Obwohl es am wissenschaftlichen Nachweis für Ungefährlichkeit und Wirksamkeit fehlt, müssen Antiabtreibungspillen in mehreren US-Bundesstaaten im Rahmen verpflichtender Beratungsgespräche vor einem Schwangerschaftsabbruch als Option erwähnt werden.

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Facebook sieht sich einmal mehr in der Kritik durch eine NGO, die sich gegen Hass und Bedrohungen im Netz einsetzt. In einem Bericht beschuldigt das Center for Countering Digital Hate das soziale Netzwerk, Werbung für Mittel zuzulassen, mit denen sich die Wirkung von Medikamenten zur Einleitung einer Abtreibung rückgängig machen lassen soll.

Der Konzern profitiere auch finanziell davon, die Werbung auszuspielen. Nach Rechnung der internationalen NGO könnten die Anzeigen seit Anfang 2020 bis zu 140.000 Dollar in die Kassen gespült haben. Gemessen an Facebooks Budgetzahlen sind das zwar sprichwörtliche Peanuts, allerdings haben die Sujets Millionen Menschen erreicht.

Laut dem Bericht (PDF) wurden die Anzeigen 18,4 Millionen Mal ausgespielt – in 700.000 dieser Fälle an Teenager im Alter von 13 bis 17 Jahren, auch ermöglicht dadurch, dass Facebooks Werbetools die Auswahl dieser Zielgruppe zulassen. Das Netzwerk breche damit auch seine eigenen Regeln, die Werbung für "unangemessene, illegale oder unsichere" Produkte untersagen, so die Organisation.

Studie musste abgebrochen werden

Die "Abortion Reversal"-Tabletten versprechen, die Effekte von Abtreibungsmedikation auszuhebeln und einen damit eingeleiteten Schwangerschaftsabbruch noch zu verhindern. Es fehlt jedoch am wissenschaftlichen Nachweis der Wirksamkeit dieser Mittel.

Nicht nur das, ihre Einnahme birgt sogar erhebliche Risiken. Die bisher einzige als seriös gestaltet anerkannte Studie, durchgeführt von der University of California im Jahr 2019, wurde abgebrochen. Drei der schwangeren Teilnehmerinnen, die zuvor eines von zwei aufeinander abgestimmten Abtreibungsmitteln, Mifepriston, und anschließend eine Antiabtreibungspille mit dem "Schwangerschaftshormon" Progesteron oder ein Placebo erhalten hatten, mussten wegen starker vaginaler Blutungen zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden.

Eine der Betroffenen hatte eine Progesteron-Tablette eingenommen, die anderen beiden ein Placebo. Die Forscher schlossen aus dem Vorfall, dass der vorgesehene Behandlungsweg der Antiabtreibungspillen riskant ist und es nicht empfehlenswert sei, lediglich Mifepriston einzunehmen. Progesteron soll die Wirkung von Mifepriston rückgängig machen.

Dazu ist zu sagen, dass es insgesamt lediglich zwölf Probandinnen gab, von denen ein Teil ein Placebo anstelle des Progesterons erhalten hatten. Ursprünglich wollte die Universität eine Untersuchung mit 40 Frauen durchführen, jedoch fanden sich bis zum Zeitpunkt des Abbruchs nicht mehr Freiwillige.

Zwei Forscher legten 2012 Ergebnisse vor, gemäß denen eine intramuskuläre Verabreichung von Progesteron bei vier von sechs Frauen gewirkt habe. Ihre Untersuchung wurde jedoch für methodologische Fehler kritisiert. In einer Anwendungsbeobachtung 2016 sah man eine Erfolgsrate von rund zwei Dritteln.

Facebook und Google entfernten Kampagnen

Das American College of Obstetricians and Gynecologists bezeichnet "Antiabtreibungs"-Therapien als wissenschaftlich nicht gedeckt. Dennoch muss die Progesteron-Behandlung in manchen US-Bundesstaaten im Rahmen einer verpflichtenden Abtreibungsberatung als Option erwähnt werden.

Facebook erklärt gegenüber "Business Insider", dass man viele der Werbekampagnen, die im Bericht des Center for Countering Digital Hate erwähnt wurden, aufgrund von Richtlinienverstößen entfernt habe. Viele davon seien Monate oder Jahre alt und inaktiv gewesen.

Kritik gab es auch an Google, in dessen Suchmaschine für viele US-Nutzer, die sich über Abtreibungskliniken oder ungeplante Schwangerschaften informieren, ebenfalls häufig Werbung für die dubiosen Pillen auftaucht. In vielen der Anzeigen wurde mit der angeblichen Wirksamkeit der Mittel geworben. Die erwähnten Einschaltungen wurden mittlerweile von Google entfernt. (gpi, 16.9.2021)