Offenbar nicht immer beste Freunde: Ex-US-Präsident Donald Trump und Generalstabschef Mark Milley.

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Washington – Nach der Erstürmung des US-Kapitols am 6. Jänner soll Generalstabschef Mark Milley geheime Vorkehrungen getroffen haben, um die Befehlsgewalt von Präsident Donald Trump über Atomwaffen einzuschränken. Das berichten unter anderen CNN und die "Washington Post" unter Berufung auf ein noch unveröffentlichtes Buch, das sich mit dem Ende von Trumps Amtszeit befasst. Trump beschimpfte Milley und sprach von "Verrat". Der neue US-Präsident Joe Biden hingegen sprach Milley sein Vertrauen aus.

Der renommierte Investigativjournalist Bob Woodward und ein langjähriger Korrespondent der "Washington Post", Robert Costa, schreiben demnach in "Peril" (Gefahr), Milley sei nach der Erstürmung des Kapitols durch Anhänger Trumps erschüttert gewesen. Er habe daher am 8. Jänner ein vertrauliches Treffen mit den zuständigen Kommandeuren einberufen, um sicherzustellen, dass es keinen militärischen Offensivschlag ohne seine Zustimmung geben kann. "Was auch immer Ihnen befohlen wird, Sie folgen dem Ablauf. Sie machen den Vorgang. Und ich bin Teil des Ablaufs", soll Milley den Berichten vom Dienstag zufolge gesagt haben. Danach soll der General alle Beteiligten direkt gefragt haben, ob sie ihn verstanden hätten.

"Ich stimme Ihnen in allen Punkten zu"

Den Berichten zufolge lag den Autoren des Buches, das am kommenden Dienstag erscheinen soll, auch die Mitschrift eines Telefonats von Milley und der Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, der Demokratin Nancy Pelosi, vor. Pelosi sagte demnach in dem Gespräch vom 8. Jänner zu Milley über Trump: "Sie wissen, dass er verrückt ist. Er ist seit langer Zeit verrückt." Darauf soll Milley, der 2019 von Trump ernannt worden war, erwidert haben: "Ich stimme Ihnen in allen Punkten zu."

Milley soll dem Buch zufolge befürchtet haben, dass der abgewählte Trump einen militärischen Konflikt anzetteln könnte, um sich an der Macht zu halten. Pelosi, die das dritthöchste Staatsamt bekleidet, hatte nach dem Telefonat im Jänner auch eine Pressemitteilung veröffentlicht. Damals erklärte sie, sie habe mit Milley gesprochen, um einen "instabilen Präsidenten" daran zu hindern, "Militärschläge zu beginnen" oder einen "atomaren Angriff" zu befehlen. Der abgewählte Republikaner Trump "könnte nicht gefährlicher sein, und wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um die Menschen in Amerika" und die Demokratie zu schützen, so Pelosi damals.

Milley in Kontakt mit China

Trotz seiner Niederlage bei der Wahl am 3. November 2020 blieb Trump noch wie von der Verfassung vorgesehen bis 20. Jänner US-Präsident und damit auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Das Militär konnte sich seinen Befehlen also streng genommen nicht offen widersetzen.

Milley, der inzwischen dem demokratischen Präsidenten Biden als oberster Militärberater dient, soll den Berichten über das Buch zufolge in der Zeit auch zwei Gespräche mit seinem chinesischen Gegenüber gehabt haben, um Ängsten der kommunistischen Führung vor einem US-Angriff vorzubeugen. Milley telefonierte demnach kurz vor der US-Wahl, am 30. Oktober, mit General Li Zuocheng, und erneut am 8. Jänner. Während des zweiten Anrufs soll Milley zu Li gesagt haben: "Wir sind zu 100 Prozent beständig. Aber Demokratie kann manchmal schludrig sein." Den Berichten zufolge soll Milley China auch zugesagt haben, sein Gegenüber Li im Fall eines Angriffs rechtzeitig zu warnen.

Trump reagiert erbost

Ein Sprecher des Generalstabs erklärte am Mittwoch, Milley führe regelmäßig Gespräche mit seinen internationalen Kollegen, darunter auch jene aus Russland und China. Diese seien wichtig, um Spannungen abzubauen, für Klarheit zu sorgen und "unbeabsichtigte Konsequenzen oder Konflikte" zu verhindern. Auch Treffen mit Kommandeuren der Streitkräfte seien Routine. Das Treffen zum Ablauf beim Einsatz von Atomwaffen habe dazu gedient, den Kommandeuren angesichts von Medienberichten zu dem Thema die "seit langem etablierten und robusten Vorgehensweisen" in Erinnerung zu rufen.

Trump wiederum bezeichnete Milley in einer Stellungnahme als "Blödmann General", der "schwach und ineffektiv" sei. Falls die Berichte zuträfen und Milley hinter seinem Rücken Absprachen mit China getroffen habe, dann müsse ihm wohl wegen Verrats der Prozess gemacht werden, erklärte Trump. Er selbst habe nie auch nur darüber nachgedacht, China anzugreifen. Wer anderes behaupte, sei "krank und verrückt".

Weißes Haus verteidigt Milley

Der republikanische Senator Marc Rubio, ein Trump-Verbündeter, sagte im Sender Fox News, falls die Berichte zuträfen, entspräche das "einem Militärputsch". Die Militärführung dürfe sich nicht über den Willen des rechtmäßig gewählten Präsidenten stellen. "Stellen Sie sich mal vor, dass General Milley morgen entscheidet, dass Joe Biden senil ist", sagte Rubio. Dann könne Milley Bidens Befehle verweigern und mit Russland und China zusammenarbeiten.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, erklärte am Mittwoch, Biden arbeite seit Monaten mit Milley zusammen und habe "komplettes Vertrauen in seine Führungskraft, seinen Patriotismus und seine Treue zur Verfassung". In Bezug auf das berichtete Verhalten Milleys sagte Psaki, es sei wichtig, sich des Kontextes bewusst zu sein. Trump habe damals ein Aufbegehren gegen die verfassungsmäßige Anordnung angeführt, das zur Erstürmung des Kapitols geführt habe, "einem der dunkelsten Tage in der Geschichte unseres Landes".

Bei Milleys nächster Anhörung im Kongress – am 28. September im Senat – dürften ihm kritische Fragen von mehreren Republikanern sicher sein. (APA, 15.9.2021)