Verlieren kann frustrierend sein. Doch den Frust an schwächelnden Teammitgliedern auszulassen hilft genau niemandem.

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Videospiele sind ein wunderschönes Hobby. Sie ermöglichen es mir, mal einfach abzuschalten und bei einem simplen Shooter stupide vor mich hinzuklicken. Sie geben mir knifflige Probleme, die es in Strategie- und Knobelspielen zu lösen gibt. Sie entführen mich in fremde Welten und ziehen mich mit gut erzählter Handlung in ihren Bann.

Dabei kann eigentlich nicht viel schiefgehen. In Singleplayer-Games bin ich Herr über mein Abenteuer. Ich kann ausprobieren, was ich möchte, ich kann scheitern und muss dies nur mir selbst übelnehmen.

Nicht so in Multiplayer-Games. Dort sind es nicht nur Gegner, die sich immer wieder mal zu dummen Kommentaren bemüßigt fühlen. Sondern oft auch die eigenen Teammates, die völlig unrealistische Anforderungen stellen und dabei gerne vergessen, dass es beim Spielen auch um Spaß geht.

Wenn sich der Spaß aufhört

Nehmen wir als Beispiel League of Legends. Was oberflächlich einfach wirken mag, ist eigentlich eine sehr komplexe Angelegenheit. Es gibt fünf Rollen und am laufenden Band Entscheidungen, deren Ausgang den weiteren Verlauf des Spielgeschehens bestimmen könnte. Wie aggressiv spiele ich zu Beginn gegen den Gegner in meinem Kartenabschnitt? Wann rücke ich aus, um einem Teammitglied in Nöten zu helfen, und wann konzentriere ich mich darauf, stattdessen meinen eigenen Fortschritt voranzutreiben? Wann wird welches "Objective" in Angriff genommen? Welche Gegenstände kaufe ich, um meiner eigenen Strategie und der Spielsituation gerecht zu werden?

Jede dieser Fragen ist abhängig von der Rolle, die man übernimmt und dem aktuellen Status quo und Zeitpunkt des Spielverlaufs unterschiedlich zu beantworten. Dazu kommt auch noch, dass es in League mittlerweile 156 Champions gibt, mit denen diese Rollen ausgefüllt werden können und die jeweils eine Stange unterschiedlicher Fähigkeiten, Stärken und Schwächen besitzen.

Theorie vs. Praxis

Im Prinzip gibt es auch einen Übungsmodus, sogenannte "Normal Games". Hat man im Trainingsmodus und nach ein paar Partien gegen Bots grundlegend herausgefunden, wie ein neuer Champion "funktioniert", kann man hier unter "Realbedingungen" an seinen Fertigkeiten und Teamplay arbeiten. Dabei geht es bestenfalls um die Ehre, erst im "Ranglisten"-Modus spielt man um Punkte. So zumindest die Theorie, die Praxis sieht leider oft anders aus.

Dass man beim ersten Spiel mit einem Champion, mit dem man noch nicht vertraut ist, unter die Räder kommen kann, sollte einleuchten. Womöglich hat der direkte Widersacher einen Helden gewählt, der den eigenen "kontert". Vielleicht hat er auch schon wesentlich mehr Erfahrung und arbeitet selbst nur noch am Feinschliff. Oder man erwischt einfach einen schlechten Tag. Solange man selbst sein Bestes tut, sollte das eigentlich kein Problem darstellen und in diesem Spielmodus erwartbar sein. Speziell in Niederungen, die sich spielerisch weit weit weg vom Level bezahlter Pro-Player befinden.

Doch so manche Mitspieler, nach meiner Beobachtung nach häufig jene, die beachtlich viel Zeit mit dem Game verbringen, scheinen jeglichen Bezug zur Realität verloren zu haben. Klar, einem Mitspieler zuzusehen, wie er einem Gegner – wenn auch unabsichtlich – einen Vorsprung verschafft, ist nicht lustig. Niemand verliert gerne. Das gilt aber auch für den armen Tropf, der bei seinen ersten Feldversuchen mit einem neuen Champion gerade zwei blaue Augen einfängt oder nach langer Spielpause einfach eingerostet ist.

Und ihn dann verbal, nicht selten auch noch im auch für den Gegner sichtbaren "All Chat" niederzutrampeln, wird an der verbesserungswürdigen Performance nichts ändern. Im Gegenteil, es trägt vielleicht sogar zu weiterer Verunsicherung bei. Was steckt da für Erwartungshaltung dahinter? Dass jemand in seinem dritten Spiel mit einem neuen Champion spielt, als würde er seit Jahren nichts anderes machen?

Ansteckende "Flameritis"

Es mag wie eine geradezu utopische Idee wirken, aber wenn man sich schon so erhaben fühlt, einem Teammitglied sein Versagen unter die Nase zu reiben, könnte man die eigene Erfahrung stattdessen konstruktiv einsetzen, und ihm Tipps geben, wie er oder sie es besser machen könnte. Doch selbst auf Nachfrage gibt es hier selten hilfreichere Antworten als "Stirb halt einfach nicht!". Danke für gar nichts.

Die "Flameritis" scheint auch zu einem gewissen Grad ansteckend zu sein. Meist versuche ich, im Rahmen meiner Möglichkeiten Tipps zu geben und schlucke meinen Ärger über Teammitglieder herunter, aber gelegentlich entkommt – zu meiner Schande – auch mir ein zumindest sarkastischer Kommentar in Richtung eines Mitspielers, der von einem Gegner schon genug gepeinigt wird.

Und das ist schade, denn es ist immer wieder schön zu beobachten, wenn jemandem, der sich zu Beginn einer Partie noch schwergetan hat, der sprichwörtliche Knoten aufgeht und er vielleicht sogar entscheidend zum Sieg beiträgt. Oder wenn man es selbst ist, dem nach 20 Minuten Kampf und Krampf plötzlich alles gelingt. Und selbst wenn nicht: Mit Würde verlieren zu können ist auch eine Tugend. Manchmal ist der Gegner halt einfach besser – GG!

Lieber mit Freunden

Die durchschnittliche Erfahrung mit zufällig zugelosten Teammitgliedern ist leider tendenziell ein leicht toxisches Erlebnis. Das gilt nicht nur für League of Legends, sondern in variierendem Maße auch für viele andere Online-Teamgames.

Als Konsequenz daraus spiele ich oft nur noch mit Freunden zusammen in einer Mannschaft. Dort gibt es Verständnis dafür, wenn es mal nicht so hinhaut, wie man es gerne hätte. Jedenfalls meistens. (Georg Pichler, 25.9.2021)