Automatisierte Überwachung wird in dem gesamten Unternehmen vermehrt forciert.

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Immer öfter, immer intensiver und immer umfassender setzt Amazon darauf, seine Belegschaft zu überwachen. So auch Fahrerinnen und Fahrer, deren Bewegungen vermehrt von KI-unterstützten Kameras im Fahrzeug mitverfolgt werden. Wie "Motherboard" basierend auf Gesprächen mit Betroffenen berichtet, führt das allerdings dazu, dass sie für Ereignisse bestraft werden, die außerhalb ihres Einflussbereichs stehen. Beispielsweise berichten Mitarbeiter, von dem System, das Amazon einsetzt, negativ bewertet zu werden, wenn sie von anderen Autos unerwartet überholt werden. Auch wird ein Blick in den Seitenspiegel manchmal fälschlicherweise als fehlerbehaftetes Verhalten gekennzeichnet.

Warnung in Echtzeit

Seit Februar verbaut das Unternehmen Kameras der Firma Netradyne. Diese sollen möglicherweise unsichere "Ereignisse" beim Fahren automatisiert erkennen – und bestrafen. Fahrer werden dabei in Echtzeit gewarnt. Wie die Betroffenen erzählen, kommt es aber immer wieder zu Fehlern, sodass sich teilweise etabliert habe, die Kameras mit Stickern zu überkleben, um falsche Bewertungen zu verhindern. Manche Vorgesetzten würden dies tolerieren, da die Problematik in der Belegschaft bekannt sei. Manche Fahrerinnen und Fahrer würden bewusst Sonnenbrillen tragen, damit die Kamera die Bewegung ihrer Augen nicht als problematisch einschätzt.

Amazon setzt bei seinen Mitarbeitern auf eine Art Punktesystem: Die Fahrer werden auf Schritt und Tritt überwacht, ein Algorithmus bewertet sie dann. Menschliches Feedback rückt dabei immer mehr in den Hintergrund, stattdessen erstellen die Maschinen ein Resümee. Die Systeme informieren die Mitarbeiter regelmäßig mit automatisierten E-Mails, in denen diese erfahren, ob sie "fantastisch", "gut", "fair" oder "risikobehaftet" arbeiten.

Partner

Die Fahrerinnen und Fahrer sind nicht direkt Teil des Unternehmens, sondern werden als Partner beschäftigt, die mit ihrem eigenen Fahrzeug Pakete ausliefern. Anstatt fest angestellt zu sein, erhalten sie Aufträge und fungieren als Vermittler zwischen Kunden und Händlern. Das bedeutet auch, dass sie das gesamte unternehmerische Risiko auf sich nehmen müssen. Schlecht bewerteten Fahrern droht eine Auflösung des Dienstverhältnisses. Das Feedback hat auch einen Effekt auf ihre Bezahlung. "Fantastisch" bewertete Fahrer erhalten Boni, mit denen sie etwa die Wartung ihres Fahrzeuges finanzieren könnten.

Einem heurigen Bloomberg-Bericht zufolge, der sich auf Aussagen ehemaliger Manager des Unternehmens beruft, soll Amazon bewusst gewesen sein, dass die KI-Systeme, mit denen die Belegschaft bewertet wird, fehleranfällig sind. Dennoch habe man entschieden, sie zu nutzen und falsche Entscheidungen in Kauf zu nehmen. Das sei nämlich günstiger, als Menschen zu bezahlen. Nachträgliche Prüfungen würden nur lasch erfolgen.

Überwachung

Automatisierte Überwachung wird im gesamten Unternehmen vermehrt forciert. So auch etwa in den Lagerhallen, wo die Arbeit in Echtzeit kontrolliert und die Produktivität abgeglichen wird. Mitarbeiter müssen dort ihre Arbeitsschritte scannen, sodass Vorgesetzte zeitgleich das Vorgehen mit bestimmten Durchschnittsgeschwindigkeiten abgleichen können. Etwa bei zu langen Pausen greifen die Vorgesetzten ein. (muz, 21.9.2021)