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Er ist der einzig wahre: Boris Wischnewski.

Foto: AP/Ivan Petrov

Lenins Leichnam liegt im Mausoleum vor der Kremlmauer. Davor auf dem Roten Platz lässt sich sein Doppelgänger für Geld mit Touristen ablichten. Genauso beliebt als Fotomotiv sind dort die Ebenbilder von Stalin und Russlands Präsident Wladimir Putin.

Nun wurde auch dem Petersburger Oppositionspolitiker Boris Wischnewski die Ehre eines, nein sogar zweier Doppelgänger zuteil. Für den 65-Jährigen ist das ein zweifelhaftes Vergnügen. Denn auf den Wahlzetteln schauen nun auf einmal gleich drei ältere braunäugige Männer mit Vollbart und hoher Stirn auf die Wahlberechtigten. Zu allem Überfluss heißen sie auch noch alle Boris Wischnewski.

Das Original ist seit den 1980er-Jahren in der Petersburger Bürgerrechts- und Demokratiebewegung tätig. Zuvor hatte der promovierte Mathematiker im Leninez, einem auf Funktechnik spezialisierten Rüstungsbetrieb, gearbeitet und dabei auch mehrere Patente erworben.

Seit der Perestroika jedoch engagiert sich Wischnewski in der Lokalpolitik, zunächst in seinem Stadtbezirk, später dann im Petersburger Stadtparlament. Seit 2016 ist der jüdischstämmige Politiker dort Fraktionschef der sozialliberalen Partei Jabloko. Die Newa-Metropole gilt als Hochburg der Partei, was zu einem nicht geringen Anteil ein Verdienst Wischnewskis ist, der in ganz Russland bekannt ist. Das verdankt er seiner publizistischen Tätigkeit, unter anderem für die Nowaja Gaseta. So trat der zweifache Familienvater nicht nur gegen den Bau eines Gazprom-Wolkenkratzers im historischen Zentrum Petersburgs auf, sondern 2012 auch gegen die Rückkehr Putins in den Kreml und 2014 gegen die Annexion der Krim.

Extra umbenannt

Wohl auch deswegen wurde die Farce in St. Petersburg in Gang gesetzt. Denn die zwei Doppelgänger Wischnewskis wurden erst vor der Wahl zu seinen Namensvettern. Extra zur Abstimmung haben sie sich umbenannt, um Wähler zu verwirren, dem bekannten Oppositionellen Stimmen zu stehlen und seine Wiederwahl ins Parlament zu verhindern.

Das Netz reagierte mit Ironie: Von "Angriff der Klonkrieger" oder "Being Boris Wischnewski" ist in Anlehnung an Hollywood die Rede. Ihm selbst habe auch die vorgeschlagene Aufstellung der russischen Nationalmannschaft mit elf Namensvettern gefallen, scherzt Wischnewski. Er bezeichnet die Aktion als "plumpen Betrug", der nun mit möglichst viel Publizität verhindert werden soll – damit die Wähler den einzig wahren Wischnewski erkennen. ( André Ballin, 18.9.2021)