Der Annenstraße, einst eine beliebte Grazer Einkaufsstraße, macht der Geschäftsleerstand zu schaffen.

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In Graz drehen sich die Baukräne: Mehr als 4500 Wohneinheiten werden laut Zahlen der Bauträgerdatenbank Exploreal heuer fertig. Auch für die kommenden Jahre ist die Pipeline gefüllt. Das freut Wohnungssuchende. Es freut vor allem aber auch Investoren, die auf der Suche nach Anlageobjekten Graz für sich entdeckt haben. "Es baut das Geld, nicht mehr der Wohnungsmarkt", kritisiert Karl Dreisiebner, der grüne Grazer Klubchef, im Gespräch mit dem STANDARD.

Wie viele dieser Wohnungen letztendlich leer stehen, weiß man nicht – oder zumindest noch nicht: Denn im Wahlkampf nutzt die Grazer Stadtregierung das Thema für sich; im Juli kündigte Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) eine Leerstandserhebung an.

Auf Nachfrage heißt es nun, dass diese derzeit in den Bezirken Geidorf und St. Leonhard laufe und mithilfe eines externen Beraters durchgeführt werde. Alle weiteren Bezirke sollen folgen. Um herauszufinden, welche Wohnungen ungenutzt sind, werden Melderegister und allgemeines Gebäuderegister übereinandergelegt und um Details, etwa zum Energieverbrauch, ergänzt. "Überall, wo keine Hauptwohnsitze gemeldet sind, müssen wir genauer schauen", sagt Nagls Pressesprecher Christian Köberl.

Fixe Zahlen gibt es noch keine. Zwei Aussagen könne man aber bereits machen: Wenn es Leerstand gibt, dann am ehesten in Gebäuden aus den 1950er- und 1960er-Jahren, weil dort der GebäudeStandard nicht so hoch sei. In Neubauten, die in den letzten zehn Jahren errichtet wurden, gebe es dafür kaum Leerstand, "da gehen wir von unter einem Prozent aus", sagt Köberl.

Stadt mietet Wohnungen

Im nächsten Schritt will die Politik die leeren Wohnungen mobilisieren. Zwei Anträge bringt die ÖVP am Donnerstag in der letzten Gemeinderatssitzung vor der Wahl ein. Einer betrifft einen Fonds, mit dem die Errichtung von Balkonen, barrierefreie Umbauten und energetische Sanierungen gefördert werden sollen. Details müssten erst in einer Arbeitsgruppe definiert werden.

Ein weiterer Vorschlag ist, als Stadt ungenutzte Wohnungen von den Eigentümern für 20 Jahre anzumieten und an sozial Schwächere zu vermieten. Die Nettomieten würden – wie im Grazer Gemeindebau – bei 60 Prozent des steirischen Richtwerts, also bei etwa 4,8 Euro pro Quadratmeter, liegen. Das sei ein "Testballon", der mit 30 bis 50 Wohnungen starten könne.

Ablehnung gibt es in der Grazer ÖVP für eine Leerstandsabgabe; auch, weil befürchtet wird, dass diese umgangen werden kann. Eine Leerstandsabgabe lehnt man auch bei den Neos ab. Listenzweite Sabine Reininghaus schätzt, dass 25.000 bis 30.000 Wohnungen leer stehen.

Wichtig ist Reininghaus aber auch das Thema Geschäftsleerstände. 24 leere Läden hat sie auf der Grazer Annenstraße, einer einst belebten Geschäftsstraße, gerade gezählt. Eingriffe ins Eigentum dürfe es auch hier freilich keine geben, "aber es gibt auch ein öffentliches Interesse daran, dass Straßen belebt und sauber und schön sind".

Die Lehren aus der Leere werden in Graz nun jedenfalls mit Spannung erwartet. "Aber ob der Leerstand wirklich erhoben wird, werden wir wohl erst nach der Wahl sehen", sagt der Grüne Karl Dreisiebner. (Franziska Zoidl, 16.9.2021)