Im Lager Traiskirchen und dessen Außenstelle Reichenau leben derzeit rund 600 jugendlichen Asylsuchende, ohne dass jemand die Obsorge für sie übernommen hat.

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Man müsse straffällige Asylwerber rascher abschieben, und dazu brauche es raschere Asylverfahren. Nach Verstößen gegen Integrationsauflagen müssten Flüchtlinge das Recht auf aufschiebende Wirkung verlieren, das ihnen derzeit ermöglicht, Berufungen gegen – manchen – ablehnenden Asylbescheid in Österreich abzuwarten.

Mit Vorschlägen wie diesen haben sich die Anwälte der Angehörigen zweier von Asylwerbern ermordeter Mädchen an die Öffentlichkeit gewandt.

Ruf nach Strenge

Der Ruf nach mehr Strenge gegen Verbrechen von Asylwerbern ist nachvollziehbar – zumal wenn man persönlich mit einem solch schrecklichen Fall konfrontiert ist. Dennoch: Die Forderung nach mehr Tempo bei Anträgen auf internationalen Schutz erklingt bereits jahrzehntelang, umgesetzt wurde sie nur zum Teil.

Und Abschiebungen in die Herkunftsstaaten der Täter in beiden Verbrechensfällen – Syrien und Afghanistan – wären nur um den Preis des Außerkraftsetzens einer zentralen Bestimmung internationalen Asylrechts möglich gewesen: jener, dass niemand durch eine solche zwangsweise Rückkehr in Todesgefahr gebracht werden darf. In beiden Staaten wäre das diesbezügliche Risiko hoch.

Perspektiven geben

Doch die Angehörigen-Rechtsvertreter haben es nicht allein bei derlei Forderungen nach mehr Strenge belassen. Sie haben sich auch Gedanken darüber gemacht, wie hier in Österreich verhindert werden könnte, dass junge Schutzsuchende in Gewalttätigkeit und kriminelles Verhalten abgleiten.

Die Betreuung der Flüchtlinge müsse besser werden, sagen sie. Das untätige und daher perspektivenlose Versorgtwerden in Flüchtlingsunterkünften bei Unsicherheit über die eigene Zukunft müsse ein Ende haben.

Risiko der schiefen Bahn

Dem ist voll und ganz zuzustimmen. Der trotz anderslautendem Verfassungsgerichtshof-Spruch in der Praxis per Erlass fortgesetzte Ausschluss von Asylwerbern von fast jeder Arbeit ist kontraproduktiv – auch in Sachen Verbrechensprävention. Menschen mit kriminell anfälliger Persönlichkeitsstruktur geraten rascher auf die schiefe Bahn, wenn sie nichts Sinnvolles und Strukturierendes zu tun haben.

Das allein ist aber nicht das Problem. Fakt ist, dass es in Österreich hunderten jugendlichen Asylwerbern an noch Grundlegenderem mangelt: einer Person, die sie vertritt und darauf schaut, dass sie so rasch wie möglich in akzeptable Betreuung kommen.

Monatelang auf sich allein gestellt

Derzeit sind es rund 600 minderjährige Flüchtlinge, die ohne gesetzlichen Vertreter in den Verteilerquartieren Traiskirchen und Reichenau leben. In früheren Jahren waren es auch schon mehr. Die zuständigen Bezirkshauptmannschaften übernehmen die Obsorge für sie nicht. Nach vielfach traumatisierenden Fluchtgeschichten, die einen Menschen nicht unbedingt besser machen, sind sie monatelang auf sich allein gestellt.

Auch das ist ein schon seit Jahren bekanntes Problem. Gelöst wurde es bis dato nicht. Die auf Kriminalitäts- und Verbrechensverhinderung abzielenden Forderungen der Angehörigen-Anwälte könnten ein Anlass dazu sein. (Irene Brickner, 21.9.2021)