Schon bei ihren ersten musikalischen Gehversuchen Ende des letzten Jahrtausends waren starre Genregrenzen nicht die Sache dieser vier introvertierten Teenager aus Südkalifornien. Seitdem hat sich die Thrice genannte Formation in einer Unzahl an Stilen bewährt, die, irgendwo zwischen Metallica und Radiohead angesiedelt, beeindruckend viel abdecken.

Bands wie die Szenegrößen Architects, While She Sleeps oder Nothing More führen Thrice deshalb als wesentlichen Einfluss auf ihre Musik an. Doch während diese Bands zusehends Mainstream-Erfolg verbuchten und heute große Festivals headlinen, verblieben Thrice stets ein Insidertipp mit einer kleinen, aber enthusiastischen Fanbase.

Viele Genres

Für ihr neues Album Horizons/East gaben sich Thrice nun durch selbst bewerkstelligte Produktion im eigenen Studio so viele Freiheiten wie möglich. Das Ergebnis überzeugt durch große Abwechslung, die für eine Band im 24. Jahr ihres Bestehens durchaus beeindruckend ist.

Thrice – Teppei Teranishi (Lead Guitar, Backing Vocals, Piano und vieles mehr), Eddie Breckenridge (Bass & Backing Vocals), Dustin Kensrue (Lead Vocals & Rhythm Guitar), Riley Breckenridge (Drums), von links nach rechts.
Foto: Thrice

Vom progigen Sound des Openers The Color of the Sky über die Jazzklänge von Northern Lights bis hin zur Post-Rock-Dynamik von Still Life bewegt sich die Band zwischen einer Vielzahl an Genres. Northern Lights, Track Nummer vier auf dem Album, kann dabei als Beispiel dafür gelten, wie es Thrice wieder stärker gelingt, sich und ihre Fans musikalisch herauszufordern.

Challenge

So entstand die Dynamik des Songs unter anderem aus einer selbst gestellten Challenge, einen Song mit Septakkorden zu schreiben, die den unsteten Groove des Songs erzeugen. Vor allem auch durch das Spiel der Rhythmus-Sektion vermag es Thrice so, die Balance zwischen Eingängigkeit und Komplexität besser zu finden als auf dem eher in Richtung Ersteres driftenden Vorgänger Palms.

Der Opener "The Color of the Sky" wird vor allem von Prog-Rock-Beats der Rhythmus-Sektion angetrieben.
Epitaph Records

Ganz allgemein finden sich so viele härtere Klänge auf der Platte wie seit der Fire-EP des Monumentalprojektes Alchemy Index nicht mehr, sodass auch Fans der frühen Metal- und Post-Hardcore-Phasen der Band wieder mehr auf ihre Kosten kommen als auf den beiden Vorgängern.

Von Cohen bis Waits

Dies zeigt sich in Songs wie dem an die Queens of the Stone Age erinnernden Summer Set Fire To The Rain auch stimmlich mit Sänger Dustins Kensrues Shouts und Bassist Ed Breckenridges Gegenstimmen – letztere vor allem präsent in den Anfangsjahren der Band und bis heute bei jedem Livekonzert der Band ein Highlight in Klassikern wie Silhouette oder The Earth Will Shake. So entsteht ein Song, der sein Potenzial wohl vor allem live entfalten wird, wie erste Live-Performances spüren lassen.

Dandelion Wine ist das wohl beeindruckendste Stück der Platte. Der Song lässt die Verehrung von Sänger Dustin Kensrue für die Großmeister Leonard Cohen, Tom Waits und Jeff Buckley spüren und steht mit seinem Aufbau von Dynamiken als Musterbeispiel für die Art, wie Thrice Musik machen – auch textlich. Denn wie in vielen anderen Songs erzählt Kensrue eine persönliche Geschichte als Analogie auf gesellschaftliche Probleme. So beschreibt er in Dandelion Wine die Genusssucht und Ignoranz eines Menschen, die ihn einer aufziehenden Katastrophe teilnahmslos entgegensteuern lassen – aktuelle Interpretationen liegen auf der Hand.

"Dandelion Wine" gelingt es, eine intensive Geschichte zu erzählen, die an die Sternstunden der Band wie Daedalus, Wood and Wire oder Beggars erinnert.
Epitaph Records

Freilich zünden nicht alle Ideen gleichermaßen. So ist der Einsatz von gesprochenem Wort in The Dreamer durchaus interessant, in Kombination mit dem allzu eingängigen Refrain wird aber kein wirklich stimmiger Song daraus. Auch beim Closer Unitive/East würde man sich wünschen, dass das Experiment zweier überlappender Pianomelodien konsequenter verfolgt wird und so nicht nur ein ansprechendes Outro, sondern ein vollwertiger Song aus ihm entstünde.

Kein wirklicher Flow

Aufgrund der stark unterschiedlichen Stile der Songs ergibt sich darüber hinaus nur bedingt ein wirklicher Flow im Album. Dementsprechend wirken die Übergänge und die Anordnung der Songs auf dem Album teilweise nicht wirklich harmonisch.

Aber egal, in welcher Reihenfolge man die Platte tatsächlich hört – es bleibt ein schönes Unterfangen mit viel Licht am Horizont. (Tobias Röck, 20.10.2021)