ebene: Lifebrain wird eine Nähe zur Wiener SPÖ nachgesagt, die FPÖ Wien etwa sprach in einer Aussendung von "Alles-gurgelt-SPÖ-Freunden".

Die SPÖ im Bund weist hingegen auf einen möglichen Konnex zwischen der ÖVP Niederösterreich und der Firma Covid Fighters hin. So verließ der ehemalige Gesellschafter Anton Erber, ein ÖVP-Landtagsabgeordneter, erst im April die Firma. Geschäftsführer Boris Fahrnberger hat eine ÖVP-Vergangenheit.

Freitesten nach fünf Tagen möglich

Abseits des Zwists um die PCR-Tests kündigen sich Änderungen bei den Quarantäneregeln für den Schulbereich an. Martin Netzer vom Bildungsministerium sagte auf Ö1, dass die neuen Regeln noch im Lauf des Dienstags erlassen werden. So sollen betroffene Schülerinnen und Schüler, die wegen eines positiven Klassenmitglieds in Quarantäne müssen, bereits nach fünf Tagen die Möglichkeit zum "Freitesten" per PCR-Test bekommen. Bisher war das erst nach frühestens zehn Tagen möglich.

Außerdem ist geplant, dass künftig nur noch unmittelbare Sitznachbarn des positiv getesteten Schulkindes in der Klasse als K1-Kontaktperson eingestuft werden. Die Einzelfallprüfung obliegt aber der jeweiligen Gesundheitsbehörde des Bundeslandes.

Vor allem in Wien werden die derzeit gültigen Quarantäneregeln sehr streng ausgelegt: Mit Stand Montagabend gab es 285 Teilschließungen an Schulen – sprich mindestens eine Klasse oder Gruppe pro Schule in Quarantäne. (David Krutzler, 14.9.2021)