Morrison (li.) und Biden im Gespräch.

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Der australische Strategieanalyst Peter Jennings hielt sich am Donnerstag nicht zurück: "Es ist ganz allein die Schuld Chinas, das darauf besteht, in der Pazifikregion ungebremst zu expandieren", meinte der Experte im Frühstücksfernsehen. Nur Stunden zuvor hatte US-Präsident Joe Biden ein neues Bündnis zwischen den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Australien angekündigt. Kern des Abkommens ist die Erlaubnis der US-Regierung, Australien den Erwerb von U-Booten zu gestatten, die mit geheimster Nukleartechnologie betrieben werden. Bisher hatte nur Großbritannien Zugang zu den entsprechenden Daten.

Gemeinsam teilten Biden, der britische Premierminister Boris Johnson und der australische Regierungschef Scott Morrison mit, in den kommenden 18 Monaten optimale Wege finden zu wollen, wie Australien die modernen Kriegsgeräte erhalten könne.

Der Waffenhandel ist Teil einer neuen Partnerschaft, mit der die drei Länder im Indopazifik-Raum laut eigenen Angaben "Frieden und Stabilität" sichern wollen. Die Initiative werde in Anlehnung an die englischen Abkürzungen der beteiligten Staaten Aukus heißen. Analysten zufolge wurden die Einzelheiten der Zusammenarbeit in den vergangenen Monaten unter strikter Geheimhaltung ausgehandelt. Nur wenige hochrangige Politiker und Offizielle seien eingeweiht worden.

China reagierte brüskiert

Entsprechend groß war die Überraschung am Donnerstag. China reagierte verurteilend und sprach von einer "Kalter-Krieg-Mentalität" der beteiligten Staaten. Brüskiert ist auch Frankreich, das vor fünf Jahren mit Australien einen Vertrag über den Bau einer neuen U-Boot-Flotte im Volumen von mindestens 35 Milliarden Euro unterzeichnet hat. Premierminister Scott Morrison gab am Donnerstag bekannt, dieses Abkommen stornieren zu wollen. Wie viel dieser spektakuläre Vertragsbruch australische Steuerzahler kosten wird, ist nicht bekannt.

Frankreich reagierte erbost: "So etwas macht man unter Alliierten einfach nicht", erklärte Außenminister Jean-Yves Le Drian. Der sonst sehr diplomatische Minister warf Australien vor, "Vertrauen verraten" zu haben. An die USA gerichtet fügte Le Drian bei, sein Land habe "totales Unverständnis" für diese "unilaterale, brutale und unvorhersehbare Entscheidung, die stark an das erinnert, was Herr Trump vorgemacht hat".

Le Drian ließ auch keinen Zweifel daran, dass Frankreich finanzielle Entschädigung für den entgangenen Auftrag verlangen wird. Frankreich hatte fünf Jahre lang intensiv mit Australien verhandelt. Die Franzosen sind nun umso aufgebrachter, als sie den "Jahrhundertauftrag" in Australien nur zum Preis massiver Konzessionen und gegen starke Konkurrenten wie die deutsche Thyssenkrupp ergattert hatten.

Fast nur einseitige Hilfe

Australien ist seit 70 Jahren über das Anzus-Bündnis an die USA als Sicherheitspartner gebunden. Dieses Abkommen, nach dem ein Land dem anderen im Fall einer Bedrohung zu Hilfe kommen soll, wird durch die neue Initiative verstärkt. Bisher war die Hilfe fast nur einseitig: Über Jahrzehnte sind australische Regierungen dem Ruf Washingtons gefolgt und haben die USA in praktisch jedem Konflikt militärisch unterstützt – von Vietnam über den Irak bis zu Afghanistan. Der frühere konservative Premierminister John Howard hatte für Aufsehen gesorgt, als er Australien als "Hilfssheriff der USA im Pazifik" bezeichnete.

Wie der Militäranalyst Peter Jennings vom Australian Strategic Policy Institute in Canberra meint, ist Aukus an China gerichtet, das sich im pazifischen Raum immer weiter ausbreite – vorwiegend durch "Soft Diplomacy" – weiche Diplomatie. So finanziert Peking seit Jahren in pazifischen Kleinststaaten Infrastrukturanlagen wie Straßen und Sportstadien, offeriert den oftmals bitterarmen Ländern günstige Kredite und baut Hafenanlagen, die – laut Kritikern – als Stützpunkte für militärische Aktionen Chinas genutzt werden könnten. Australien ermöglichten die neuen U-Boote, tiefer in die Einflussgebiete Chinas im Pazifik vorzudringen, so Jennings. Die mit US-Nuklearantrieben ausgerüsteten Kriegsgeräte könnten längere Distanzen zurücklegen als konventionell mit Diesel betriebene U-Boote. "Sie sind sehr leise und können von einem Feind weniger rasch erkannt werden."

Gegenseitige Beschuldigungen

Die Reaktion Chinas lässt erahnen, dass sich die chronisch schlechten Beziehungen zwischen Canberra und Peking kaum erholen dürften. Seit Monaten beschuldigen die beiden Länder einander der Einmischung in "innere Angelegenheiten". Peking reagiert empört, wenn Australien Chinas Umgang mit Menschenrechten bemängelt oder die Aufklärung der Ursachen von Covid-19 fordert – mit China im Fokus. Canberra dagegen kritisiert Chinas Spionagetätigkeit in Australien und beschwert sich über Pekings Kritik an australischen Truppen, denen Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan vorgeworfen werden. Die Situation ist derart kritisch, dass seit Monaten kein australischer Regierungspolitiker mit seinem chinesischen Amtskollegen gesprochen hat.

Dabei ist China der mit Abstand größte und wichtigste Handelspartner Australiens. Fast 33 Prozent der australischen Exporte gehen nach China – von Eisenerz bis Wein. Tausende chinesische Studierende füllen die Kassen der Universitäten. Doch seit vergangenem Jahr verhängt China Einfuhrzölle auf australische Produkte, von Rindersteaks über lebende Hummer bis hin zu Kohle – trotz eines Freihandelsabkommens. Der Streit kostet Australien Milliarden Dollar und viele Arbeitsplätze. Universitäten, die vom Geld chinesischer Studenten abhängig sind, entlassen Akademiker. (Urs Wälterlin aus Canberra, Stefan Brändle aus Paris, 16.9.2021)