ORF-General Alexander Wrabetz im August 2021 nach der Bestellung seines Nachfolgers Roland Weißmann.

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Wien – ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat große Hoffnungen in seinen Nachfolger Roland Weißmann – dass dieser nämlich Erwartungen von ORF-Berichterstattung nach Regierungswünschen enttäusche. Weißmann sei ein ORFler seit 25 Jahren und wisse um die Notwendigkeit von gutem und unabhängigem Qualitätsjournalismus für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es könnte sein, dass Weißmann seine Wähler enttäusche, sagte Wrabetz am Freitag beim Weltkongress der Pressefreiheitsorganisation IPI in Wien.

Mögliche Erwartungen seiner Wähler im Stiftungsrat – entscheidend war die türkise Mehrheit im obersten ORF-Gremium – könnte Weißmann in diesem Bewusstsein als ORF-Mann nicht erfüllen, sagte Wrabetz und meint damit wohl mögliche Erwartungen der Kanzlerpartei in die Berichterstattung. Das lasse "Diskussionen in der Zukunft" erwarten.

Das Donnerstag vom Stiftungsrat bestellte, von Weißmann vorgeschlagene Führungsteam sei "zu 100 Prozent" auf der Wellenlänge eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sagte Wrabetz. Er hob vor allem Ingrid Thurnher als neue Radiodirektorin hervor, die zwar nicht aus dem Radio komme, sie stehe aber für unabhängigen Qualitätsjournalismus.

Wrabetz ist "ziemlich sicher, dass die nun bestellten Führungskräfte ihr Bestes tun werden, um die Prinzipien unabhängiger Berichterstattung zu sichern".

"Sogar BBC droht unter Druck zu kommen"

Österreich sei "weit entfernt von der Situation in Ungarn, Polen und beginnend in Slowenien", verwies Wrabetz auf die völlige Regierungskontrolle auf den öffentlichen Rundfunk in diesen Ländern. "Aber sogar die BBC wird von der aktuellen britischen Regierung attackiert, also könnte selbst die Mutter aller öffentlich-rechtlichen Anstalten schwer unter Druck kommen."

Die Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien abzusichern sei nicht allein eine nationale, sondern auch eine europäische Frage, erklärte der langjährige ORF-Chef. Die EU müsse Regeln zur Absicherung unabhängiger Berichterstattung aufstellen.

"Das ist kein Politiker"

Unabhängigkeit basiere beim ORF auf mehreren Faktoren: ausreichender Finanzierung, unabhängig vom Staatsbudget, der Garantie der journalistischen Unabhängigkeit über Verfassungsgesetz und Redaktionsstatut; sie sei aber auch ein Thema der Aufsichtsgremien. Wrabetz erinnerte daran, dass erstmals eine einzige Partei mit rund 35 Prozent der Wählerstimmen beinahe eine Zweidrittelmehrheit im ORF-Stiftungsrat hat. Hier müsse man nachdenken, wie man wieder zu Checks and Balances in den Aufsichtsgremien komme – und zudem die Rechte der Redakteurinnen und Redakteure ausbauen.

In Wrabetz' Vortrag klingelte sein Mobiltelefon. Wrabetz beruhigte das Publikum: "Das ist kein Politiker". (fid, 17.9.2021)