In diesem Wohnblock in Wien-Favoriten wurden Montagnachmittag zwei Frauen getötet. Der schwer betrunkene Tatverdächtige konnte erst einen knappen Tag später dazu befragt werden.

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Umfassende Geständnisse im Zuge von Ermittlungen zu Kapitalverbrechen sind selten. Umso überraschter waren die Wiener Kriminalisten, als der 28-jährige Somalier, dem die Ermordung seiner geschiedenen Frau und deren Freundin vorgeworfen wird, nicht nur diese Bluttaten zugegeben hat, sondern laut Polizei auch noch bestätigt haben soll, dass er einen weiteren Mord im Sinn gehabt habe. Und zwar am Lebensgefährten seiner Exfrau. Dieser konnte jedoch die Messerattacke des zu diesem Zeitpunkt bereits schwer betrunkenen Angreifers abwehren und schließlich die Polizei alarmieren.

Streit um SMS

Wie berichtet, war der Tatort ein Gemeindebau am Belgradplatz in Wien-Favoriten, wo die frühere Frau des Beschuldigten mit der gemeinsamen Tochter (4) wohnte. Die 37-Jährige, ebenfalls aus Somalia, hatte sich vor knapp zwei Jahren von ihrem Mann getrennt, weil er gewalttätig gewesen sein soll. Der 28-Jährige wohnte zuletzt in Linz. Am Montagvormittag tauchte er bei seiner Exfrau in Wien auf. Was sich dort abgespielt haben soll, teilte die Polizei dem STANDARD so mit: "Es kam zu einer Diskussion wegen SMS-Nachrichten. Er ging in die Küche und holte sich ein Nudelholz, mit dem er auf sie einschlug. Weiters versetzte er ihr Stiche mit einem Messer."

Mehr als zwei Promille

Danach soll der mutmaßliche Mörder in der Wohnung geblieben sein und Alkohol konsumiert haben – bis gegen Mittag, wie häufig um diese Tageszeit, die Freundin seiner Exfrau, ebenfalls Somalierin, zu Besuch kam. Zu ihr habe er, wie er aussagte, "seit der Scheidung kein gutes Verhältnis gehabt". Nach einem kurzen Streit hab er auch die 35-Jährige erstochen, gab der Tatverdächtige zu Protokoll.

Als drittes Opfer soll er den 36-jährigen Partner seiner Exfrau ausgewählt haben. Per SMS wurde ein Treffen vor der Wohnung vereinbart, der mutmaßliche Mordversuch dort schlug aber fehl. Angeblich war der 28-Jährige schon zu betrunken, der Angegriffene konnte flüchten. Er war es auch, der die Polizei rief. Bei seiner Festnahme leistete der Verdächtige keinen Widerstand, er hatte laut Polizei mehr als zwei Promille Alkohol im Blut. Nach seiner Einvernahme am Dienstagnachmittag und Mittwoch wurde der mutmaßliche Doppelmörder der Justiz übergeben, die Anordnung der U-Haft beantragt.

Seine vierjährige Tochter, die zum Tatzeitpunkt im Kindergarten war, wird in einem Krisenzentrum der Wiener Kinder- und Jugendhilfe von Sozialpädagoginnen betreut.

Vorzeichen von Gewalt

Wie im Fall Leonie, der 13-jäheigen Schülerin, für deren Tod mehrere Asylwerber aus Afghanistan verantwortlich gemacht werden, gab es auch in diesem Fall bereits Vorzeichen von Gewalt. Der Somalier wurde in Linz zweimal angezeigt, unter anderem wegen eines Sexualdelikts. In beiden Fällen wurde ein Asylaberkennungsverfahren eingeleitet, das aber jeweils eingestellt wurde, nachdem auch die Verfahren wegen der Anzeigen eingestellt worden waren. Der 28-Jährige ist somit unbescholten, gegen ihn wurde bisher auch kein Betretungsverbot ausgesprochen.

Viele Anzeigen zurückgelegt

Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, kritisiert, dass "viel zu viele Anzeigen wegen Gewaltdelikten – 80 bis 90 Prozent – eingestellt werden". Viele Gewalttaten blieben somit ohne Sanktion. "Gerade bei Ersttaten wäre es im Sinne des Opferschutzes wichtig, klare Zeichen zu setzen", fordert Logar. Heuer seien in Österreich bereits 21 Femizide zu beklagen. Es brauche dringend die Umsetzung der Fallkonferenzen bei gefährlichen Tätern sowie Infos und regelmäßigen Austausch seitens der Behörden mit Opferschutzeinrichtungen wie Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen.

Unschuldsvermutung

Aus aktuellem Anlass noch eine Klarstellung zur Unschuldsvermutung: Solange keine rechtskräftige Verurteilung vorliegt, gelten in Österreich beschuldigte Personen als unschuldig. Das gilt auch dann, wenn schon im Polizeiverhör ein Geständnis abgelegt wurde.

Das Mediengesetz verbietet ausdrücklich eine Berichterstattung, die jemanden vorschnell als überführt oder schuldig hinstellt, ohne zu erwähnen, dass es sich um einen bloßen (wenn auch dringenden) Verdacht handelt bzw. dass noch kein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Betroffene haben dann Anspruch auf Entschädigung, das Gesetz sieht zwischen 100 Euro und 100.000 Euro vor. Worte wie "mutmaßlich" oder "tatverdächtig" oder die Betonung der Unschuldsvermutung verdeutlichen, dass eine Schuld gerichtlich noch nicht erwiesen ist. (Michael Simoner, 15.9.2021)