Einwegglas hinkt seinem guten Ruf hinterher: Die Wiederverwertung ist ein energieintensiver Prozess.

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Glas ist eine dankbare Verpackung: Ist die Marmelade ausgelöffelt oder die Sugo leer, eignet es sich hervorragend als Vase oder Behälter für Lebensmittel im Kampf gegen erbarmungslose Küchenmotten. Aber nicht nur im Haushalt zirkuliert die Glasflasche. Seit 40 Jahren sind sie fest im österreichischen Kreislaufrecycling verankert. 21 Milliarden Marmelade- und Gurkengläser, Flaschen für Essig und Öl und Weinflaschen konnten seither laut Austria Glas Recycling recycelt werden. Nicht selten spricht man deswegen beim Glas von der "Mutter des Recyclings".

Und dem guten Ruf dieser Verpackung sind die Österreicherinnen und Österreicher auch während der Corona-Pandemie gefolgt: Glasverpackungen und dessen Recycling boomten. Über 270.000 Tonnen Altglas wanderten 2020 zur Glasindustrie zurück – 9.000 Tonnen mehr als 2019. Heruntergerechnet ließ jeder Mensch hierzulande 29,4 Kilogramm Altglas in den Altglas-Containern klirren – was auch über dem Ergebnis von 2019 mit 28,5 Kilogramm liegt.

Aus Alt mach Neu

Was das Glas beim Recyceln so besonders macht: Aus alten Glasverpackungen können problemlos neue gemacht werden, und das ohne Qualitätsverlust. Das Einschmelzen von Altglas benötigt außerdem weniger Energie als das Einschmelzen der Rohstoffe – darunter Quarzsand, Kalk, Soda und Pottasche. Und: "Dank der Verwendung von Altglas erzielen wir mehr CO2- Einsparungen, als die Sammlung und der Transport von Altglas CO2-Emissionen verursachen", verweist die Austria Glas Recycling, eine Tochter der Altstoff Recycling Austria (ARA), auf STANDARD-Nachfrage dabei auf ihre klimapositive Bilanz.

Rund 95 Prozent der österreichischen Bevölkerung trennen einer Imas-Umfrage aus dem Jahr 2020 ihr Altglas – und das auch noch gerne. Ist die "Mutter des Recyclings" also das Beste was uns verpackungstechnisch passieren konnte? "Den guten Ruf hat Glas zu Unrecht", widerspricht Greenpeace-Verpackungsexpertin Lisa Panhuber. Denn gerade bei den Glasverpackungen trenne sich die Spreu vom Weizen – also das Einweg- vom Mehrwegglas. Das Einwegglas, das den Markt zu 80 Prozent dominiert, weise eine schlechte Ökobilanz auf. "Es steigt unterm Strich schlechter aus als die Aluminiumdose oder die PET-Flasche", sagt Panhuber, sogar wenn es recycelt wird.

Über 270.000 Tonnen Altglas wurden im Jahr 2020 recycelt.
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Temperaturen jenseits der 1.000 Grad

Zu tun hat das mit dem energieintensiven Prozess beim Recyceln. Um eine Glasflasche neu zu formen, ist eine komplexe Aufbereitung der Scherben nötig. Fremdstoffe und Fehlfarben müssen zuerst beseitigt werden. Und auf jene Konsistenz gebracht werden, die das Blasen einer neuen Flasche ermöglicht. Dafür braucht es Hitze: bis zu 1.680 Grad Celsius. "Da diese Energie immer noch nicht aus erneuerbaren Energiequellen kommt, ist das Ganze nicht umwelt- und klimafreundlich", sagt Panhuber.

Dass heute die Einweg-Recycling-Flaschen den Markt dominieren, war nicht immer so: Vor rund dreißig Jahren lag der Mehrweganteil wegen verbindlicher Quoten bei noch etwa 80 Prozent – bis dahin gab es bei Mineralwasser ein Glasgebot. 1995 fiel diese Verordnung und mit ihr die Entschlossenheit der Politik und Wirtschaft, weiter auf ressourcenschonende Mehrweggebinde zu setzen. Somit drehte sich der Spieß um: Laut österreichischer Getränkewirtschaft 2019 sind nur noch etwa 19 Prozent der Glasflaschen Pfandflaschen.

Rollende Flaschen

Ein Problem, das sogar Einweg- und Mehrwegflaschen eint, sind die Transportwege. Bei Pfandflaschen können die Lkws der Handelsunternehmen, die die Produkte in die Filiale liefern, das Leergut wieder mitnehmen. Nur fahren viele halbleer in das Zentrallager zurück, wie Greenpeace festhält. Wo immer möglich sollen Transporte über die Schiene erfolgen – um die Treibhausgase zu reduzieren, fordert daher Greenpeace.

Auch die Austria Glas Recycling verweist auf ihren Einsatz von modernen Lkws und den Transport, der innerhalb Österreichs zu 50 Prozent über die Schiene erfolgt. Man arbeite dennoch "intensiv an einer Ökologisierung der Logistik", so das Unternehmen.

Mehr Mehrweg

Ein Mythos, der sich laut Panhuber von Greenpeace hartnäckig hält und gerne als Argument gegen die Mehrwegflaschen eingebracht wird, ist jener des hohen Energieverbrauchs bei der Reinigung. Mittlerweile seien moderne Waschanlagen jedoch beim Wasserverbrauch sehr sparsam und effizient – und nicht mehr mit jenen von vor 30 Jahren zu vergleichen, so Panhuber. "Im Vergleich zum Recycling, wo Plastik auf 600 Grad und Glas auf über 1.400 Grad erhitzt werden muss, ist der Energieaufwand zum Reinigen von Mehrwegflaschen minimal." Nicht einmal mehr Tschickstummeln in Bierflaschen (die früher viel Wasser und der Mehrwegflasche die gute Bilanz gekostet hätten) bereiten den Anlagen heutzutage Probleme – verunreinigte Flaschen werden sofort erkannt und aussortiert.

Auch die Umläufe, also wie oft Flaschen gereinigt und wiederbefüllt werden, sind letztlich für die Ökobilanz entscheidend: Während PET-Mehrwegflaschen laut deutschem Umweltbundesamt auf 20 Umläufe kommen, machen Glasflaschen sogar bis zu 50 Mal die Runde – 15 Mal wären ausreichend, um einen ressourcenschonenden Effekt zu erzielen.

Greenpeace fordert daher eine gesetzliche Mehrwegquote für Supermärkte und vor allem Discounter, die bislang keine Mehrwegflaschen anbieten. Denn jede wiederverwertbare Flasche ersetzt letztlich eine Vielzahl von Einwegflaschen und reduziere dadurch die anfallende Abfallmenge. Eine Forderung, der sich die Austria Glas Recycling als Mitwirkende der 2008 ins Leben gerufenen Nachhaltigkeitsagenda der Getränkewirtschaft anschließt. Auch sie wollen nach eigenen Angaben Mehrwegverpackungen attraktiveren. Angesicht der niedrigen Mehrwegquote ist ihnen das mit ihrer freiwilligen Selbstverpflichtung nicht gelungen.(Elisa Tomaselli, 18.9.2021)