In diesem Wohnblock in Wien-Favoriten wurden Montagnachmittag zwei Frauen getötet. Der schwer betrunkene Tatverdächtige konnte erst einen knappen Tag später dazu befragt werden.

Foto: moe

Wien – Man merkt in dem namenlosen Gemeindebau aus den 50er-Jahren in der Rotenhofgasse im Herzen des zehnten Wiener Gemeindebezirks nicht, dass hier wenige Stunden zuvor zwei Frauen getötet wurden. Keine Blumen, keine Kerzen stehen vor der Stiege, die zum Tatort führt, nur die beiden uniformierten Polizisten, die hin und wieder mit ihren Funkgeräten vor die Tür treten, verraten, dass etwas passiert sein muss.

Am Montag gegen 16 Uhr waren Exekutivbeamte, die zu einer Streitschlichtung gerufen wurden, durch diese Tür gekommen. Sie trafen auf den sturzbetrunkenen 28-jährigen S., der ihnen eröffnete, er habe zwei Frauen getötet. Daraufhin entdeckten die Polizisten die Leichen einer 35-Jährigen und einer 37-Jährigen – beide stammen wie der zuletzt in Linz gemeldete Verdächtige aus Somalia.

Dem Vernehmen nach handelt es sich bei den Opfern um die Ex-Frau des Mannes und eine Freundin von ihr, die als Dolmetscherin für die Caritas arbeitete. Aus der Ehe mit der Älteren stammt ein vierjähriges Mädchen, das während der Tat im Kindergarten war. Es wurde mittlerweile vom Jugendamt in Obhut genommen, bis klar ist, ob es weitere Verwandte oder Bekannte in Österreich gibt, die das Kind aufnehmen könnten.

Späte Einvernahme

Erst Dienstagnachmittag war der Verdächtige so weit, dass er von der Polizei einvernommen werden konnte. Bis dahin wollte die Pressestelle weder bestätigen, in welcher Beziehung die Toten mit dem Verdächtigen standen, noch, warum er sich in Wien aufhielt. Da die Obduktionsergebnisse noch nicht vorlagen, schwieg die Polizei auch zur Todesursache – fix ist nur, dass die Ermittler ein Messer sichergestellt haben. Laut Medienberichten soll auch ein Nudelholz eine Tatwaffe sein.

Mit Stichtag 1. Jänner lebten 7.120 Somalierinnen und Somalier in Österreich, zeigen die Zahlen der Statistik Austria. Zehn Jahre zuvor waren es noch 1.134 Personen. Auch in den ersten sechs Monaten des heurigen Jahres hält die Migrationsbewegung aus dem ostafrikanischen Staat an: Mit 422 Asylanträgen liegt das Bürgerkriegsland hinter Syrien, Afghanistan und Marokko auf Platz vier der Aufstellung des Innenministeriums. Ziemlich genau zwei Dritteln der Menschen wurde auch Asyl gewährt.

S. war 2014 nach Österreich gekommen, zwei Jahre später erhielt er den Asylstatus. Zweimal sollte der ihm wieder aberkannt werden – nachdem er wegen Sexualdelikten gegen Männer und Frauen angezeigt worden war. Beide Aberkennungsverfahren wurden jedoch wieder eingestellt, da auch die strafrechtlichen Verfahren eingestellt wurden, der Mann also unbescholten blieb.

Zwei Anzeigen eingestellt

Ulrike Breiteneder, Sprecherin der zuständigen Staatsanwaltschaft Linz, erklärte gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal, die Ermittlungen zu den Vorwürfen wegen Vergewaltigung sowie sexuellen Missbrauchs, die im Vorjahr und heuer gegen den 28-Jährigen erhoben wurden, seien eingestellt worden, "da die Beweislage derart dürftig war, dass eine Verurteilung auf keinen Fall wahrscheinlich erschien. Es gab hier insbesondere keine objektiven Spuren, und auch die Aussagen der Anzeiger waren nicht als derart verlässlich einzustufen, dass dies für eine Anklageerhebung ausgereicht hätte." Ein weiteres Ermittlungsverfahren, wiederum wegen Vergewaltigung, ist dagegen noch anhängig.

Kritik an dieser Praxis kam am Dienstag von Opfervertreterinnen. 80 bis 90 Prozent der Anzeigen wegen Gewaltdelikten würden nie vor Gericht verhandelt, behauptet Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Weder in Wien noch an seinem Wohnort Linz hätten Gewaltschutzorganisationen Meldung über die inkriminierten Vorfälle erhalten, so Logar, diese Stellen sollten aber vielmehr umgehend von Gewalttaten in Kenntnis gesetzt werden. Das Gleiche gelte für die Kinder- und Jugendhilfe. "Wenn niemand etwas weiß, kann niemand helfen."

Tatsächlich gab es im Vorjahr insgesamt 67.051 Anzeigen bei der Polizei, die sich auf Delikte gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit (darunter fallen auch Drohungen und Beleidigungen) sowie die sexuelle Integrität bezogen. Gerichtliche Verurteilungen zu diesen Paragrafen gab es im Jahr 2020 dagegen nur 13.428 – also etwas über 20 Prozent. (Michael Möseneder, 14.9.2021)