Arbeitgeber suchen immer öfter nur noch Geimpfte.

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Die Aufregung ist groß und hat auch die Bild erfasst. Unter dem Titel "Knallharter Erlass – Kein Arbeitslosengeld für Impfverweigerer" berichtete die größte deutsche Tageszeitung über ein Schreiben von Österreichs Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) an das Arbeitsmarktservice (AMS). Das Dokument hatte einige Stunden davor schon hierzulande für hitzige Debatten gesorgt.

In dem Schreiben erteilt das Ministerium dem AMS die Anweisung, dass Jobsuchende einen Arbeitsplatz nicht bloß deshalb ablehnen dürfen, weil der Arbeitgeber eine Corona-Impfung verlangt. Jobsuchende müssen sich also auch dann bewerben, wenn sie nicht geimpft sind und per Inserat nur Geimpfte gesucht werden. Und auch einen angebotenen Job unter Verweis auf die Impfunwilligkeit abzulehnen wird nicht so einfach.

"Knallhart" also. In dieselbe Richtung ging die politische Kritik von ÖGB und SPÖ. Motto: Jetzt werden wieder die Schwächsten drangsaliert. Die FPÖ sprach sogar von einer "Impf-Apartheid".

Sensibles Thema

Aber ist die Aufregung gerechtfertigt, und geht es hier wirklich darum, eine Gruppe zu drangsalieren? Das Thema ist jedenfalls sensibel. Es geht ums Arbeitsrecht, die Impfung, das Arbeitslosengeld. Aufregung ist programmiert.

Die These mit dem Drangsalieren ist allerdings fragwürdig. Allein deshalb, weil die Initiative für die Vorgaben an das AMS gar nicht vom Arbeitsministerium ausgegangen ist. Das AMS wollte eine Weisung.

Denn in immer mehr Stelleninseraten verlangen Arbeitgeber eine Corona-Impfung von Bewerbern. Wer nach dem Wort "Impfung" beim Online-Jobportal des AMS sucht, findet derzeit mehr als 700 Treffer.

Inserate in der Pandemie

Entweder wird eine Immunisierung verlangt, oder Bewerber werden in Inseraten informiert, dass Menschen mit Impfung bevorzugt werden. Nun war es in Gesundheitsberufen schon üblich, dass für eine Einstellung Impfungen wie zum Beispiel gegen Hepatitis B verlangt wurden. Neu ist, dass auch Kellner, Abwäscher, Bürohilfen, Kosmetiker, Masseure, Köche, Reinigungskräfte, Verkäufer und Produktionskräfte unter der Vorgabe "geimpft" gesucht werden.

Diese Konstellation hat auch das Potenzial, für Verwerfungen am Arbeitsmarkt zu sorgen. Schon jetzt beklagen viele Unternehmen, dass ihnen Arbeitskräfte fehlen. Wenn jetzt auch Menschen wegen ihres Impfstatus nicht für einen Job infrage kommen, baut sich eine weitere Hürde auf. Wobei das Problem in der Praxis nicht überschätzt werden darf.

Aktuell sind beim AMS 113.000 Jobs gemeldet, noch wird also nur bei einem Bruchteil nach der Impfung verlangt. Doch die Zahl der Stellen, bei denen eine Impfung so wie gepflegtes Aussehen Voraussetzung ist, dürfte zunehmen. Zumindest wenn sich die Pandemie nicht überraschend entspannt, sagt Christoph Klein, Direktor bei der Arbeiterkammer Wien. Auch immer mehr Branchen werden betroffen sein.

Pragmatische Lösung

Das Arbeitsmarktservice muss sich auf diese Situation einstellen – deshalb das Ansuchen um eine Weisung. Bisher wurde bei jenen wenigen Menschen, denen für einen Gesundheitsjob eine Impfung fehlte, laut AMS-Mitarbeitern eine pragmatische Lösung gefunden. Die Leute wurden woandershin vermittelt. Ob das auch in einer Pandemie funktioniert, ist zweifelhaft.

Dass jetzt bei Arbeitslosen die Debatte über den Impfdruck zündet, ist nicht verwunderlich. Das Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung. Um es zu bekommen, muss jeder Jobsuchende einen Beitrag leisten, etwa sich bewerben. Arbeitslose stehen also immer unter Zwang. Das Impfthema ist dabei eher eine Komponente, die noch dazukommt.

Für wen gelten die Regeln?

Die Vorgaben des Arbeitsministeriums lassen viele Fragen offen. So findet sich in Kochers Schreiben der Hinweis, dass Bewerber eine Jobaufnahme nicht mit dem Hinweis vereiteln dürfen, dass sie sich nicht impfen lassen wollen. Explizit wird in dem Schreiben erwähnt, dass dies jedenfalls dort gelten muss, wo Corona-Impfnachweise auf breiter Front verlangt werden: etwa in Gesundheitsberufen und bei allen Jobs mit Kontakt zu vulnerablen Gruppen. Aber aus dem Schreiben wird deutlich, dass eine Impfverweigerung nach Ansicht des Ministeriums auch in anderen Berufen zum Problem werden könnte.

Juristen sagen, dass Arbeitgeber bei Neuanstellungen einen Impfnachweis verlangen können und sie Ungeimpfte diskriminieren dürfen. Im Gleichbehandlungsgesetz wird festgelegt, dass Menschen nicht wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden dürfen. Einen Schutz für Ungeimpfte gibt es nicht.

Weil Arbeitgeber eine Impfung vorschreiben können, heißt das aber noch lange nicht, dass Jobsuchende, die sich weigern, deshalb das Arbeitslosengeld verlieren.

Rechtlich vorstellbar

Wo kann das passieren? Es gibt keine genauen Regeln für diesen Fall, im Streitfall müssten die Gerichte auf Basis bestehender Gesetze entscheiden. Arbeiterkammer-Direktor Klein hält einen Verlust des Arbeitslosengeldes nur in Gesundheits- und Pflegeberufen, wo Impfungen auf breiter Front verlangt werden, für rechtlich vorstellbar.

Aber Niederösterreich geht schon einen Schritt weiter: Hier müssen alle neuen Landesbediensteten, von der Elementarpädagogin bis zum EDV-Experten, geimpft sein. Im Land ist also das Impferfordernis in mehreren Berufsfeldern bereits Standard. Was gilt hier? Was gilt beim Verkäufer und bei der Kellnerin?

Generell gilt, dass Arbeitssuchende immer dann eine Stelle ablehnen können, wenn diese ihnen unzumutbar ist. Zu argumentieren, dass eine zugelassene Impfung für einen Jobsuchenden unzumutbar ist, wird schwierig.

Kritik an der Vorgehensweise

Das Arbeitsministerium geht diese Fragen pragmatisch an und hält fest, dass das Arbeitslosengeld bei Impfunwilligen, die einen angebotenen Job ablehnen, in "Einzelfällen" gestrichen werden kann.

Ein bisschen Druck, ein bisschen Pragmatismus: Ist das eine gute Lösung? Weil die Zahl der Streitfälle zunehmen könnte und weil Impfungen öffentlich so kontrovers diskutiert werden, kritisiert Barbara Prainsack von der Bioethikkommission die Vorgangsweise des Arbeitsministeriums.

"Notwendig wäre es, diese Fälle per Gesetz zu regeln", sagt Prainsack. Auch weil ansonsten die strittigen Impffragen zuallererst anhand einer Gruppe juristisch durchexerziert werden, "die gerade nicht auf der Butterseite des Lebens steht".

Wer darf fragen?

Prainsack schlägt vor, per Gesetz zu definieren, wo es für Arbeitslose "zumutbar" sein sollte, sich bei der Jobvermittlung impfen zu lassen. Ihr Vorschlag: überall dort, wo es engen körperlichen Kontakt gibt, es dabei eher zu Berührungen mit vulnerablen Gruppen kommt und dieser Kontakt auch schwer vermeidbar wäre.

Neben Ärzten, Pflegern, Krankenschwestern, Masseuren und Sozialarbeitern würde das wohl auch auf Lehrer und Kindergartenpädagogen zutreffen. Hier würde also eine Weigerung, einen angebotenen Job anzunehmen wegen des Impferfordernisses zum Verlust des Arbeitslosengeldes führen.

Laut Arbeitsministerium gibt es derzeit keinen Plan für eine gesetzliche Regelung. Das lässt mehr Spielraum für Einzelfallregelungen.

Fix ist, dass die Abwägungsfragen zunehmen – auch bei aufrechten Dienstverhältnissen. So gilt laut Gesetz, dass Mitarbeitern, die entlassen werden, im ersten Monat kein Arbeitslosengeld gebührt. Ein Entlassungsgrund ist beharrliche Pflichtverletzung.

Sofern in einem Gesundheitsberuf eine Corona-Impfung verweigert wird, könnte das zu einer Entlassung führen. Wie vorgehen? Auch dazu wollte das AMS Aufklärung vom Ministerium. Die Antwort: Wer aus gesundheitlichen Gründen keine Impfung will, dem darf das AMS-Geld nicht gesperrt werden. Alles andere sei unklar. (András Szigetvari, 18.9.2021)