Österreichs Sporthandel ist auf dem Weg bergauf. Räder tragen viel dazu bei.

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Wien – "Die Regierung treibt einen Keil durch die Bevölkerung": Intersport-Chef Thorsten Schmitz quittiert die neuen Corona-Regeln im Handel mit Kopfschütteln. Zwischen Geimpften und Ungeimpften unterscheiden zu müssen sei verwirrend und unpraktikabel. Aufgrund der Art der Masken Rückschlüsse auf den Impfstatus der Menschen ziehen zu können hält er für bedenklich.

Sein eigenes Unternehmen empfiehlt für Kunden wie Mitarbeiter weiterhin das Tragen einer FFP2-Maske. Warum nicht auch die Regierung einheitliche Vorgaben mache, zumal absehbar sei, dass sich die Infektionslage in einigen Wochen verschärfe, ist für ihn unverständlich.

Die Rolle des Kontrolleurs könne der Handel jedenfalls nicht spielen, sagt Schmitz im Gespräch mit dem STANDARD. Die jüngste Kann-soll-Bestimmung sei nichtssagend. Er hätte sich nach der Zeitspanne, die für die neue Verordnung zur Verfügung stand, bessere Lösungen erwartet.

Wenig Bereitschaft zur Mobilität

Wie viele andere Händler sucht auch Intersport zusätzliche Mitarbeiter. Allein in der Zentrale in Wels sind derzeit 25 Stellen, von Buchhaltung über Controlling bis hin zu Marketing, unbesetzt. Schmitz beobachtet eine sinkende Mobilitätsbereitschaft der Österreicher. Auch Junge blieben zusehends lieber in ihrem familiären Umfeld. Für Unternehmer werde es quer durch alle Sparten immer schwieriger, ausreichend Personal mit der passenden Qualifikation zu finden.

"Die Ansprüche der Arbeitnehmer sind gestiegen", meint Schmitz. Arbeitgeber seien gefordert, mehr Flexibilität zu bieten, was die Arbeitszeiten, aber auch die Arbeitsweisen betrifft. Intersport zahle teils über dem Kollektivvertrag, sagt Schmitz mit Blick auf die bevorstehenden Lohnverhandlungen im Handel. Harte Debatten über höhere Gehälter treffen die Branche aus seiner Sicht jedoch zu einem schlechten Zeitpunkt: Für viele Händler gehe es aktuell vielmehr darum, Jobs zu sichern.

Intersport selbst hat in Österreich im ersten Halbjahr aufgrund der Lockdowns ein Zehntel des Umsatzes verloren. Bis Jahresende zeichnen sich wieder leichte Zuwächse ab. Die Sportbranche zählte im Sommer zu den Gewinnern des Einzelhandels. Fahrräder gehen nach wie vor weg wie die warmen Semmeln. Auch der Bedarf an Laufsport- und Outdoor-Ausrüstung wächst. 2020 setzte Intersport mit 104 selbstständigen Händlern an 280 Standorten 560 Millionen Euro um.

Lieferengpässe

Weiterhin angespannt sind internationale Lieferketten. Fabriken in Asien schlossen oder mussten ihre Fertigung im Zuge der Pandemie personell zurückfahren. Container für Importe haben sich massiv verteuert. Schmitz rechnet mit Engpässen bis ins kommende Jahr hinein. Anders als Reedereien, die die missliche Lage durchaus genutzt hätten, um ihre Preise zu erhöhen, versuche seine Branche, Kostensteigerungen so weit wie möglich nicht an die Konsumenten weiterzugeben.

Intersport denkt in der Folge über mehr Produktionen in Europa nach, sagt Schmitz. Es gehe dabei aber um langfristige strategische Entscheidungen, denn neue Kapazitäten ließen sich nicht von heute auf morgen schaffen. Viele Fabriken in Europa wurden zurückgefahren oder zur Gänze geschlossen.

Der Wintersaison sieht Schmitz zuversichtlich entgegen. Dem Skitourismus erneut hohe Schranken vorzusetzen hieße, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, meint er. "Ein vierter Lockdown wäre ein Versagen der Politik."

Intersport bedient als Marktführer vor Sport 2000 / Gigasport und Hervis ein Drittel des österreichischen Sportartikelbedarfs. Die Expansion der vergangenen Jahre wird heuer fortgesetzt. Im Oktober eröffnet ein neuer Standort in Salzburg – in einer ehemaligen Niederlassung der Sports-Direct-Gruppe.

Karten werden neu gemischt

Der britische Diskonter hat sein Geschäft in Österreich seit 2016 auf rund 68 Millionen Euro nahezu halbiert. Auch Hervis verlor seit 2017 an Umsatz. Sport 2000 verbuchte im Vorjahr trotz Lockdowns ein Plus von zwei Prozent auf 590 Millionen Euro.

Österreich lockt den Handel mit Pro-Kopf-Ausgaben für Sportartikel, die mit rund 300 Euro jährlich weit über jenen anderer Länder liegen. Zugleich jedoch ist die Dichte an Verkaufsfläche pro Einwohner enorm. Nur in Belgien und den Niederlanden gibt es noch härteren Wettbewerb auf stationärer Fläche. Für Druck sorgt vor allem die zunehmende Konkurrenz der Onlineriesen. Experten gehen davon aus, dass mittelfristig ein Viertel bis ein Drittel der Sportartikel via Internet gekauft werden. (Verena Kainrath, 17.9.2021)