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Container sind teilweise um mehr als das Doppelte teurer geworden, weil in der Krise die Logistik durcheinandergebracht wurde.

Foto: Getty Images / AFP / Justin Sullivan

Die Pandemie ist noch nicht zu Ende, da kommen weltweite Rohstoff-, Material- und Produktknappheiten dazu. Elektronikbauteile bleiben in China stecken, weil Städte und Häfen unter Quarantäne stehen. In Österreich muss Steyr Automotive Kurzarbeit anmelden, weil Chips nicht geliefert werden können.

Container sind teilweise um mehr als das Doppelte teurer geworden, weil in der Krise die Logistik durcheinandergebracht wurde. Altpapier wurde zu wenig gesammelt, sodass es im Kreislauf für die Papierindustrie fehlt. Der Bauindustrie mangelt es an Baumaterialien. Die Beispiele lassen sich für viele Branchen fortsetzen.

Wer aber trägt das Risiko der mangelnden Verfügbarkeit der Rohstoffe? Zwei wesentliche Falltypen sind zu unterscheiden. Gibt es das Material am Markt derzeit nicht, dann kann der Zwischenhändler beim besten Willen nicht liefern. Der andere Fall ist häufiger: Das Material selbst oder dessen Transport ist aufgrund der Knappheit teurer, oft sehr viel teurer geworden.

Rechtlich relevant ist das Thema vor allem dort, wo länger- oder langfristige Lieferverträge bestehen, in denen fixe Preise vereinbart sind, wo also etwa für das ganze Jahr im Vorhinein Liefermengen und Preise festgelegt wurden. Ob Fixtermin oder Lieferung auf Abruf vereinbart wurde, macht dabei keinen Unterschied. Der Lieferant hat sich verpflichtet, steht aber vor dem Problem, dass er die Materialien nicht oder nur deutlich über dem von ihm einst kalkulierten Preis bekommen kann.

Höhere Gewalt oder nicht

Da denkt man zunächst an den Ruf nach der Corona-erprobten Force majeure, der höheren Gewalt. Dieser Begriff ist jedoch in Österreich nicht gesetzlich definiert, weshalb sich in zahlreichen Verträgen und Geschäftsbedingungen nähere Regelungen darüber finden, welche Ereignisse darunter zu erfassen sind. Oft sind es sperrige Worte wie "Materialbeschaffungsschwierigkeiten" in Auftragsbedingungen, die Rechtsfolgen wie Rücktrittsrechte, Leistungs- oder Haftungsfreiheit festlegen.

Meist nicht geregelt ist die Intensität solcher "Schwierigkeiten", wie intensiv die Behinderung also sein muss, um Leistungs- und Haftungsfreiheiten zu gewähren. Die Begriffe, die zuletzt im Zusammenhang mit solchen Anfragen in AGBs zu lesen waren, erfassen alle eine nicht näher bestimmte Bandbreite von kurzfristigen und vorübergehenden bis dauerhaft endgültigen Beeinträchtigungen.

Das Ende der Bandbreite ist erreicht, wenn es die Ware wirklich am Weltmarkt nicht gibt. Dann ist "unverschuldete Unmöglichkeit" der Leistung gegeben, die Lieferfreiheit kann tatsächlich eintreten.

Wirtschaftliche Unmöglichkeit

Wenn der Wareneinkauf nur teurer geworden ist, wenn auch substanziell, kann der Preisanstieg nicht automatisch als relevante Schwierigkeit bezeichnet werden. Zur Auslegung, ob die unerwartete Beeinträchtigung bei der Materialbesorgung so weit geht, dass massiv in bindende Verträge eingegriffen werden kann, hilft ein Rückgriff auf die Judikatur.

In zahlreichen Fällen hat sie unter "Unmöglichkeit der Leistung" auch eine sogenannte "wirtschaftliche Unmöglichkeit" anerkannt, auch Unerschwinglichkeit genannt. Die liegt erst dann vor, wenn die Leistung dem Lieferanten nicht mehr zugemutet werden kann, weil er "ungewöhnliche Opfer" erbringen müsste.

Eine Erhöhung der Preise rechtfertigt also erst zur Leistungsfreiheit, wenn die Erfüllung der Leistung das "wirtschaftliche Verderben" des Lieferanten herbeiführen würde. Nur deshalb, weil die Kalkulation des Lieferanten nicht mehr stimmt und bestimmte Geschäfte nur noch unter Verlusten abgewickelt werden können, ist die von der Judikatur gesetzte, sehr hohe Hürde des "wirtschaftlichen Verderbens" nicht gleich erreicht. Daher wird man auch an Vereinbarungen, die für Lieferschwierigkeiten eine Leistungsfreiheit festlegen sollen, ein ähnlich hohes Maß anlegen müssen.

Produzent muss abwägen

Bei einem Ausfall eines Lieferanten muss ein Produzent seinerseits abwägen, wie er damit umgeht. Vor allem Unternehmen, die in der Mitte von langen Lieferketten stehen, können stark betroffen sein, umso mehr in internationalen Ketten, wo meist andere Rechtsordnungen zur Anwendung gelangen.

Der durch Ausfall des bestellten Roh- oder Halbfertigprodukts entstandene Produktionsausfall muss an die eigenen Kunden weitergegeben werden. Je nachdem, ob am Markt Ersatz beschafft werden kann, wie teuer dieser ist und wie das in den eigenen Verkaufsbedingungen geregelt ist, werden die Betroffenen aus ihren Verpflichtungen mehr oder weniger gut herauskommen. (Ivo Deskovic, 20.9.2021)