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Wenn die Spitzen der Wirtschaftskammer, Harald Mahrer und Karlheinz Kopf, so wie am Dienstag gemeinsam ausrücken, um ihren Forderungen nach einer steuerlichen Entlastung von Unternehmen öffentlich Nachdruck zu verleihen, werden zwei Dinge klar.

Zunächst, dass die heiße Phase in den Verhandlungen über eine ökosoziale Steuerreform zwischen Grünen und ÖVP beginnt. Am 13. Oktober wird Finanzminister Gernot Blümel seine Budgetrede im Nationalrat halten, am 18. November soll das Budget für das kommende Jahr verabschiedet sein. Spätestens beim zweiten Termin, idealerweise schon beim ersten, sollte fixiert sein, wie die Steuerreform ausgestaltet sein wird. Zugleich sind aber trotz der relativ kurzen Zeit, die verbleibt, viele Fragen noch offen. Jedenfalls sehen die Unternehmensvertreter Mahrer und Kopf genug Spielraum, um bei der Regierung mit ihren Forderungen durchzukommen.

Die beiden forderten bei ihrem Auftritt unter anderem eine Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 21 Prozent, aber steuerliche Vorteile für Unternehmen, die viel Eigenkapital halten, und eine Steuerbegünstigung für Betriebe, die investieren. Eine halbherzige Steuerreform "wäre ein PR-Gag", sagte Mahrer: "Wir erwarten uns einen ordentlichen Knaller."

Streit ums Geld

Groß dürfte das Paket schon werden, so viel zeichnet sich ab. Gerungen wird zwischen ÖVP und Grünen hinter den Kulissen aber noch intensiv ums Geld, aber auch um verteilungspolitische Fragen. Sprich: Was darf die Steuerreform kosten, wer wird entlastet, wer belastet? Als fix gilt, dass es zu der Einführung einer CO2-Bepreisung kommen wird. Unternehmen, die Benzin, Öl oder Gas verkaufen, werden eine Klimasteuer bezahlen müssen und diese Kosten an Endkunden, die tanken oder heizen, weitergeben. Davon ausgenommen wird die Industrie sein, hier gibt es ja bereits eine EU-weite CO2-Bepreisung.

Mit der Klimaabgabe soll kompensiert werden, dass der hohe CO2-Ausstoß enorme Kosten verursacht, Stichwort Klimakrise, für die bisher niemand aktiv aufgekommen ist. Das soll sich nun ändern, es soll Kostenwahrheit herrschen. Als möglicher Richtwert heißt es in Verhandlungskreisen, dass ein Preis für den Ausstoß von einer Tonne CO2 von um die 50 Euro vorstellbar wäre für den Anfang. Das würde einen Liter Sprit um 15 bis 16 Cent verteuern.

Offen ist aber nicht nur der genaue Preis, sondern auch, ob andere klimaschädliche Subventionen teilweise fallen. Beispiel: das Dieselprivileg. Der Kraftstoff ist in Österreich günstiger besteuert als Benzin, laut Experten gibt es dafür keine sachliche Rechtfertigung.

Comeback für die totgeglaubte Pendlerpauschale

Dem Vernehmen nach könnte die Klimaabgabe im Jahr maximal zwei bis 2,5 Milliarden Euro einbringen, was dann auf der anderen Seite rückvergütet werden soll. Ziel der Regierung ist es ja, die ökosoziale Steuerreform aufkommensneutral zu machen. Auch hier zeichnet sich eine grobe Linie ab: Die Grünen bevorzugen einen Klimabonus, der allen Bürgern oder Haushalten zugutekommt.

Allerdings würde diese Konstellation dafür sorgen, dass auch Pendler, die auf das Auto angewiesen sind, höhere Kosten tragen müssten. Das würde ländliche Regionen treffen, was die ÖVP nicht will, aber auch bei den Grünen auf Ablehnung stößt. Daher dürfte es für Pendler eine Rückvergütung geben. Gut möglich, dass eine schon totgeglaubte Einrichtung dafür ein Comeback feiern wird: die Pendlerpauschale. Im türkis-grünen Koalitionsprogramm war eine Ökologisierung der Pauschale fixiert worden, die laut Zeitplan der Koalition schon hätte stattfinden sollen. Dazu ist es bisher nicht gekommen, die Regierung wurde nicht einig.

Werden sie sich einigen? Die Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer ist neben Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) eine der Verhandlerinnen der geplanten Steuerreform.
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Nun könnte die Pauschale, die jenen zusteht, die keine öffentlichen Verkehrsmittel für den Arbeitsweg nutzen können oder deren Arbeitsplatz weit weg ist, sogar angehoben werden. Das Umweltbundesamt sieht die Pauschale als klimaschädliche Subvention an, weil jene das meiste Geld bekommt, die weit weg vom Arbeitsort leben und keine Öffis zur Verfügung haben. Um das System ökologischer zu machen, könnte es bei Nutzung von Elektroautos einen extra Bonus geben.

Eine Einigung steht auch hier noch aus: Je mehr via Pendlerpausche rückvergütet wird, umso weniger Geld bliebe für einen Klimabonus übrig, was die Grünen schmerzen würde.

Offen sind aber auch noch Details beim zweiten Teil der Steuerreform, der mit Klimafragen nicht direkt zu tun hat, dafür aber Entlastung bringen soll. Die Koalition hat sich im Regierungsprogramm darauf verständigt, die erste, zweite und dritte Stufe beim Einkommensteuersatz zu senken. Bei der ersten Stufe ist das schon passiert. Offen ist noch die Senkung des Steuersatzes von 35 auf 30 Prozent (für den Jahreseinkommensteil zwischen 18.000 und 31.000 Euro) sowie von 42 auf 40 Prozent (31.000 bis 60.000).

Grüne: Andere Priorität

Hier gibt es wenige Differenzen. Strittiger wird es, wenn es um Unternehmen geht: Die ÖVP präferiert eine Entlastung so, wie die Wirtschaftskammer es fordert, entweder über eine Senkung der Körperschaftsteuer oder indem Eigenkapital steuerlich bessergestellt wird. Beides dürfte sich schwer ausgehen. Allein die Senkung der Körperschaftsteuersätze würde aktuell zu einem Einnahmenentfall von einer bis 1,5 Milliarden Euro pro Jahr führen. Die Senkung der Einkommenssteuer kostet 2,4 Milliarden Euro.

Die Grünen haben andere Vorstellungen: "Es soll Impulse für mehr Beschäftigung geben", sagt Jakob Schwarz, Sprecher für Budget und Steuern des Grünen Klubs. Sein Vorschlag: Die Lohnnebenkosten für Unternehmen sollen sinken, also nicht die Steuern. Davon würden "kleinere und mittlere Betriebe profitieren, die Jobs schaffen und nicht nur einige große Tanker".

Kritik an den Vorschlägen der Wirtschaftskammer kam auch von der Arbeiterkammer. Deren Steuerexperte Dominik Bernhofer spricht davon, dass hier über Unternehmen die "Füllhörner" ausgeschüttet werden sollen, während Arbeitnehmer gerade das zurückbekommen, was sie mehr an Steuern bezahlt haben in den vergangenen Jahren durch schleichende Steuererhöhungen, die kalte Progression.

Die Steuerreform dürfte über mehrere Jahre verteilt kommen. Der budgetäre Spielraum sei sehr begrenzt, sagt Margit Schratzenstaller, Budgetexpertin des Forschungsinstituts Wifo, sofern die Regierung nicht über eine Effizienzreform, etwa eine Föderalismusreform, gegensteuert. Die Corona-Krise hat schließlich die Verschuldung und das Defizit deutlich nach oben getrieben. (András Szigetvari, 15.9.2021)