Container, die im Stau stecken. Daran wird sich so schnell nichts ändern. Manche Experten fürchten schon um das Weihnachtsgeschäft.

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Im Juli sorgte das im Suezkanal steckengebliebene Containerschiff Ever Given für Schlagzeilen und beeindruckende Bilder. Im August sorgte ein Corona-Fall in Chinas zweitgrößtem Handelshafen Ningbo dafür, dass es zu einem veritablen Stau vor der chinesischen Küste kam. Folgt man den Angaben des Datenanbieters Refinitiv, warteten vor dem Hafen von Ningbo so viele Frachter wie seit drei Jahren nicht mehr.

Mittlerweile hat sich die Lage zwar wieder einigermaßen beruhigt, doch die beiden Vorfälle zeigen plakativ, dass die globalen Lieferketten, die ohnehin unter einem Mangel an Containerschiffen leiden, kaum noch belastbar sind. Dass sich das in naher Zukunft ändern könnte, daran gibt es berechtigte Zweifel.

So stellte der US-amerikanische IT-Anbieter Project 44, spezialisiert unter anderem auf das Tracking von Containerschiffen, Ende August fest, dass sich die Verspätungen von Frachtschiffen und Sendungen auf den wichtigen Handelsrouten, die China mit dem Rest der Weltwirtschaft verbinden, im Vergleich zum Vorjahr erheblich zugenommen haben.

Das ergab sich aus der Auswertung der Trackingdaten und Logistikkennzahlen der firmeneigenen Frachtplattform. Und das, obwohl sich die Fahrpläne ausgewählter Routen zwischen China und der US-Westküste in den letzten Monaten deutlich verbessert hätten.

Wirkung über 2021 hinaus

Die Daten weisen darauf hin, dass es auf vielen wichtigen Strecken noch immer zu mehrtägigen Verspätungen kommt. Im Südwesten Chinas könnten diese angesichts der neuen Corona-Variante sogar noch zunehmen, prognostiziert Project 44.

"Die Tatsache, dass sich Schiffe weiterhin verspäten und nun auch Ausbrüche von Covid-Varianten in wichtigen chinesischen Produktionszentren zunehmen, könnte weitreichende Konsequenzen für den Black Friday und die Weihnachtseinkaufszeit haben", erklärte Josh Brazil, Marketing-Vizepräsident des Unternehmens.

Man beobachte große Unterschiede bei Verspätungszeiten und Routen, etwa zwischen den Häfen an der US-Westküste und jenen an der Ostküste. So hat sich die durchschnittliche Verspätung auf der Strecke von Tianjin nach New York zwischen Juni 2020 und 2021 von 0,96 auf 7,29 Tage erhöht. "Dies erschwert das Lieferkettenmanagement für die jeweiligen Unternehmen erheblich", sagt Brazil.

Containermangel

Im Schiffsverkehr zwischen China und der EU wiederum stiegen die Verspätungen von durchschnittlich 0,51 Tagen im Juli 2020 auf 2,18 Tage im Juli 2021. Im Juni 2021 standen nach Ansicht des US-Unternehmens Schanghai-Hamburg und Shenzhen-Hamburg stellvertretend für andere moderne, umschlagstarke China-EU-Hafenpaare, bei denen die Schiffe durchschnittlich mehr als eine Woche verspätet waren, nämlich 8,44 bzw. 7,86 Tage. Auf der Strecke von Tianjin nach Antwerpen belief sich die in der Datenbank erfasste durchschnittliche Verzögerung im Juni sogar auf 11,42 Tage.

Seit Juli 2021 nehmen die Lieferrückstände dem Anbieter zufolge wieder ab, liegen jedoch immer noch über dem Höchstwert von 2020, der im März erreicht worden war. Die Krise verschärft ein noch nie dagewesener Mangel an Containern.

In Kombination mit dem Anspringen der Konjunktur nach der Corona-Rezession und der damit einhergehenden hohen Nachfrage nach Transportleistungen hat dies zur Folge, dass sich die Frachtpreise fast verzehnfacht haben. Immerhin wird der internationale Handel zu rund 90 Prozent auf dem Seeweg abgewickelt.

Nachfrage nach neuen Schiffen

Deutsche Unternehmen etwa sprechen zum Teil bereits von "existenziellen Problemen", wie die ARD berichtet. Demnach koste das Versenden von Ware im Container nach Europa inzwischen mehr als die Fracht, die im Container drin ist. Auch Ware nach China zu schicken sei massiv teurer geworden. Fazit: Die Containerkrise werde wohl noch bis 2022 hinein andauern.

Die Engpässe im globalen Güterverkehr auf See lassen derweil die Nachfrage nach neuen Schiffen kräftig anziehen. Besonders Containerriesen sind gefragt. Nach Angaben des internationalen Branchenverbands Bimco seien 2021 bereits 381 Schiffe mit einer Kapazität von 3,44 Millionen Standardcontainern (TEU) geordert worden. Ein neuer Rekord. (Markus Böhm, 15.9.2021)