Das tut weh. Diese Debatte um die Nadel schmerzt. Sonst, wenn’s um Migration, um "die Ausländer", geht, sind die blauen Politiker stramm auf Kurs. Da gibt’s keine weichen Abweichler. Aber jetzt, da es um die Covid-Impfung im Kampf gegen die Pandemie geht, wird die FPÖ-Politik immer zittriger. Jene aus der Führungsriege der Partei, die an Covid-19 schwer erkrankt und wieder genesen sind, möchten diesen ganzen Horror nicht wieder erleben und stehen nun einer Impfung positiv gegenüber. Gegen die Parteilinie.

Der ehemalige FPÖ-Obmann und Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer gestand vor einigen Tagen in einem Twitter-Beitrag: "Ich bin geimpft – und auch meine Familie. Ich bin zudem aufgrund der Faktenlage davon überzeugt, dass eine Impfung schützt."

Mittlerweile haben sich so ziemlich alle führenden FPÖ-Politiker, auch in den Ländern und im Parlament, impfen lassen.
Foto: imago images/Jochen Eckel

Auch der wieder genesene oberösterreichische FPÖ-Landeshauptmannvize Manfred Haimbuchner, der tagelang auf der Intensivstation lag, bekennt nun: "Ich bestreite gar nicht, dass die Impfung wirkt." Das alles klingt diametral anders als die offizielle coronare Parteieinschätzung des FPÖ-Obmanns Herbert Kickl, der auf der Partei-Homepage festhält: "Der Joker Impfung sticht nicht, der ,Gamechanger‘ erweist sich als lahme Ente." Kickl hält es eher mit Vitaminpräparaten, Bitterstoffen und möglichst viel Bewegung an der frischen Luft.

Nun weiß die Kronen Zeitung von recht amüsanten neuen Drehungen in der FPÖ in Sachen Impfung und stichelt in Richtung des blauen Parteichefs. So hätten sich mittlerweile so ziemlich alle führenden FPÖ-Politiker, auch in den Ländern und im Parlament, impfen lassen. "Ich aber nicht, ich aber nicht", hört man da Herbert Kickl förmlich schreien, "wer Gegenteiliges behauptet, wird von mir geklagt."

Dilemma

Genau das ist jetzt dem Lobbyisten und Verleger Wolfgang Rosam tatsächlich passiert, der in einem Interview behauptet hatte, er habe gehört, dass selbst Kickl bereits geimpft sei. Dieser gibt sich empört und wehrt sich rechtlich gegen das Impfgerücht – so als sei es etwas Anrüchiges, etwas Ehrabschneidendes, sich immunisieren zu lassen. "Ich bin nicht geimpft", stellte Kickl in einer Aussendung hochoffiziell klar.

Der FPÖ-Parteiobmann ist ohne Zweifel in ein Dilemma geraten. Die strikte Anti-Impf-Strategie konnte nicht länger durchgehalten werden.

Da mehrere führende Parteipolitiker selbst erkrankten – zuletzt der Linzer Vizebürgermeister Markus Hein –, mussten die Erfahrungen der persönlich durchlittenen Krankheitsgeschichte bei Teilen der Partei zwangsläufig ein Umdenken auslösen.

Jetzt hat Kickl aber strategisch die Netze so ausgelegt, dass möglichst viele der Impfskeptiker und Corona-Leugner ins FPÖ-Lager gezogen werden. Er bietet den politisch Herumirrenden eine politische Heimat an. Wenn nun aber aus der FPÖ relativierende Stimmen kommen, die eine Impfung gutheißen, sie sogar empfehlen, wird Kickls Strategie brüchig und unglaubwürdig. Also sah sich Kickl gezwungen, massiv gegen Mutmaßungen vorzugehen, auch er habe sich heimlich impfen lassen. Kickl muss klar kommunizieren, dass er, der Führer der Partei, eisern und hart bleibt und sich nicht kleinkriegen lässt. Die andere Seite: Er gibt sich der Lächerlichkeit preis.

Die blaue Impfposse könnte auch ihr Gutes haben: Vielleicht bewirken Haimbuchner, Hofer und Co bei den Impfgegnern mehr als Kickls lachhafte Klage. (Walter Müller, 21.9.2021)