In den 1930er-Jahren hetzte das Nazi-Kampfblatt "Der Stürmer" gegen Impfungen, unter anderem mit dem Spruch "Gift und Jud' tut selten gut". 90 Jahre später gestaltet sich die Propaganda der Impfgegner feiner und differenzierter. Vom Gift in den Vakzinen ist die rechte Illustrierte "Wochenblick" aber immer noch überzeugt. Die Impfung gegen Covid-19 sei ein "dystopischer Horror", in deutschen Pflegeheimen habe die Impfung eine "Blutspur" hinterlassen. Die Impfung sei "mit Leichen gepflastert". Das in Oberösterreich herausgegebene Blatt listet eine "grauenvolle Liste von Impfnebenwirkungen" auf, offenbar sinistre Eliten gingen sogar so weit: "Eine mögliche Schädigung durch die Genspritzen bis hin zum Tod wurde offenbar in Kauf genommen – sogar bei Kindern." Nicht zuletzt drohten ob der Impfungen "Mutanten-Babys". 

Hunderte Artikel zum Thema Impfung hat das Blatt im Laufe eines Jahres veröffentlicht. Wer als Geimpfter in den Beiträgen stöbert, hat bald das Gefühl, einer der wenigen zu sein, die den "großen Menschenversuch" überstanden haben. Die Stiftung Gurutest stellt daher die Frage: Gibt es noch weitere Überlebende unter geimpften Lesern? 

Biowaffe, Chips und Lymphozyten-Amoklauf 

Die Dosis der apokalyptischen Enthüllungen wurde zuletzt sukzessive erhöht. Anfang Juli zitierte das Blatt Ärzte, die den mRNA-Impfstoff als "Biowaffe" bezeichnen. Am 21. August veröffentlichte man "Entdeckungen" von Forschern: Bis zu 0,5 Millimeter große "Teile" habe man in Impfchargen von Biontech/Pfizer entdeckt. Man kann sich den Schweiß auf der Stirn und die Schreckens-geweiteten Augen eines Aufdecker-Journalisten gut vorstellen, der diese Frage in das Redaktionssystem tippt: "Sind es Morgellons, Chips oder gar Graphenoxid?" Auf Twitter zitiert der "Wochenblick" einen Pathologen und dessen Resümee zur Impfung: "Das ist Lymphozyten-Amok in allen Geweben und Organen."

Eine Schlagzeile im Wochenblick? Nichts leichter als das

Bei der Recherche zu seinen Beiträgen lässt der "Wochenblick" sein Sendungsbewusstsein nicht durch Fakten stören. Ende August veröffentlichte das Medium diesen Beitrag: "Arzt deckt auf: Immer mehr Impfschäden belegen Intensivbetten." Der Arzt, auf den sich der "Wochenblick" bezog, war freilich nicht mehr als das: ein anonymer und bereits kurz nach Erscheinen des Beitrags gelöschter Twitter-Account. Fassen wir das so zusammen: Wir können uns auf Twitter als Arzt ausgeben und davor warnen, dass alle Männer ab 50 kurz nach der Impfung von einem längsgestreiften Karawankenbär in die linke Hinterbacke gebissen werden. In der echten Welt wird man dafür ausgelacht, im "Wochenblick" kommt man damit aufs Titelblatt.

Sucharit Bhakdi will "Nürnberger Prozesse"  

Natürlich schmückt sich der "Wochenblick" gerne mit den Säulenheiligen der Impfgegner- und Schwerdenkerszene. Sucharit Bhakdi und dessen Fails werden in unzähligen Beiträgen gehuldigt. Der Mediziner und Buchautor ist nach Äußerungen über "die Juden", die ihn in Israel nun ob einer energischen Impfkampagne enttäuscht hätten, sogar bei seinem Verlag und bei ServusTV in Ungnade gefallen. Im "Wochenblick" darf er weiterhin dick auftragen. Seiner Meinung nach gehörten die Impfungen "vor ein Tribunal", der österreichischen Regierungsspitze richtet er in einem Interview im März ob der Corona-Maßnahmen aus: "Wenn Sie die Richtung nicht ändern, wird in den Geschichtsbüchern stehen, dass Sie zu den Verbrechern gehören. Das wird das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte."

Im Juli fährt Bhakdi im "Wochenblick" noch schärfere Geschütze mit der Frage auf: "Ob wir ein zweites Nürnberg bräuchten und ob das überhaupt ausreiche für dieses Verbrechen?" Nur zur Klarstellung: Die "Nürnberger Prozesse" waren Verfahren gegen Kriegsverbrecher, an deren Händen das Blut Millionen unschuldiger Terroropfer klebt. Bhakdi stellt Ärzte, Experten und Politiker, die Corona-Maßnahmen und Impfungen verantworten, mit Hermann Göring und Co auf eine Stufe.

Ein Massensterben der Bevölkerung steht laut Impfgegnern an.
Foto: www.corn.at Heribert CORN/derstandard.at

Claus Bielau: Viren machen nicht krank 

Bhakdi ist der Mann fürs Grobe und Große, für die rabiaten Impf- und Maßnahmengegner ist er der Rasputin der Zunft. Hie und da bietet der "Wochenblick" auch einem eher bodenständig-regionalem Aktivisten eine Bühne. Der steirische Arzt Claus Bielau darf uns im Blatt ganz neue Konzepte von Krankheit und Krankheitserregern näher bringen. Bielau verrät den "Wochenblick"-Lesern in einem Interview: "Impfung ist immer eine Störung für den Körper, die Lebenskraft und das Immunsystem. Aus ganzheitlicher Sicht gibt es keine Ansteckung von außen." Bielau ist homöopathischer Arzt und Ganzheitsmediziner, vor etwa einem Jahr wurde er von der Ärztekammer aus der Ärzteliste gestrichen wurde. Zum Verhängnis wurden Bielau unter anderem Aussagen in der ORF-Sendung "Impfen - Nein Danke", sinngemäß flötete Bielau: Bakterien und Viren machen Menschen nicht krank. Derlei verkündet der Mediziner auch auf seiner Webseite

Mittlerweile darf Bielau wieder ordinieren. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Sommer einer Beschwerde gegen den Entzug der Approbation aufschiebende Wirkung zuerkannt. Bielau ritt schon lange vor der Pandemie gegen Impfungen an. Und das durchaus subtil: In den Eltern-Kind-Zentren in der Steiermark informierte er Eltern bis zum Jahr 2018 unter dem unverfänglichen Titel "Gut geimpft?" aus "ganzheitlicher Sicht" zum Thema. Erst nach einem Beitrag der Stiftung Gurutest stoppte die Stadt Graz die Mission Bielaus. In privaten Einrichtungen referiert Bielau nach wie vor engagiert zum Thema. Die Einladungen zu "Corona-Gesprächen" stellen keck die Frage: "Gibt es eine Krankheit namens Corona?" und verraten auch die eine oder andere Antwort voran: "Es gibt nur einen Weg zur Gesundung: Die Heilung der Seele durch Aufklärung und Mut zur Intuition."

Stimmung für Wunderpflanze als Impfersatz

Hie und da macht der "Wochenblick" verzweifelten Impfskeptikern, die Covid-19 trotzdem ernst nehmen, auch Mut. Im Mai stellte das Blatt unter dem Titel "Sensationell!" das "Ende der Impfung" in Aussicht. Aus erquicklichem Grunde: "Diese Pflanze hilft zu 100 % gegen Corona". Die Sensation erschöpfte sich in einem euphemistischen Beitrag für das Produkt "Cystus 052", das von einer schlauen Schwurbelfirma bereits seit gut 15 Jahren beworben wird. Das Extrakt der "Graubehaarten Zistrose" soll bereits gegen die Vogel- und Schweinegrippe Wunderdinge vollbracht haben. Die Sensation war dann eher eine Eintagsfliege. Warum der "Wochenblick" seitdem zu dem Wundermittel schweigt, das die Impfung überflüssig macht, bleibt vermutlich Redaktionsgeheimnis.  

Das deutsche Faktencheckerportal "Volksverpetzer" bezeichnet den "Wochenblick" als "Impf-Fake-Schleuder". Das ist etwas hart formuliert, aber es trifft die Sache ganz gut. (Christian Kreil, 28.9.2021)

Christian Kreil bloggt seit drei Jahren rund um Esoterik, Verschwörungsplauderei und Pseudomedizin. Soeben erschien sein Buch "Fakemedizin".

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