Ein Strommast.

Foto: imago images/Rene Traut

Wien – Die Großhandelspreise für Strom und Gas sind heuer in Europa stark gestiegen, zum Teil wurden Rekordwerte erreicht. Der Strompreis hat zuletzt erstmals die 100-Euro-Marke pro Megawattstunde geknackt, zu Jahresbeginn lag der Preis noch bei 50 Euro. Der Gaspreis ist noch stärker gestiegen. Robert Slovacek vom E-Wirtschaft-Verband Oesterreichs Energie sieht trotzdem keinen Grund zur Panik.

Der Strompreis im Großhandel wird in Europa stark vom Gaspreis beeinflusst, auch die Preise für Kohle und den Ausstoß von CO2 spielen eine Rolle. Weil der Ausbau der Erneuerbare-Energie-Anlagen in den letzten Jahren zu langsam erfolgt sei, ist Europa bei der Stromerzeugung stark von Gas und Kohle abhängig, sagte Karina Knaus von der Österreichischen Energieagentur.

Und gerade beim Gas und beim Kohlendioxid gehen die Preise derzeit durch die Decke. Beim CO2-Preis liege das vor allem an der politischen Ausrichtung, erklärt Slovacek: "Die EU-Staaten wollen grüner werden". Der steigende CO2-Preis habe nun einen entsprechenden Lenkungseffekt: "Gaskraftwerke emittieren weniger Treibhausgase als Kohlekraftwerke und werden deshalb bevorzugt, Kohlekraftwerke werden hinausgedrängt", die Nachfrage nach Gas steige daher.

Speicher leer

Auch die anziehende Konjunktur führe zu einer höheren Nachfrage nach Gas, gleichzeitig seien die europäischen Gasspeicher momentan relativ niedrig gefüllt: "Eine steigende Nachfrage trifft auf ein vermindertes Angebot", sagte Knaus.

Das verminderte Angebot sei auf technische Probleme in Norwegen und Engpässe bei Lieferungen aus Russland zurückzuführen. Darüber hinaus gebe es Spekulationen, dass Russland die Lieferungen nach Europa einschränke, um politischen Druck aufzubauen und so die Genehmigungsverfahren für die kürzlich fertiggestellte Nord-Stream-2-Pipeline voranzutreiben. Die höheren Gaspreise hätten sich bereits im Sommer abgezeichnet, "vielleicht gab es da ein gewisses Abwarten" beim Auffüllen der Gasspeicher, so Knaus.

"Kein Grund zu Panik"

Der aktuelle Preisanstieg werde "keinesfalls unmittelbar beim Endkunden wirksam", gibt aber Slovacek Entwarnung. Zum einen treffe der Preisauftrieb nur ein Drittel des Haushaltsstrompreises, denn zwei Drittel davon entfallen auf Netzgebühren, Steuern und Abgaben. Zum anderen habe jeder Versorger eine langfristige Beschaffungsstrategie und versuche, Einkaufszeitpunkte zu streuen. So ergebe sich für den Kunden ein fixer Tarif, der zwar angepasst werden könne, aber der Strompreis werde von den Energielieferanten mit entsprechender Vorlaufzeit "geglättet und gedämpft" weitergegeben.

Die sogenannten "Floating-Tarife" seien in Österreich eher in der Minderheit. Kunden mit solchen Verträgen würden die höheren Strompreise bereits spüren, hätten aber auch im vergangenen Jahr von den pandemiebedingt niedrigen Preisen profitiert, so Slovacek.

"Preisvergleich zahlt sich jederzeit aus"

Die Strompreise für Endkunden seien in Österreich an sich sehr stabil, so Knaus. In Regionen wie Spanien oder Skandinavien seien sie stärker an die Großhandelspreise gekoppelt. Trotzdem sei wohl davon auszugehen, dass die Preise auch in Österreich steigen werden: "Es ist jetzt sicher ein guter Zeitpunkt nachzuschauen, welchen Vertrag hat man überhaupt, und welche Alternativen gibt es", so die Expertin.

Wie sich die Preise in den nächsten Wochen entwickeln, könne man nicht seriös beantworten, sagte Slovacek, man müsse jedoch mit einer gewissen Gelassenheit auf die Momentaufnahme schauen, "ein Preisvergleich zahlt sich jederzeit aus". Mittelfristig mache es für Europa jedenfalls Sinn, weiter in den Ausbau erneuerbarer Energien zu investieren und sich unabhängig von importierten fossilen Energieträgern wie Öl, Erdgas und Kohle zu machen, so Knaus. (APA, 22.9.2021)