Zhou wurde von der Staatsmacht unter Druck gesetzt.

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Die Chancen, den Fall tatsächlich zu gewinnen, standen von Anfang an schlecht. Das wusste Zhou Xiaoxuan. Trotzdem zeigte sie sich nach dem Urteil enttäuscht. Sie wisse nicht, ob sie das weitere drei Jahre machen könne. Damals, im Jahr 2018, ließ sich die heute 28-jährige Chinesin von der MeToo-Bewegung inspirieren und ging mit Vorwürfen gegen den bekannten Moderator des Staatsfernsehens Zhu Jun an die Öffentlichkeit. Dieser, sagte Zhou, habe sie, die damalige Praktikantin, vier Jahre zuvor in seiner Garderobe gegen ihren Willen geküsst und begrapscht.

Kurz darauf ging sie zur Polizei, doch die habe sie wegen der Bekanntheit Zhus nicht ernst genommen, erklärte Zhou. Erst als der TV-Star sie wegen Verleumdung anzeigte, antwortete sie mit einer Klage mitsamt der Forderung nach umgerechnet mehr als 6.500 Euro Schmerzensgeld und einer öffentlichen Entschuldigung.

Große Widerstände

Seitdem ist sie, über deren Privatleben wenig bekannt ist, das Gesicht der MeToo-Bewegung in China. Denn kaum eine Frau wagt es sonst im Reich der Mitte, wegen sexueller Belästigung an die Öffentlichkeit zu gehen, geschweige denn vor Gericht zu ziehen. Überlebende sexueller Gewalt kontaktieren sie, bitten um ihre Hilfe, um ihren Beistand bei der Polizei. Viele Opfer hätten das Vertrauen in ihr Umfeld verloren, und "sie vertrauen mir, weil ich selbst ein Opfer bin", sagte Zhou einmal der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Doch die Widerstände waren groß. Zhou sowie ihre Unterstützerinnen und Unterstützer wurden von der Staatsmacht unter Druck gesetzt. Unter anderem wurde ihr Konto auf dem sozialen Netzwerk Weibo gesperrt. Interviews, die sie chinesischen Zeitungen gab, erschienen nie. Nationalisten beschimpfen sie als Marionetten westlicher Mächte. Ihr Antrag auf einen öffentlichen Prozess wurde abgelehnt, auch befand das Gericht die Anwesenheit des Angeklagten für nicht notwendig. Zudem wurden Aufnahmen einer Überwachungskamera vor besagter Garderobe ignoriert. Nicht verwunderlich also, dass das Gericht am Dienstag gegen Zhou, die mittlerweile als Drehbuchautorin tätig ist, entschied. Es gebe nur unzureichende Beweise für ihre Vorwürfe, hieß es.

Doch es war nicht alles umsonst. Auch wenn die strukturellen Widerstände stark seien, fassen doch mehr Frauen in China den Mut, über ihre Erlebnisse zu sprechen, sagte Xianzi, so Zhous Spitzname, einmal. Und nachdem sie das Urteil verdaut hatte, erklärte sie, dass sie in Berufung gehen werde. (Kim Son Hoang, 15.9.2021)