Arbeitsminister Martin Kocher will Impfverweigerern das Arbeitslosengeld sperren.

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Die Diskussion darüber, wie mit Menschen umgegangen werden soll, die eine Corona-Impfung ablehnen, hat in den vergangenen Wochen in Österreich an Schärfe gewonnen. Nicht nur in sozialen Medien wird der Ruf nach härteren Einschränkungen für Ungeimpfte oder sogar nach einer Impfpflicht lauter. Auch Experten tun sich inzwischen mit Vorschlägen hervor.

Christiane Druml, die Vorsitzende der Bioethikkommission, sagte etwa in einem Puls-24-Interview, dass es eine Debatte darüber brauchen könnte, ob Nichtgeimpfte bei Spitalsaufenthalten einen Selbstbehalt bezahlen sollen. Der Epidemiologe Gerald Gartlehner kritisiert, dass es "zu bequem" sei in Österreich, sich nicht impfen zu lassen.

Grundlegende Frage

Damit wird deutlich, dass die Corona-Impfung den liberalen Rechtsstaat zunehmend vor eine grundlegende Frage stellt: Wie viel Druck auf erwachsene Menschen, die eine gut wirksame Impfung ablehnen, ist legitim? Einfache Antworten gibt es nicht, aber ein paar Grundsätze lassen sich wohl festhalten. Bei aller Gefährdung der Gemeinschaft muss gelten, dass es in den allermeisten Fällen eine individuelle Entscheidung bleiben muss, ob sich jemand impfen lassen will oder nicht. Der Staat soll werben, aber nicht zwingen. Bei der Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit entscheidet sich der liberale Staat vernünftigerweise oft für Ersteres, auch wenn das seinen Preis hat.

Weiter ist es wichtig, jene Prinzipien, nach denen unsere Gesellschaft organisiert ist, nicht einfach über Bord zu werfen. In unseren Spitälern werden versicherte Menschen, die erkranken, mit Ausnahme eines kleinen Beitrags kostenlos behandelt. Sie sind versichert, damit steht ihnen die Leistung zu. Dabei ist es ganz gleich, ob sie nun selbst schuld sind an ihrer Erkrankung. Was hier Christiane Druml also diskutieren will, würde eine Büchse der Pandora öffnen. Nebenbei wäre es auch wirkungslos: Wer sich nicht impfen lässt, glaubt ja nicht, dass er auf die Intensivstation kommen könnte. Warum sollten sich diese Menschen also vor einem Selbstbehalt fürchten?

Prinzipien nicht aushebeln

Dass wir nun Prinzipien unserer Gesellschaft nicht außer Kraft setzen, gilt aber ebenso umgekehrt: Wir dürfen sie auch nicht aushebeln, um auf Befindlichkeiten von Ungeimpften Rücksicht zu nehmen. An dieser Stelle kommt eine neue Weisung von Arbeitsminister Martin Kocher ins Spiel. Der Minister hat das AMS angewiesen, Arbeitslosen das AMS-Geld zu sperren, wenn sie eine Stelle ablehnen oder sich nicht bewerben, weil eine Impfung verlangt wird. Das ist richtig so. Das Gesetz schreibt schon bisher vor, dass Arbeitsuchende Jobs nur dann ablehnen dürfen und weiter Arbeitslosengeld beziehen können, wenn die Stelle für sie unzumutbar ist. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn der angebotene Job nur nach dreistündiger Fahrt erreicht werden kann. Ein anderer Fall wäre, wenn das Unternehmen sich nicht an den Kollektivvertrag hält und zu wenig bezahlt. Oder die Arbeit gegen die guten Sitten verstößt. Hier geht es also um objektiv feststellbare, grobe Nachteile, die dem Arbeitssuchenden drohen.

Aber die Impfung ist kein solcher grober Nachteil, im Gegenteil: Sie ist sicher und schützt vor einer schweren Corona-Erkankung. Sich impfen zu lassen kann also keine unzumutbare Voraussetzung sein für Arbeitslose. Impfdebatten gehören sachlich, weniger moralisierend geführt. Dann kommen wir eher weiter. (András Szigetvari, 16.9.2021)