Der Bruckner Tower in Linz-Urfahr wurde im heurigen Frühjahr fertiggestellt. Der fast 100 Meter hohe Turm gefällt nicht allen.

Foto: Michael Hierner

Wie sieht ein Gebäude aus, das maximale Dominanz ausstrahlt? Laut der Linzer Wohnpsychologin Barbara Perfahl ist es ein wuchtiges Hochhaus mit dunkler, verspiegelter Fassade und von der Öffentlichkeit abgeriegelter Sockelzone. Genau ein solches Gebäude haben viele immer dann vor Augen, wenn über Hochhäuser gesprochen wird.

Kein Wunder also, dass schon der bloße Gedanke an einen Turm, der irgendwo in der Stadt vorsichtig angedacht wird, oft heftige Emotionen hervorruft. Barbara Perfahl kann das nachvollziehen. "Dahinter steht oft auch die Frage: Wie weit sind Bürger in die Gestaltung des Stadtbildes einbezogen?" Viele Menschen hätten das Gefühl, dass sich die Stadt und ihr Grätzel schnell verändert und sie Immobilienentwicklern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind.

Wenn sich die Nachbarschaft plötzlich verändert, werde das von vielen auch als Kontrollverlust empfunden. Es macht auch etwas mit der Identität, die laut Perfahl eng mit bestimmten, für einen selbst wichtigen Orten verknüpft sind.

Dann gibt es natürlich noch einen weiteren, sehr offensichtlichen Grund dafür, dass Hochhäuser so oft so emotional diskutiert werden: "Ein Wohnturm betrifft alle", sagt Perfahl. Wenig verändert die Stadt mehr als ein 130-Meter-Wohnturm, den man aus so gut wie keinem Eck der Stadt mehr ausblenden kann.

Der Stadt entrückt

Die Psychologin nennt noch einen weiteren Aspekt, der zur Emotionalisierung der Debatte beiträgt: Es ist das Klischee von den Luxuswohnungen, die in solchen Türmen entstehen und die sich Normalsterbliche ohnehin nicht leisten können. Gleichzeitig wird leistbarer Wohnraum in den Städten zum knappen Gut.

Doch es gibt auch noch eine andere Seite der Medaille: Wohntürme üben auf viele auch eine Faszination aus. Wer dort oben wohnt, entrückt dem Trubel der Stadt, steht zumindest gefühlt über den Dingen. Es sei der Ausblick, der die Faszination Wohnturm ausmacht, ist Perfahl überzeugt.

Evolutionsbiologisch sei dem Menschen die Nähe zu Wasser, Bäumen, blühenden Wiesen und eine Aussicht stets wichtig gewesen. Auch wenn man nach der blühenden Wiese in Städten lange suchen muss: "Der ideale Ort ist für viele einer, der geschützt ist, von dem man aber auch einen Überblick hat", sagt Perfahl. "Das hilft – egal, ob als Jäger oder als Gejagter." Oder als Turmbewohnerin oder -bewohner. Viele assoziieren mit einem Hochhaus aber auch Anonymität. Das sei historisch bedingt: "Früher hat man aus ökonomischen Gründen auf vermeintlich unnütze Bereiche verzichtet", sagt Perfahl und meint damit Zwischenräume wie großzügige Stiegenhäuser, in denen man die Nachbarinnen und Nachbarn treffen und miteinander ins Gespräch kommen kann.

Das Ergebnis dieser Einsparmaßnahmen waren in vielen Häusern schier endlos lange Gänge und enge Treppenhäuser, die zu Angsträumen wurden. "Der Mensch braucht Zwischenräume, die nutzbar sind und Raum für Begegnung lassen", sagt Perfahl. Je ansprechender also Treppenhäuser, Flure und andere Gemeinschaftsflächen gestaltet sind, umso besser funktioniert die Kommunikation im Haus.

Wuchtige Fassaden

Besonders wichtig ist bei Hochhäusern auch die Planung der Sockelzone, die den Übergang vom Gebäude zur Stadt darstellt – und somit nicht nur für Bewohnerinnen und Bewohner, sondern auch für jene Menschen, die tagein, tagaus daran vorbeigehen, eine wichtige Rolle spielt. Die Gestaltung der Fassade hat einen Einfluss auf das Wohl- und Stressempfinden der Menschen. Aus Studien weiß man zum Beispiel, dass Menschen an wuchtigen, glatten Fassaden schneller vorbeigehen als an kleinteiligen.

Generell wirke sich die Ästhetik im Wohnumfeld auf Wohlbefinden und Gesundheit der Menschen aus, ist Perfahl überzeugt: "Bei Lärm weiß das jeder. Aber auch optisch schlecht gestaltete Umgebung kann ein Stressor sein." Solche psychologischen Erkenntnisse müssten mehr in die Entscheidung für Hochhausprojekte einfließen.

Davon würden die Städte profitieren. Dann würde es weniger Gebäude geben, die maximale Dominanz ausstrahlen – und vielleicht sogar Wohnhochhäuser, die sogar Passanten glücklich machen. (Franziska Zoidl, 21.9.2021)