"Wenn wir den Bau geplanter Hochhäuser mit Argumentation auf den Canaletto-Blick einstampfen, so sollten wir konsequenterweise auch Plätzen im Zentrum deren ursprüngliche architektonische Qualität zurückgeben", sagt Stefan Waschmann, Mitinitiator des Projekts platzpark.eu, im Gastkommentar.

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Als diese Autos vor der Hofburg parkten, waren Kärntner Straße, Graben und Kohlmarkt noch keine Fuzo. Heute wäre das unvorstellbar. Nur auf dem Heldenplatz ist die Zeit stehengeblieben.
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Bei allem Wiener Nörglertum muss man zugeben: Wien ist eine attraktive Stadt mit einem Zentrum, das sich ein Märchenfilmdesigner kaum hübscher hätte ausdenken können: Sehenswürdigkeiten in Mengen und dazu eine gut erhaltene Bausubstanz, die bei Historikerinnen und Historikern sowie Touristikerinnen und Touristikern ein Glitzern in den Augen erzeugt.

In den 1950er-Jahren sah die Sache noch anders aus: Städtetourismus gab es maximal in Filmen, und die Altbauten Wiens waren gesundheitsgefährdend – weil zugig, unsaniert und feucht. Die Lösung des letzteren Problems lag in Neubauten, meist am Stadtrand. Und weil damit der Stephansdom und die im leicht morbiden ersten Bezirk standhaft ausharrende Geschäftsszene plötzlich so weit weg waren, musste ein Auto her, um von der Neubauwohnung in die City zu kommen.

"Autos kaufen nichts"

Was dann passierte, ist bekannt: Stadtautobahnen wurden geplant, um die ganzen freudvollen neuen Motoristen in die City zu bringen. Als sie dann alle im Zentrum angekommen waren, zeigte sich das nächste Problem: Das Blech gewordene Wirtschaftswunder wollte auch geparkt werden. Und zwar viel Blech. Die Lösung: Jede freie Fläche in der Inneren Stadt wurde zugeparkt. Das betraf den Graben und seine engen Seitengassen genauso wie große Flächen, allen voran den Stephansplatz.

Nachdem damit zwar ein Haufen Autos im ersten Bezirk stand, aber eher weniger als mehr Menschen flanierten, dräute bereits in den 1970ern den Stadtplanern, dass das mit dem Primat des Autos in den Städten mengentechnisch nicht funktionieren kann. Allen voran machte sich Victor Grün (der paradoxerweise auch als Vater des suburbanen Einkaufszentrums gilt) für Aufenthaltsqualität stark – er trieb die erste Fußgängerzone in der Innenstadt (am Graben) stoisch voran. Als der Einzelhandel schon damals den Weltuntergang ob der Parkplatzreduktion heraufbeschwor, entgegnete er schlicht: "Autos kaufen nichts." Wie sich zeigte, sollte er recht behalten. Das zaghafte Pflänzchen der Fußgängerzone in der City gedieh und verästelte sich stetig weiter. Wer vor Corona im Slalom über die Kärntner Straße laufen musste und bei den Geschäftsmieten ebendort nur noch den Kopf schüttelt, bekommt schon beinahe Angst vor dem Erfolg der Verkehrsberuhigung.

Räumliches Flickwerk

Eine solche Angst vor dem Erfolg der Stadt muss die Wiener Politik, allen voran die leicht betonaffine SPÖ, auch umtreiben. Ein bisserl was Schiaches, Lärm und Gestank hat in Wien ja Tradition, denken sich die Verantwortlichen wohl – da können wir ruhig enge Gasserln und die schönsten Plätze im Verkehr versinken lassen, um sie weiterhin ein bisserl morbid wirken zu lassen.

Nur so ist es zu erklären, dass trotz der kürzlich für 2022 angekündigten Fertigstellung der Garage am Neuen Markt (400 Plätze anstatt der früheren 50 Oberflächenplätze) noch nicht diskutiert wird, wo dank dieser 350 zusätzlichen Parkplätze die Oberflächen von der entsprechenden Menge an Autos befreit werden können. Dabei liegt die räumlich (und ästhetisch) folgerichtige Antwort nahe: Nach dem Abbau der temporären Parlamentspavillons (ebenfalls 2022) auf dem Heldenplatz ist es aufgelegt, das räumliche Flickwerk des Heldenplatzes den Menschen zurückzugeben.

"Orte wurden als Parkplätze zweckentfremdet, die nie als solche geplant waren."

Immerhin sind das zurzeit in allerbester Aufenthalts- und Aussichtslage vor der Nationalbibliothek rund 280 Parkplätze. Der seltsam den Volksgarten vom Heldenplatz abtrennende Volksgarten-Parkplatz beherbergt circa 170 Fahrzeuge. Gemeinsam sind das über 10.000 Quadratmeter Fläche, die zu Park- oder Outdoor-Kulturflächen umwandelbar wären. Zum Vergleich: Die ganze Josefstadt besitzt nur etwas über 20.000 Quadratmeter an öffentlichen Parks. Und die Josefstadt sowie Neubau mit ihren wenigen Grünflächen liegen in unmittelbarer Nähe zu Volksgarten und Heldenplatz: Die Bewohnerinnen und Bewohner dreier Bezirke (1., 7., 8.) könnten also mit einem Schlag eine ernstzunehmende Grünfläche vor der Haustür haben.

All jenen, die das Auto als zivilisationstechnisch untrennbar mit der Stadt verbunden betrachten, ist zuallererst zu entgegnen: Hier wurden Orte als Parkplätze zweckentfremdet, die nie als solche geplant waren. Die Gestalter des Heldenplatzes hatten jedenfalls nicht im Sinn, dass Blickachsen von SUVs versperrt werden und Grünflächen zu Parkplätzen mutieren. Denn: Der dem Ring zugewandte Teil des Volksgarten-Parkplatzes war nach Schleifung des Glacis bereits einmal als Park in Benutzung. Und dass Prinz Eugen von seinem Reiterdenkmal aus auf Blechdächer herabstarren muss, hätte er sich wohl auch nicht träumen lassen.

Versiegelte Flächen aufbrechen

Wenn wir den Bau geplanter Hochhäuser mit Argumentation auf den Canaletto-Blick einstampfen, so sollten wir konsequenterweise auch Plätzen im Zentrum deren ursprüngliche architektonische Qualität zurückgeben – und bei der Gelegenheit können wir auch gleich riesige versiegelte Flächen aufbrechen und Hitzeinseln mitten in der City beseitigen. Auch die vieldiskutierte Umgestaltung des Naschmarktes wird hoffentlich darauf abzielen, sowohl Aufenthaltsräume mit Blick auf die famosen Jugendstilfassaden der Wienzeile herzustellen als auch die Asphaltfläche als Hitzespeicher zu beseitigen.

Eine Win-Win-Win-Situation also: Denn räumliche Umgestaltungen, die zu Freuden bei Anwohnerinnen und Anwohnern, Touristikerinnen und Touristikern, Historikerinnen und Historikern führen, sind normal eher dünn gesät. Und welcher Tag wäre besser als Startpunkt für Überlegungen zur Rückverwandlung des Heldenplatzes geeignet als der internationale Park(ing) Day 2021? (Stefan Waschmann, 17.9.2021)