Bild nicht mehr verfügbar.

Die meisten der von Reuters angesprochenen Menschen kamen nach eigenen Angaben nicht direkt aus Haiti, sondern hatten eine lange Reise durch Lateinamerika hinter sich.

GO NAKAMURA

In den USA kommt Präsident Joe Biden wegen tausender haitianischer Migranten zunehmend unter Druck. Bis Freitag hatten sich mehr als Zehntausend Menschen aus dem verarmten Karibik-Staat unter einer Brücke über den Grenzfluss Rio Grande zwischen dem mexikanischen Ciudad Acuña und dem texanischen Del Rio versammelt, um in die USA zu gelangen. Sowohl mexikanische als auch US-Behörden gehen davon aus, das weitere Armutsflüchtlinge aus Haiti auf dem Weg zu dem Massen-Biwak sind.

Der US-Grenzschutz verstärkte seine Kräfte in Del Rio und verteilte nach eigenen Angaben Wasser, Tücher und mobile Toiletten. Der Demokrat Biden hatte bei seinem Amtsantritt im Jänner angekündigt, einen humanitäreren Kurs als sein republikanischer Vorgänger Donald Trump in der Immigrationspolitik einzuschlagen. Kritiker werfen ihm nun vor, mit seinem neuen Ansatz Situationen wie in Del Rio herbeigeführt zu haben. Der Gouverneur von Texas, der Republikaner Greg Abbott, hat angekündigt, den vom Demokraten Biden gestoppten Bau einer Grenzmauer – eines der zentralen Projekte Trumps – wieder aufzunehmen. Das "Wall Street Journal" berichtete unter Berufung auf einen Mitarbeiter der US-Regierung, US-Behörden planten die Haitianer in ihre Heimat zurückzufliegen.

Vorwürfe an Biden

Der republikanische Senator Ted Cruz (Texas) prangerte nach seinem Besuch vor Ort "ein von Joe Biden verursachtes Desaster" an. Er führte die Situation auf die Entscheidung des Präsidenten zurück, infolge der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moise die Abschiebeflüge in das instabile Land auszusetzen.

Allein am Freitag sind nach Angaben von zwei Mitarbeitern des Busbahnhofes in Ciudad Acuña zwei Dutzend Busse mit Haitianern eingetroffen. Reuters-Reporter sahen Dutzende Migranten mit vollgepackten Rucksäcken, Wasserflachen und Mappen mit Reisedokumenten. Die meisten der von Reuters angesprochenen Menschen kamen nach eigenen Angaben nicht direkt aus Haiti, sondern hatten eine lange Reise durch Lateinamerika hinter sich. Viele stimmten den Weg über den Kurznachrichtendienst WhatsApp ab.

Bürgermeister rief Notstand aus

Nahe Del Rio harren über 10.000 Migranten unter der Brücke aus. Zu Anfang der Woche seien es noch rund 2.000 gewesen, die den Grenzfluss Rio Grande zu Mexiko überquert hätten, sagte der Bürgermeister der Stadt, Bruno Lozano. Er gehe davon aus, dass noch Tausende weitere kommen würden. Demnach stammen die Menschen mehrheitlich aus Haiti. Lozano rief den Notstand aus und sperrte die Brücke. Es drohe eine humanitäre Katastrophe. "Es gibt Frauen, die gebären, Leute, die wegen der Temperatur in Ohnmacht fallen, sie sind ein bisschen aggressiv, und das ist normal nach all diesen Tagen in der Hitze", sagte der Bürgermeister der "Texas Tribune".

Aufgrund von Gesundheitsvorschriften, die zu Beginn der Corona-Pandemie erlassen wurden, nehmen die Grenzschützer in den meisten Fällen keine Anträge auf Bleiberecht entgegen. Die große Mehrheit der an der Grenze ankommenden Migranten wird abgewiesen. Am Donnerstag ordnete ein Bundesrichter jedoch an, dass die Behörden Familien nicht mehr ohne weiteres zurückschickend dürfen. Dies könnte das Vorgehen der Behörden deutlich erschweren. Die Regierung legte am Freitag Berufung gegen die Entscheidung ein. Seit Bidens Amtsantritt Anfang des Jahres registrierten die Behörden die Ankünfte von mehr als 1,3 Millionen Migranten an der Grenze zu Mexiko, so viele wie seit 20 Jahren nicht mehr. (APA, red, 18.9.2021)