In Zukunft soll der Wocheneinkauf immer öfter nach Hause geliefert werden. Temprify möchte Kühlboxen für diesen Markt liefern.

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Die Digitalisierung im Handel mit ausgeklügelten Onlineshop-Systemen als Normalfall, neue Lieferdienste, die trotz verstopfter Straßen binnen kürzester Zeit per Rad, E-Bike oder Moped liefern, und eine Pandemie, die die Menschen ins Homeoffice drängt und lieber nicht auf die Straße gehen lässt – all diese Faktoren beschleunigen den Trend zu E-Commerce im Lebensmittelhandel.

Der internationale Boom fasst auch in Österreich mehr und mehr Fuß, wobei größere urbane Zentren und allen voran Wien die Hauptschauplätze sind. Etablierte Supermärkte treten hier gegen junge Liefer-Start-ups an. Gleichzeitig sind neue Services gefragt, die bei dem enormen Effizienzdruck im Liefergeschäft Abhilfe versprechen.

Wiederverwendbare Box

Ein Start-up aus Wien, das hier mitmischt, ist Temprify. Die Idee der vier Gründer rund um Geschäftsführer Moriz Lanzerstorfer: eine wiederverwendbare Boxenlösung für den Kühl- und Tiefkühlbereich, die voll auf die Bedürfnisse einer Lieferung am selben Tag ausgerichtet ist.

"Die letzten eineinhalb Jahre haben wir verschiedene Prototypen gemeinsam mit Händlern getestet. Ab Ende November wird eine Supermarktkette mit unserer Lösung in den Praxisbetrieb starten", erklärt der Geschäftsführer. Gleichzeitig werde auch eine neue, vergrößerte Tiefkühlbox für den Paketversand starten. In diesem Bereich ist man bereits seit 2019 mit einer Lösung am Markt. Im Sommer 2021 stieg zudem der oberösterreichische Kunststoff-Verpackungsspezialist Greiner in das Tiefkühlbox-Start-up ein.

Das Gründerteam von Temprify arbeitet bereits seit 2016 an seiner Technologie. Zufällig sei man damals auf das Problem der Kühlware in der Paketlogistik gestoßen und begann, in einer Wiener Werkstatt – und im engen Austausch mit Vertretern großer Logistikanbieter – an dem Problem zu arbeiten.

Die gängigste Lösung hier ist bis dato die Kühlung per Trockeneis. Dieses dürfe allerdings nur von Lieferfahrzeugen mit abgetrennten Fahrerkabinen befördert werden, betont Lanzerstorfer. Anbieter, deren Flotte damit nicht aufwarten kann, hätten durchaus Interesse an alternativen Varianten, betont Lanzerstorfer.

Ohne Trockeneis

In ihrer Werkstatt begannen die Temprify-Gründer – unter ihnen drei Techniker –, sich an eine optimierte Technologie heranzutasten, die ohne Trockeneis auskommt. Man baute einen eigenen Laborofen, um etwa extreme Sommerhitze zu simulieren. Man machte Materialversuche, erprobte Dämmstoffe und verschiedene Kühlflüssigkeiten für ihre Version eines Mehrweg-Kühlakkus. "Bei bestehenden Lösungen wird oft eine eher schwach gedämmte Box mit Trockeneis oder Tiefkühlakkus regelrecht ausgeschalt", erklärt Lanzerstorfer.

Das Ergebnis der eigenen Optimierungsarbeit sah etwas anders aus. "Wir haben ein hochisolierendes Material gewählt. Nur ein Kühlakku mit möglichst hoher Oberfläche wird oben auf der Box positioniert. Sie ist so gestaltet, dass ein Spalt zwischen Ware und Innenwand bleibt, durch den die Luft zirkuliert", so der Gründer. "Die vom Akku abgekühlte Luft sinkt ab, steigt mit ihrer Erwärmung wieder auf, um erneut abgekühlt zu werden." Das Volumen der Box werde so besser genutzt und Gewicht gespart.

2018 wurde die Firma gegründet, 2019 ging eine erste Mehrweg-Kühlbox für den Paketversand in Serie, bevor man Lieferservices als Zielgruppe entdeckte. Wieder zog man sich, unterstützt durch die Förderagentur FFG und die Wirtschaftsagentur Wien, in die Werkstatt zurück, um an einem neuen Produkt zu tüfteln, das hohen Belastungen standhält, im Tiefkühlbereich Waren 24 Stunden unter minus 18 Grad hält und – etwa für Pharma-Anwendungen – auf bis zu minus 60 Grad gebracht werden kann.

Automatisierung

Während die Boxen in der Anschaffung zwar teurer sind als Trockeneisvarianten, betont Lanzerstorfer, dass man insgesamt die "weltweit günstigsten Kosten pro Auslieferung" bieten könne. Aus Sicht der Gründer sind die Boxen aber nur ein erster Schritt auf dem Weg zu einem Gesamtsystem, das man künftig anstrebe.

Man peilt etwa eine Automatisierungslösung an, die Akkuentnahme, Reinigung und Vorkühlung vollständig übernimmt. "Kein Mensch soll mehr eine Box im Lager anfassen müssen", sagt Lanzerstorfer.

Die Auslieferungskosten sollen dadurch noch weiter sinken. Gleichzeitig sollen die Boxen smarter werden. Im Start-up wird an Lösungen zur Temperatur- und Erschütterungsüberwachung gearbeitet, die in den Gebinden Daten sammeln. Ein Fernziel ist, den Zustand der Ware live via Internet verfolgen zu können.

Der E-Commerce-Boom hat bekanntlich eine unschöne Nebenerscheinung: jede Menge Verpackungsmüll. Mit derartigen Mehrwegverpackungen besteht die Hoffnung, dass dieser nicht zu sehr wächst, wenn Tiefkühlfisch, Milch und Käse nun ebenfalls Teil der Last-Mile-Herausforderung werden. (Alois Pumhösel, 17.9.2021)