Magdalena Anna Hofmann als Brünhilde in Aron Stiehls Neuinszenierung der "Walküre". Okarina Peter und Timo Dentler ernteten viel Lob für die Bühnenausstattung.

Foto: Poeschl

Schon in der Walküre dämmert den Göttern Richard Wagners so manches. Im Fall der originellen Klagenfurter Neuinszenierung durch Hausherr Aron Stiehl ahnt man es aufgrund eines Seilbahnunglücks, bei dem die abstürzende Gondel zwar leer ist, weil Ehehüterin Fricka ihr zu diesem Zeitpunkt schon entstiegen ist. Aber der gewaltige, allen CEO-Ansprüchen gerecht werdende Schreibtisch von "Siegvater" Wotan verliert ein Bein, und von den Wänden der Bergstation bröckelt die Marmortäfelung.

Der Blitz vor dem Kabelriss ist so grell, dass ihn auch Hunding und seine Meute mitbekommen haben müssen. Obwohl dessen "Saal", ein armseliger Heustadel auf einer stacheldrahtumzäunten Almwiese rund um eine Liftstütze, noch so viel talnäher liegt, dass man zu den nebelverhangenen Bergspitzen steil hinaufschauen muss.

Bei aller Besonderheit der Szenerie, mit dem hochgelobten Ausstatterpaar Okarina Peter und Timo Dentler entwickelte Aron Stiehl zu seinem bis 2024 angesetzten Ring einen "ersten Tag", der im Dienst der machtvollen Musik steht. Die verblasst ja nicht, nur weil die Walküren im Military-Look salutieren oder auf der Walstatt die eingesackten Leichen in Blechcontainer kippen, die per Materiallift abtransportiert werden. Es ist schon konsequent, wie Stiehl die Handlung "geliftet" hat. Aber unberührt davon bleibt die musikhistorisch revolutionäre Absicht dieser Musik, die Nicholas Milton Takt für Takt hörbar werden lässt. Das Kärntner Sinfonieorchester steigert sich mit seinem neuen Chefdirigenten in einen Klangrausch, zur offenkundigen Begeisterung des Auditoriums – es gab am Klagenfurter Stadttheater ja seit mehr als fünf Jahrzehnten keine Ring-Inszenierung mehr.

Von der Lanze zur Liebe

Zwei junge Kräfte, die gebürtige Polin Magdalena Anna Hofmann als Brünhilde und der Engländer Julian Hubbard als Siegmund, prägen mit der Strahlkraft ihrer frischen Stimmen das Ereignis, als das man die Produktion bezeichnen möchte. In Brünhildes herausfordernder Wandlung von der göttlich-kampflustigen Lanzenstecherin zur liebesfähigen Seele wird sie vom Regisseur überzeugend geleitet.

Wagners wildesten musikalischen Anweisungen folgen aber auch der melancholische Wotan Markus Marquardts, am linken Auge blind infolge einer Kriegsverletzung, der angsteinflößende Hunding Rafal Pawnuks, die wunderbar ehestreitende Fricka Ksenia Vyaznikova sowie, eigentlich zuerst zu nennen, die vom Schicksal schwer geprüfte Sieglinde Martina Welschenbachs. Zwischen den grandiosen Ausbrüchen ihrer Gefühle steht bzw. liegt sie apathisch bzw. halbtot irgendwo zwischen Felsen herum, obwohl es ohne ihre Leibesfrucht ja gar keinen zweiten Tag des Bühnenfestspiels gäbe. Dem Wonnemond weichen die Winterstürme hier nur für einen einzigen Moment.

Laut Plan soll der Walküre, so Corona will, in der nächsten Spielzeit 2022/23 Siegfried folgen, ehe 2023/24 mit der Götterdämmerung der Schluss der Tetralogie sowie mit Rheingold das eigentliche Vorspiel den neuen Klagenfurter Ring des Nibelungen beschließen. (Michael Cerha, 18.9.2021)