Für die neue CEU-Rektorin Shalini Randeria hat auch eine Privatuniversität die Verpflichtung, ihr Wissen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

Heribert Corn

Für jede Rektorin und jeden Rektor sind die Wochen rund um den Beginn eines neuen akademischen Jahrs besonders hektisch. Das gilt umso mehr in Pandemiezeiten. Doch für Shalini Randeria, der seit August amtierenden Präsidentin und Rektorin der Central European University (CEU), sind die Corona-Krise und der Semesterstart, der dieser Tage erfolgt, nur zwei von vielen Herausforderungen.

Die jüngsten sind erst vor kurzem dazugekommen, wie die angesehene Sozialwissenschafterin erzählt: "Von den Studierenden, die dieses Semester anfangen, kommen etliche aus Afghanistan. Neun haben bereits ihr Visum, einige davon sind auch bereits in Pakistan. Unklar ist aber, wie wir die, die noch in Kabul sind, aus dem Land herausbringen. Der Landweg ist im Moment sehr riskant."

Migration als roter Faden

Das Thema Migration ist einer der langjährigen Forschungsschwerpunkte der globalen Intellektuellen. Ortswechsel haben auch ihre eigene Biografie geprägt: Geboren in Washington, D.C., wuchs die heute 66-Jährige in Indien auf, wechselte im Laufe ihres Studiums an die Universität Oxford, um dann an verschiedenen europäischen Universitäten und Forschungseinrichtungen Karriere zu machen – zuletzt seit 2015 als Rektorin des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) in Wien.

Als neue Präsidentin der CEU hat es Randeria nicht nur mit der schwierigen Aus- und Anreise von afghanischen Studierenden zu tun, sondern vor allem auch mit dem erzwungenen Umzug der Hochschule von Budapest nach Wien: "Dass eine Regierung eines EU-Staates eine liberale Universität verbannen kann, schien bis vor kurzem undenkbar." Umso tiefer sitze der Schock dieser Ausweisung bei den Studierenden und den Lehrenden.

Entsprechend sieht Randeria eine ihrer Hauptaufgaben darin, dem Lehrkörper, aber auch dem administrativen Personal zu helfen, sich gut in Wien einzuleben: "Die CEU ist keine Uni im Exil. Unser neues Zuhause ist Wien, und wir sind gekommen, um zu bleiben. Während wir in Hinsicht auf Kultur, Sprache und pädagogischen Zugang eine US-amerikanische Universität sind, sind wir aber auch bereits eine österreichische Universität."

Baustelle in Budapest

Dennoch hat Randeria auch eine Baustelle in Budapest übernommen: Die weitere ungarische Präsenz der CEU, die vor genau 30 Jahren vom ungarischstämmigen US-Milliardär und Philanthropen George Soros gegründet wurde, sei nämlich noch nicht entschieden: "Klar ist, dass es uns die rechtliche Lage in Ungarn nicht mehr erlaubt zu lehren, aber wir dürften dort noch forschen." In Budapest hat die CEU noch die Bibliothek, das Institute for Advanced Study, das Open Society Archive sowie das neugegründete Democracy Institute.

Die erzwungene Übersiedlung nach Wien wurde im Wesentlichen 2019/20 vollzogen. In diesem Jahr wurde ein Bankgebäude im zehnten Wiener Gemeindebezirk zum modern ausgestatteten Unigebäude umgestaltet. Doch auch dieser Ort in Favoriten ist nur ein Provisorium, und es wartet auf Randeria eine noch größere Baustelle: Die weitere Übersiedlung der CEU in das ehemalige Otto-Wagner-Spital auf der Baumgartner Höhe ist für 2025 geplant: "Dort soll ein in jeder Hinsicht zukunftsträchtiger Campus entstehen: energieeffizient und nachhaltig", sagt Randeria. Zugleich solle dort aber auch mit der dunklen Geschichte des Orts – den Verbrechen der NS-Psychiatrie – sensibel umgegangen werden.

Neue Bachelor-Programme

Der Ortswechsel von Budapest nach Wien brachte aber auch einige weitere Veränderungen der Hochschule mit sich. Die CEU wird zwar weiterhin eine Privatuni mit Englisch als Unterrichtssprache bleiben. Doch seit einem Jahr gibt es zusätzlich zu den etablierten Master- und Ph.D.-Programmen vor allem in den Sozial- und Geisteswissenschaften auch Bachelor-Studiengänge, die Voraussetzung für die österreichische Akkreditierung waren.

Die Ausrichtung dieser drei Bachelor-Programme ist inter- und transdisziplinär: "Eines besteht aus einer Mischung aus Philosophie, Politikwissenschaften und Ökonomie", wie Randeria erläutert, "eines aus quantitativen Sozialwissenschaften inklusive Netzwerk- und Datenwissenschaften, und eines ist mit Schwerpunkten auf Geschichte und Anthropologie eher kulturwissenschaftlich orientiert."

Privat, aber nicht elitär

Bei der Lehre gibt es Betreuungsverhältnisse, von denen man an übrigen Unis in Österreich nur träumen kann: Aktuell beträgt das Verhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden in etwa eins zu acht. Randeria legt in diesem Zusammenhang aber auch Wert darauf, dass die CEU eine private, aber keine elitäre Uni sei: "82 Prozent der Studierenden erhalten Stipendien. Und mehr als die Hälfte unserer Studierenden kommt nicht aus Europa; die meisten davon aus dem Globalen Süden."

Die innovativen Bachelor-Programme, mit denen die neue CEU-Rektorin durchaus auch Studierende aus Österreich ansprechen will, sind typisch für diese Hochschule, in der man sich immer auch schon Gedanken über die grundsätzliche Aufgabe von Universitäten machte. Vordenker war der Wissenschaftsphilosoph Yehuda Elkana, der von 1999 bis 2009 die CEU leitete.

Bildung kritischer Geister

"Für ihn bestand eine zentrale Aufgabe der Universitäten darin, die Studierenden zu verantwortungsbewussten Bürgerinnen und Bürgern auszubilden und einen kritischen Blick auf die Gesellschaft zu vermitteln", sagt Randeria, die unter Elkanas Rektorat vor rund 20 Jahren das Department für Soziologie und Sozialanthropologie der CEU in Budapest gründete. Und wie Elkana sträubt auch sie sich gegen neoliberale Entwicklungen an den Hochschulen, beispielhaft in Großbritannien: "Universitäten unterwerfen sich immer stärker der Maxime der Zweckrationalität, müssen beweisen, dass ihre Forschungen ökonomische Relevanz besitzen."

Damit bleibe aber oft auf der Strecke, den kritischen Geist der Studierenden zu schärfen, um über Probleme der Gesellschaft nachzudenken, kritisiert Randeria, die sich als öffentliche Intellektuelle immer wieder auch in gesellschaftliche Debatten einbringt. Das sollten freilich auch die Hochschulen selbst tun: "Nicht nur die öffentlichen Universitäten, auch eine Privatuniversität wie die unsere hat die Verpflichtung, ihr Wissen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen." (Klaus Taschwer, 15.9.2021)