Forscher untersuchten die DNA in alten Knochen, um mehr über die elterliche Verwandtschaft der Menschen herauszufinden.
Foto: MPI für evolutionäre Anthropologie

Dass ein heute lebender Mann mit einer seiner Cousinen verheiratet wird, kommt gar nicht so selten vor: Mehr als zehn Prozent aller Ehen sind es, die weltweit zwischen Cousins und Cousinen ersten oder zweiten Grades stattfinden. Wie häufig sie sind, hängt vom kulturellen Kontext ab – in manchen Gesellschaften sind es sogar 20 bis 60 Prozent der Verpartnerungen. So kommt man auf eine Zahl von mehr als 700 Millionen Personen, die derzeit auf der Erde leben und deren Eltern in diesem Ausmaß verwandt sind.

Um herauszufinden, ob das Verhältnis schon immer so ähnlich aussah, untersuchten drei Forscher der Universität Chicago in den USA alte DNA von 1.785 Individuen, die in den vergangenen 45.000 Jahren lebten. Dafür nutzte das Team ein neues Berechnungsinstrument, das lange DNA-Abschnitte erkennt, die sowohl bei den väterlichen als auch bei den mütterlichen Chromosomen eines Menschen vorkommen. Und je enger die Verwandtschaft, desto öfter finden sich gleiche Abschnitte.

Drei statt zehn Prozent

Dies ist vor allem in der Anwendung bei Erbgut aus sehr alten Knochen bisher eine Herausforderung gewesen, weil hier oft nicht das gesamte Genom vollständig erhalten ist. Im neuen Verfahren werden Lücken aber mit jüngeren Daten aufgefüllt. "Mithilfe dieser neuen Technik konnten wir mehr als zehnmal so viele alte Genome untersuchen wie bisher", sagt Studienleiter Harald Ringbauer, der auch am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig forscht.

Dabei stellte sich heraus, dass von den knapp 1.800 prähistorischen Individuen nur 54 einer Paarung von Cousin und Cousine entsprungen sind – das entspricht rund drei Prozent. Diese Fälle ließen sich nicht auf eine bestimmte Region oder Zeit einschränken, traten also generell auf, aber nur selten, wie die Forschungsgruppe im Fachmagazin "Nature Communications" schreibt.

Bevölkerungswachstum durch Landwirtschaft

Die Wissenschafter registrierten auch, ob sich in den relativ kleinen Populationen, die einst lebten, auch entfernt verwandte Personen paarten, womöglich ohne von ihrer Verwandtschaft zu wissen. In der Studie konnte gezeigt werden, dass die neusteinzeitliche Veränderung fort von Jäger-Sammler-Gesellschaften hin zu Sesshaftwerdung und Landwirtschaft für ein Bevölkerungswachstum sorgte. Damit wurden die Ergebnisse früherer Forschungsarbeiten bestätigt. Durch die steigende Populationsgröße nahm nämlich auch die elterliche "Hintergrund-Verwandtschaft" ab.

Solche demografischen Veränderungen könnten mit dem neuen Werkzeug künftig besser analysiert werden, hoffen die Forscher. Das dürfte zu weiteren Erfolgen bei der Erforschung alter DNA führen und könnte umfangreicher zeigen, wie sich Populationen im Laufe der Zeit entwickelten und wie sich bei unseren Vorfahren die Partnerwahl gestaltet haben könnte. (sic, 20.9.2021)