Die Wahl ist ein wichtiger Stimmungstest für Präsident Wladimir Putin und seine Partei Einiges Russland.

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Moskau – In ganz Russland hat am Samstag der zweite Tag der Parlamentswahl begonnen. Im größten Land der Erde öffneten als letztes die Wahllokale in der Ostseeregion Kaliningrad. Gewählt werden noch bis Sonntag die 450 Abgeordneten der neuen Staatsduma für fünf Jahre sowie einige Regional- und Stadtparlamente. Der Urnengang wird von Manipulationsvorwürfen überschattet. Unabhängige Beobachter der Organisation Golos (auf deutsch: Stimme) hatten am ersten Tag der Abstimmung rund 2.000 Verstöße aufgelistet.

Gezeigt wurden zahlreiche Foto- und Videoaufnahmen der Vorkommnisse. Besonders verbreitet war demnach das Anrücken von Hundertschaften Uniformierter an einzelnen Wahllokalen, die ihre Stimme abgaben. Es gab auch Berichte über mehrfache Stimmabgaben.

Zudem gibt es Dutzende Aufnahmen davon, wie vorausgefüllte Wahlzettel packenweise in die Wahlurnen gestopft wurden. Das gilt als eine sehr verbreitete Methode der Wahlmanipulation in Russland. Die Zahl dieser Videos war kaum überschaubar. Zugleich gab es Klagen aus mehreren Teilen Russlands, dass die Kameraüberwachung immer wieder ausfiel. In der Vergangenheit hatten Verantwortliche für die Verstöße bisweilen Ärger mit den Behörden – wegen der Videobeweise." Es war ein furchtbarer Tag. Schmierig und schmutzig", twitterte die St. Petersburger Lokalpolitikerin Irina Fatjanowa. Die Wahlkommission habe die Beschwerden über Verstöße nicht angenommen und einfach zerrissen.

Wahlkommission will Vorwürfe nun prüfen

Nach den massenhaften Beschwerden kündigte die Zentrale Wahlkommission eine Prüfung der Vorwürfe. Es gebe aus 45 Regionen des Landes 137 Mitteilungen "über den Zwang zur Stimmabgabe", sagte Wahlleiterin Ella Pamfilowa. Demnach soll es auch Druck auf Wähler gegeben haben, ihre Stimme in dem neuen Online-Verfahren abzugeben.

Die Abstimmung war wegen der Corona-Pandemie allerdings erstmals auf drei Tage angesetzt worden. Das sei nötig, um die soziale Distanz zu wahren. Kritiker vermuten allerdings, dass damit Manipulationen erleichtert werden sollen. Diesmal beklagten Beobachter zudem, dass Beschwerdeschreiben einfach zerrissen würden. Wahlleiterin Pamfilowa lud Golos am Samstag zu einem Gespräch über die möglichen Verstöße ein.

Apple und Google hatten Apps von Oppositionellen entfernt

Am Freitag hatte Pamfilowa die Organisation der Abstimmung noch gelobt. Die Wahlbeteiligung am ersten von drei Tagen wurde mit 16,85 Prozent angegeben. Die Kreml-Partei Geeintes Russland will ihre absolute Mehrheit in der Staatsduma verteidigen. Sie wird von Präsident Wladimir Putin unterstützt, für den die Wahl ein wichtiger Stimmungstest ist.

Viele prominente Oppositionelle sind nicht zur Wahl zugelassen, darunter die Unterstützer des inhaftierten Kreml-Gegners Alexej Nawalny. Er rief zu einer Protestwahl gegen die Kreml-Partei auf.

Unterdessen entfernte nach Apple und Google auch das Online-Unternehmen Telegram die Wahlempfehlungs-App der Opposition aus seinem Dienst. Unternehmensgründer Pawel Durow erklärte, er habe nach der Entscheidung der beiden US-Unternehmen keine andere Wahl gehabt. Die Wahlkommission berichtete zudem von ausländischen Einmischungsversuchen am ersten Tag der Parlamentswahl. Konkret teilte die Behörde am Samstag in Moskau mit, dass am Vortag "drei Cyberattacken" registriert worden seien, die "von anderen Ländern" kamen. Die Angriffe seien "ziemlich stark" gewesen. (APA, 18.9.2021)