Färber ist eine Spitzenkletterin, ihre Empörung allzu verständlich.

Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

Die Geschichte wiederholt sich manchmal sehr schnell. Erst im Juni hatte sich die österreichische Weltklassekletterin Johanna Färber über Sexismus beklagt. Bei einer ORF-Übertragung des Weltcupbewerbs in Innsbruck war ihr Gesäß in Großaufnahme sekundenlang in Zeitlupe zu sehen gewesen. Die 23-jährige Grazerin hielt in den sozialen Medien mit ihrem Ärger nicht hinter dem Berg. "Respektlos und ärgerlich" seien die Aufnahmen. "Ich bin eine Athletin und will meine beste Leistung zeigen. Um ehrlich zu sein, ist es mir unangenehm, dass tausende Menschen diese Szenen gesehen haben. Wir müssen aufhören, Frauen im Sport zu sexualisieren, und anfangen, ihre Leistungen zu schätzen", schrieb sie auf Instagram.

Foto: Screenshot Instagram Johanna Färber

Was folgte, war eine ORF-Entschuldigung, was aber ebenfalls folgte, war eine Weltmeisterschaft in Moskau. Sie ist immer noch im Gange, hat sich aber schon ganz ähnlich wie Innsbruck ausgezeichnet. Neuerlich war es Färber, die im Mittelpunkt stand. Nach ihrem ersten Versuch im Boulder-Halbfinale stand sie vor der Kletterwand, als ihr Gesäß schon wieder in Zeitlupe, noch dazu ohne jeden Konnex mit dem Wettkampf, lange in TV-Bildern zu sehen war. Vielleicht war, wer auch immer hinter der Kamera saß, davon angetan, dass auf den dunklen Shorts der Kletterin helle, vom Magnesium stammende Händeabdrücke zu erkennen waren.

Entschuldigung und Ärger

Wieder hagelte es Proteste in sozialen Medien, wieder gab’s eine Entschuldigung. Diesmal kam sie vom Weltverband IFSC, der letzten Endes auch für die TV-Bilder verantwortlich ist. IFSC-Präsident Marco Scolaris (63) ärgerte sich: "Wie oft muss man etwas falsch machen, bevor wir lernen, wie man es richtig macht?" Der Italiener war selbst Kletterer, gehörte 2006 zu den IFSC-Gründungsmitgliedern, seither ist er Präsident. Nebenbei, das ist vielleicht auch erwähnenswert, ist er gelernter Fotograf.

Davon, dass sich der Weltverband vor der WM mit den TV-Verantwortlichen zusammengesetzt hat, um ihnen Verantwortungsbewusstsein einzuschärfen, hat Scolaris nichts gesagt. Im Nachhinein wurde seitens der IFSC betont, dass man es verurteile, wenn "der menschliche Körper zum Objekt gemacht wird". Nun endlich will der Verband "Schritte unternehmen, damit das aufhört und die AthletInnen geschützt werden". In einer Erklärung hieß es zudem: "Die IFSC möchte sich zutiefst bei Johanna Färber, dem österreichischen Kletterverband und der gesamten Sportklettergemeinschaft für die Bilder entschuldigen, die während des Boulder-Halbfinales ausgestrahlt wurden."

Rosa Diketmüller, Assistenzprofessorin am Institut für Sportwissenschaft der Uni Wien, Mitbegründerin der Plattform "Frauen im Sport" und Mitglied des Expertinnen- und Expertenpools im Europarat in Sachen "Sexual Violence in Sport", ist immer wieder mit Sexismus im Sport befasst. Erst kürzlich schrieb sie in einem Kommentar für den STANDARD, öffentliche Debatten und Reaktionen seien "ein Zeichen dafür, dass es dem Sexismus im Sport zunehmend an den Kragen geht. Was lange als Kavaliersdelikt galt, wird nun entlarvt." Christa Prets, Vorsitzende des Vereins "100% Sport", sagt dem STANDARD: "Es geht um Respekt. Es muss die Leistung von Sportlerinnen im Mittelpunkt stehen."

Sportlich verlief die Kletter-WM für Österreich bis dato wechselhaft. Einen kompletten Medaillensatz gab es im Paraclimbing dank Gold für Angelino Zeller, Silber für Edith Scheinecker und Bronze für Katharina Ritt. Im Bouldern scheiterten Färber und Franziska Sterrer im Halbfinale, das bei den Männern gleich ohne österreichische Beteiligung auskam. So ragte der fünfte Rang von Tobias Plangger im Speedbewerb zunächst heraus, der Elite um Jakob Schubert blieb die Hoffnung auf den Vorstiegbewerb.

Johanna Färbers Stellungnahme zu TV-Bildern beim Weltcup im Juni in Innsbruck dürfte bei den WM-Veranstaltern in Moskau nicht angekommen sein. (Fritz Neumann, 20.9.2021)