Am 26. Juni wurde die 13-jährige Leonie auf einem Grünstreifen und an einen Baum gelehnt in Wien-Donaustadt tot aufgefunden.

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Die 16-jährige Manuela wurde im Jänner 2019 von einem straffälligen Syrer in Wiener Neustadt erwürgt. Dieser fasste später 15 Jahre Haft aus und kam in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Die 13-jährige Leonie fand man heuer Ende Juni leblos auf einem Grünstreifen in Wien-Donaustadt. Sie wurde mutmaßlich unter Drogen gesetzt und vergewaltigt, bevor sie starb. In dieser Causa befinden sich derzeit auch amtsbekannte Afghanen in U-Haft.

Aus Sicht der Anwälte der jeweiligen Angehörigen, Florian Höllwarth und Johannes Öhlböck, verbindet diese beiden Fälle, dass straffällige Asylwerber im Vorfeld nicht abgeschoben wurden. Aus der Sicht der Anwälte müsse das Asylsystem daher grundlegend überarbeitet werden. Ihre Vorschläge orientieren sich an den Fragen und Anliegen der Familien. Es gehe diesen nicht um Rache, sondern um eine Verbesserung des Systems, halten beide Anwälte fest.

Manuelas Tante wünscht sich, dass die Regierung "wach wird und anfängt, unsere Kinder zu schützen", sagt sie in einem Video. Straffällige Asylwerber müssten ihrer Meinung nach abgeschoben werden. Manuelas Mutter gibt der Politik auch eine Teilschuld am "Tod meiner Kleinen", weil ein Asylaberkennungsverfahren gegen jenen Syrer 2018 abgelehnt worden sei.

Leonies Eltern fordern generell raschere Asylverfahren, damit "es gar nicht mehr so weit kommt, dass die Menschen hier ihre strafbaren Handlungen ausüben können und ihnen eh nichts passiert, weil sie nicht abgeschoben werden können". Leonies Mutter hält eine Sicherungshaft für notwendig, sollte das nicht möglich sein.

Folterverbot "gilt absolut"

Der Fünf-Punkte-Plan der beiden Anwälte Höllwarth und Öhlböck enthält viele bekannte Diskussionspunkte. Dieser reicht von einer besseren Betreuung von Asylwerbern hin zu einem "Anwaltszwang" für ein qualitativ besseres Erstinterview oder zu beschleunigten Asylverfahren bei Straffälligkeit oder nachhaltigem Verstoß gegen Integrationsregeln. Bei Letzterem wollen die Rechtsvertreter sogar so weit gehen, dass es keine aufschiebende Wirkung eines Bescheids mehr geben soll.

Da hakt Lukas Gahleitner von der Asylkoordination ein. Der Asylrechtsexperte hält das für "rechtsstaatlich daneben", da ein Gericht die Entscheidung der Verwaltungsbehörde, etwa über die Aberkennung eines Asylstatus, prüfen müsse. Generell gibt Gahleitner zu bedenken, dass das Folterverbot in Österreich verfassungsrechtlich verankert und schlicht keine juristische Abwägungsfrage sei. "Das gilt absolut, ich darf niemanden, auch keine kriminelle Person, in den Tod schicken", sagt Gahleitner.

Abschiebungen nach Afghanistan etwa seien mit der Machtübernahme durch die Taliban noch unrealistischer geworden. Man sei auf dem Holzweg, wenn man strafrechtliche Probleme über das Asylrecht lösen wolle, "das ist nicht Aufgabe des Asylrechts und würde zudem verfassungsrechtlich abgesicherte Menschenrechte unterlaufen", sagt Gahleitner. Asylverfahren bei Straffälligkeiten könnten auch schon jetzt beschleunigt werden.

Problemfeld Dolmetscher

Problematisch sieht Gahleitner ebenso den "Anwaltszwang". "Was wäre der Mehrwert, und wer soll das zahlen", fragt er. "Es gibt einfach viel zu wenige Anwälte in diesem Bereich, als dass das zu einem Mehrwert führen würde – das sehen wir an den mangelhaften Anwaltsschriftsätzen vor Gericht."

Aber Gahleitner kann manchem aus dem Plan auch etwas abgewinnen. Etwa dass die Anwälte höhere Standards bei Dolmetschern in Spiel bringen. "Das ist tatsächlich ein Problem", sagt Gahleitner. "Denn oft können die Interviewten besser Deutsch als die Dolmetscher."

Unterstützenswert sei auch der Ruf der Rechtsvertreter nach mehr Integration, meint Gahleitner – etwa in den Arbeitsmarkt. Gerade von diesem wurden Asylwerber über viele Jahre per Erlass abgeschnitten. Vergangenen Juli wurde diese Einschränkung vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. (Jan Michael Marchart, 21.9.2021)