Ein Leben im Ausnahmezustand kann durchaus beschaulich sein. Die schmucken Einfamilienhäuser sind fein herausgeputzt. In vielen Gärten scheint man dem Projekt "Blumenwiese" eine Absage erteilt und dem Rasenmäherroboter den klaren Vorzug gegeben zu haben. Da grüßt auf dem akkurat gestutzten Rasen nun eine Armee von Gartenzwergen, und es erstaunt des Betrachters Auge so manch hölzerne Schnitzkunst.

Zur heiligen dörflichen Dreifaltigkeit in Feldkirchen fehlt seit geraumer Zeit aber ein entscheidender Teil: Während in der Raiffeisenbank und im Bauhof die Türen offen stehen, sind im Dorfgasthaus die Lichter längst aus. Aber zumindest aus religiöser Sicht ist das Angebot in dem rund 2000-Seelen-Ort beachtlich: In der kleinen Gemeinde im Bezirk Braunau ist man hörbar stolz auf seine vier Gotteshäuser, die gar mit einem eigenen Vier-Kirchen-Weg verbunden sind.

Fingerfertigkeit

Abgerundet wird das Bild der ländlichen Idylle gerne mit Josef Wasner, dem künstlerischen "Urvater" der singenden Trapp-Familie. Der spätere Pfarrer wurde 1905 in Feldkirchen geboren und lebte die ersten zehn Jahre auf einem Bauernhof mitten in der Ortschaft. Nicht zu vergessen: der örtliche Fingerhaklerverein, der auf durchaus beachtliche lokale Wettkampferfolge zurückblicken kann.

Die Impfskepsis in der kleinen Gemeinde im Bezirk Braunau ist groß. Von den 2017 Einwohnern sind nur 718 vollimmunisiert.
Foto: Wolfgang Simlinger

Zwar scheint das Hakeln des Feldkirchners Lust zu sein: Das Kräftemessen im Innviertel passiert aktuell aber an einer anderen Front. Mit heute, Samstag, treten im gesamten Bezirk Braunau am Inn Ausreisekontrollen in Kraft. Aufgrund der niedrigen Impfquote im Bezirk liegt die Grenze des gemittelten Sieben-Tage-Inzidenz-Wertes bei 300. Aktuell steht die Durchimpfungsrate bei 49,2 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Sieben-Tage-Inzidenz lag an sieben aufeinanderfolgenden Tagen bei mehr als 300.

Impfmuffel-Dörfer

Auerbach, Pischelsdorf, Feldkirchen. Diese kleinen Gemeinden eint eine Impfquote von unter 40 Prozent. Wer sich aber in einem der Impfmuffel-Dörfer auf die Suche nach konkreten Gründen für die Jaukerlaversion macht, wird nur schwer fündig.

Das örtliche Feuerwehrhaus in Feldkirchen ziert der Spruch "Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper". Dass Corona der Gesundheit im Fall der Fälle nicht gerade zuträglich ist, will man hier nicht unbedingt so sehen. Oder besser: Darüber will man erst gar nicht reden.

In der kleinen Bäckerei im Ort, die zugleich auch Trafik ist, hat man mit dem fragenden Medienvolk wenig Freude. "Gar nix" wolle sie zu dem Thema sagen, entgegnet die resolute Verkäuferin. Ob sie geimpft sei? "Ja, einmal." Warum der Wille nicht für einen zweiten Stich in Richtung Vollimmunisierung gereicht habe?

"Weil alles ein Blödsinn ist. Da kennt sich doch ohnehin keiner mehr aus. Warum kriegen Menschen, die zweimal geimpft sind, trotzdem Corona? Da wird doch nur gelogen. Mir reicht das, ich geh’ sicher nicht mehr impfen." Nur Minuten später wird die Tür abgeschlossen, und die Jalousien gehen nach unten. Ende der Diskussion, Start der ländlichen Mittagsruhe.

Pädagogisches Schweigen

In der nahen Volksschule geht gerade der Unterricht zu Ende. Eltern nehmen ihren Nachwuchs in Empfang. Der richtige Zeitpunkt, um über Corona und eine entsprechende Impfung zu reden? Mitnichten. Quasi im Kollektiv ertönt ein "Dazu sage ich sicher nichts".

Man versucht sein Glück in der Volksschule. Ein kurzes Telefonat, und eine freundliche Pädagogin öffnet mit Maske die Schultore. Ob nicht gerade in der Schule die Situation schwierig sei? Ein schmaler Grat zwischen Impfmuffel-Eltern und Corona-Maßnahmen?

Mit den Fragen des Journalisten hat man wenig Freude.
Foto: Wolfgang Simlinger

Dazu wolle sie "eigentlich jetzt nichts sagen". Man bekommt die Telefonnummer der Direktorin ausgehändigt, die aber dann leider nicht erreichbar ist. Dem Vernehmen nach sollen aber zumindest beim ersten Elternabend in dem noch jungen Schuljahr die Wogen ordentlich hochgegangen sein.

Suche nach Gesprächspartnern

Verfolgt man die örtliche Pädagogik-Schiene weiter, landet man beim Kindergarten. Ein modernes Gebäude gleich neben dem Bauhof. Man klingelt bei der Gruppe "Sonnenkäfer", es öffnet eine durchaus erstaunte Elementarpädagogin, die zumindest ihren Diskussionsunwillen beim Thema Corona vorsichtig begründet: "Es ist ein schwieriges Thema im Moment. Und darum sagt auch keiner was. Da bist ja gleich Ortsgespräch."

Und doch finden sich nach intensiver Suche Gesprächspartner. Eine junge Mutter samt Nachwuchs im Kinderwagen will zwar nicht namentlich in der Zeitung stehen, aber zumindest ein Gespräch ist möglich. Sie entstamme einer "Schulmediziner-Familie" und habe sich "natürlich impfen lassen". Aber die Situation im Ort sei im Moment "sehr schwierig". Es gehe "ein tiefer Graben" durch die Gemeinde. Viele Leute hätten einfach Angst, weil der Impfstoff "noch nicht erprobt ist".

Und: "Dazu kommt, dass sich hier keiner etwas vorschreiben lassen will. Gerade in diesem blauen Gai, in dem wir hier leben." Ob man im Ort der Ungeimpften als Geimpfte schief angeschaut wird? "Nein. Aber ich muss auch ehrlich sagen, dass ich das Thema nicht anspreche. Und bei Veranstaltungen wird nicht streng kontrolliert."

Der blaue Hans

Die junge Frau sieht vor allem die Politik in der Pflicht: "Es wäre natürlich die Aufgabe eines Bürgermeisters, die Leute zu überzeugen, dass sie impfen gehen. Aber es wird halt schwierig, wenn du einen Bürgermeister hast, der aus tiefster Überzeugung glaubt, dass das Impfen ein Riesenblödsinn ist."

Bürgermeister in Feldkirchen ist Johann Danninger, ein FPÖ-Politiker. Die blaue Stunde in Feldkirchen schlug 2015. Nach 20 Jahren musste der ÖVP-Bürgermeister damals den Kommunal-Chefsessel räumen, und die FPÖ zog mit dem heute 66-Jährigen in die Amtsstube ein.

Der "Danninger-Hans", wie man den ehemaligen Landmaschinenverkäufer im Ort nennt, ist leidenschaftlicher Oldtimer-Traktor-Sammler. Und diskutiert ebenso leidenschaftlich über das Thema Impfung. Wobei: "Es macht mich ehrlich traurig, wenn jemand sagt, dass ich ein Impfgegner bin. So was lass’ ich mir sicher von keinem unter den Nagel schieben."

Er habe noch nie versucht, jemanden von einer Impfung abzuhalten: "Ich bin doch kein Bevormunder." Man müsse endlich einmal zwischen Partei und Person unterscheiden: "Ich bin nicht die FPÖ, sondern der Danninger-Hans, der Buagamasta. Und ich bin für Eigenverantwortung. Jeder soll selbst entscheiden, ob er sich impfen lässt. Es zählt der gesunde Hausverstand."

Drei-T-Regel

Was aber im Bezirk Braunau auffallend wenig tun. Die Menschen seien halt unterschiedlich, das müsse man akzeptieren: "Im Straßenverkehr ist es auch so. Der eine fährt mit 70 km/h durch das Ortsgebiet, der andere mit 50 km/h und bleibt bei jedem Zebrastreifen stehen." Nachsatz: "Aber wenn ich einen Raser im Orte sehe, hole ich mir den schon zu einem ernsten Gespräch in mein Büro."

Er selbst sei nicht geimpft: "Ich habe mit fünf Doktoren geredet, alle haben gesagt, das ist nicht notwendig. Bitte, wenn ich mich auf die von Medizinern nicht mehr verlassen kann, auf wen denn dann? Die Medien? Sicher nicht."

Und so setzt man in Feldkirchen weiter auf die Drei-T-Regel: Trapp, Tradition und Tabernakel. Mit immerhin gleich vier Gotteshäusern. (Markus Rohrhofer, 18.9.2021)