Eine Erlöserfigur, die erst ihre Berufung erkennen muss: Timothée Chalamet in Denis Villeneuves "Dune."

Foto: Warner

Als David Lynch zu Beginn der 1980er-Jahre die Verfilmung von Der Wüstenplanet angeboten wurde, hatte er keinen blassen Schimmer davon, worum es sich eigentlich handelt. "June?", soll er verwundert ins Telefon gemurmelt haben. Die 40-Millionen-Dollar-Produktion geriet nach hämischen Kritiken an den Kinokassen zum Desaster, Lynchs Karriere tat dies jedoch keinen Abbruch. Frank Herberts voluminöses Epos galt danach allerdings umso mehr als unverfilmbar. Bereits davor war der chilenische Filmvisionär Alejandro Jodorowsky daran gescheitert, die Science-Fiction-Saga zu stemmen, obwohl er mit Orson Welles, Salvador Dalí und Mick Jagger eine sagenhafte Besetzung in petto hatte.

Warner Bros. Pictures

Wahrscheinlich musste das Kino erst in die digitale Ära eintreten, um Herberts Ideen gerecht werden zu können. Wurden bei Lynch noch aufwendige Sets in Mexiko gezimmert und das Team beim Dreh von einer Lebensmittelvergiftung geplagt, so konnte Regisseur Denis Villeneuve nun auf die Kraft der Rechner setzen, um seine Vision des Planeten Arrakis umzusetzen.

Vorbei die Zeiten, in denen David Lean für Lawrence von Arabien noch selbst in die Wüste gezogen ist. Der Sand, die sich dort tummelnden Riesenwürmer, die hochhausgroßen Raumschiffe und die libellenartigen Helikopter – alles am neuen Dune ist computeranimiert, damit ist er auch ein eindrückliches Beispiel von posthumanem Kino. Selbst Stellan Skarsgård als frei schwebender, fieser Fettkloß Wladimir Harkonnen ist allenfalls an seiner markanten Stimme zu erkennen.

Für einen berüchtigt perfektionistischen Regisseur wie Villeneuve sind das freilich ideale Bedingungen, da sie ihm selbst unter dem Druck einer 165 Millionen Dollar teuren Produktion ein großes Maß an stilistischer Kontrolle gewähren. Das Zusammenspiel aus Produktionsdesign und Mise en Scène ist nicht nur die Visitenkarte dieses Films, sondern zugleich dessen Gesicht und Körper. Es stellt die Verbindung her zwischen dem Mystizismus der "edlen Wilden", dem Wüstenvolk der Fremen, und der technologischen Übermacht der Invasoren, die auch etwas von vor sich hin brütenden Herrschern in brutalistischen Dekors an sich haben.

Mit heiligem Ernst

Villeneuve hat dafür wieder mit seinem Langzeitpartner Patrice Vermette zusammengearbeitet, der stattet den Regisseur mit einer monumentalen Architektur aus, die ein Gefühl für Leere und Übersichtlichkeit erzeugt und zugleich raffiniert mit Größenunterschieden spielt. Dies bildet die ideale Bühne für ein pathosschweres Drama um konkurrierende Herrschaftshäuser und den jungen Erlöser Paul Atreides (Timothée Chalamet), der erst seine Berufung entdecken muss.

Anders als der Disney-Konzern, der bei seinen jüngeren Comic-Adaptionen Independent-Regisseure wie Destin Daniel Cretton oder Chloé Zhao (auch aus Diversitätsgründen) an Bord geholt hat, vertraut Warner mit Villeneuve auf die Deutungskraft eines Großregisseurs. Auf die bei Marvel grassierende Ironie reagiert er prompt mit heiligem Ernst – düster, beklemmend und unheilschwanger versucht sich dieser erste Teil einer zumindest angedachten Franchise-Saga zu gebärden, voller Verräter, launiger Hexen und stolzer Krieger, deren Interessen nicht leicht unter einen erzählerischen Hut zu bekommen sind.

Zögerliche Dynamik

Als der junge Atreides seinem Vater Leto (Oscar Isaac) auf Arrakis folgt, versuchen sie dort, ein moderates Regime einzuführen und mit den Fremen eine friedliche Koexistenz einzugehen. Der Rohstoff auf Dune, hinter dem alle her sind, heißt "Spice", eine psychoaktive Substanz, die aber auch für die Raumfahrt unerlässlich ist. So bildmächtig Villeneuve das Setting für das konspirative Geschehen entwirft, so zaghaft nimmt es jedoch Fahrt auf. Das Prinzip des "World-Building", die Herausbildung der erzählerischen Konstellationen, hemmt das darin schlummernde Drama lange in seiner Entwicklung.

Vieles, was Dune an Schauwerten aufzubieten hat, erscheint am Ende doch vertraut. Hans Zimmers Score mag noch so wummern, die einzelnen Stationen werden pflichtschuldig abgerufen, sobald der Atreides-Clan mit offenen Armen in die Falle läuft. Stärker wirken kontrapunktische Momente der Ruhe nach: Paul, der mit seiner Mutter (Rebecca Ferguson) in der nächtlichen Wüste an seiner hehren Rolle kiefelt. Etwas mehr von dieser Skepsis gegenüber dem Lauf der Dinge hätte auch der Film gebraucht. (Dominik Kamalzadeh, 15.9.2021)