Eine grundlegend überarbeitete Oberfläche, eine neue Generation des dem Desktop zugrunde liegenden grafischen Toolkits und quasi zum Drüberstreuen auch noch ein anderes Versionierungsschema: Das im März veröffentlichte GNOME 40 konnte mit einer hohen Neuigkeitsdichte aufwarten. Da ist nicht weiter verwunderlich, dass es der direkte Nachfolger nur sechs Monate später etwas gemächlicher angeht – und doch gibt es auch dieses Mal wieder einige interessante Neuerungen.

Einstellungen

Dem GNOME-Desktop wird oftmals vorgeworfen, dass die Entwickler die einfache Nutzung allzu sehr in den Vordergrund stellen und dabei schon einmal die Konfigurierbarkeit vernachlässigen. Darin steckt ein Kern Wahrheit, ganz fair ist diese Zuschreibung aber auch wieder nicht. Haben die Entwickler doch über die Jahre einige Optionen nachgereicht, anderes lässt sich über versteckte Einstellungen anpassen, und dank des Erweiterungssystems ist der Kern-Desktop ohnehin sehr flexibel.

Der Desktop von GNOME 41 mit einer Gastkatze.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Mit GNOME 41 stellt man einige bislang versteckte Optionen nun aber deutlicher in den Vordergrund. So gibt es in den Systemeinstellungen eine neue Kategorie namens Multitasking, in der sich diverse Verhaltensweisen des Desktops anpassen lassen. Dort ist es etwa möglich, die "Hot Corner" links oben zu deaktivieren. Über das Schieben des Mauszeigers in dieses Eck kann bei GNOME die Aktivitätsübersicht aufgerufen werden. Da es aber auch andere Wege gibt, dorthin zu kommen – etwa über die Tastatur –, steht diese Funktionalität manchen Nutzern mehr im Weg, als sie nutzt.

Auch die Funktionen zur automatischen Anordnung von Fenstern können nun deaktiviert werden. Ebenso können sich die Nutzer entscheiden, ob sie weiter das dynamische Workspace-Konzept – bei dem automatisch neue virtuelle Desktops nach Bedarf eingefügt werden – verwenden wollen oder doch lieber auf eine statische Anzahl an Oberflächen setzen. Auch bei der Frage, ob mehrere Workspaces nur auf dem primären Bildschirm oder auf allen zum Einsatz kommen sollen, und bei der Funktionalität des App-Switchers lässt man den Usern nun die Wahl.

Mit der richtigen Hardware stehen unterschiedliche Leistungsprofile zur Wahl.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Leistungsprofile

Eine weitere große Neuerung von GNOME 41 offenbart sich bei den Stromspareinstellungen. Nutzt der Desktop nun doch den "Power Profiles Daemon", der automatisch zwischen verschiedenen Leistungseinstellungen wechselt, also etwa bei geringem Akkustand den Stromsparmodus aktiviert. Dabei werden dann neben der Reduktion der CPU-Leistung auch andere Faktoren angepasst, etwa die Zeit, bis sich der Bildschirm dunkel schaltet, reduziert.

So ähnliche Lösungen sind natürlich auch am Linux-Desktop nicht neu. Was den neuen Ansatz abhebt, ist, dass es bei aktuellen Geräten – vor allem neueren Lenovo- und Dell-Laptops – zusätzlich noch einen Performance-Modus gibt, der das System ganz auf optimale Leistung ausrichtet. Gedacht ist das natürlich vor allem für Spiele. Besonders interessant ist in dem Zusammenhang, dass Programme einzelne dieser Leistungsmodi selbst gezielt anfordern können.

Zudem ist es aber auch möglich, manuell zwischen diesen drei Leistungsprofilen – Performance, Balanced und Power Saver – zu wechseln. Das geht nicht nur über die Systemeinstellungen, im Statusmenü des Desktops gibt es ebenfalls eine entsprechende Auswahl zum Schnellzugriff.

Softwarezentrale

GNOME-Software wurde umgearbeitet und liefert nun allerlei Zusatzinformationen.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Große Umbauten gab es an der Softwarezentrale des Desktops – also GNOME-Software. Diese wurde optisch in weiten Teilen neu gestaltet und dabei auch gleich in mehrerlei Hinsicht erweitert. So gibt es nun eine Übersicht mit Empfehlungen und neuen Kategorien. Vor allem aber wurde die Detailansicht zu den einzelnen Programmen deutlich erweitert. Dazu gehören neben Oberflächlichkeiten wie größeren Bildern vor allem zahlreiche Zusatzinfos.

GNOME-Software informiert nun etwas darüber, wie sicher ein Programm ist. Das ist primär für Programme gedacht, die im modernen Paketformat Flatpak samt seinen Sandboxing-Funktionen ausgeliefert werden. Also wird etwa darüber informiert, ob ein Programm noch immer den alten – und unsicheren – Grafikserver von X.org verwendet oder ob Zugriffe auf alle Dateien oder das Netzwerk benötigt werden. Auch die Verfügbarkeit des Codes wird in die Überlegungen einbezogen. Dazu kommen dann noch andere Zusatzinfos wie die Installationsgröße, eine Altersbewertung oder auch die Info, ob ein Programm nur auf den Desktop ausgerichtet oder auch für mobile Geräte geeignet ist.

Performance

Das Redesign von GNOME 40 hat nicht nur vieles anders, sondern auch manches langsamer gemacht, da man grafisch aufwendige Animationen verwendet. Mit GNOME 41 nimmt man nun diverse Performance-Verbesserungen vor, die alles wieder flotter machen. Parallel dazu wurde der Code des Fenstermanagers Mutter grob aufgeräumt, was die weitere Entwicklung vereinfachen soll. Weitere Optimierungen: Der Desktop reagiert nun schneller auf Eingaben via Tastatur oder Pointer, das allerdings nur, wenn man Wayland verwendet. Besonders stark zeigt sich das bei Displays mit niedrigen Bildwiederholraten. Auch für Multitouchgesten gab es wieder einige Optimierungen, und dann gibt es noch einen neuen OpenGL-Renderer für das Toolkit GTK4, der deutlich flotter und so auch stromsparender als sein Vorgänger sein soll.

Desktop-Programme

Neuzugang im Desktop: der einfache, aber auch wenig komfortable Remote-Desktop-Client Connections.
Grafik: GNOME
GNOME Music sieht nun etwas moderner aus.
Grafik: GNOME

Ein weiterer fixer Bestandteil jeder neuen Version sind Detailverbesserungen bei den zum Desktop zugehörigen Programmen. Mit GNOME 41 zählt dazu, dass der Dateimanager nun endlich Support für das Erstellen von verschlüsselten ZIP-Dateien bietet. Generell wurde der Dialog zum Erstellen solcher Archive überarbeitet. Das GNOME Disk Utility kann jetzt verschlüsselte Partitionen im LUKS2-Format erstellen, der Browser Web/Epiphany kann mit verbessertem Dark-Mode-Support aufwarten und merkt sich gepinnte Tabs für den nächsten Start.

Bei GNOME Music gab es einige grafische Überarbeitungen, so wird Cover Art nun stärker in den Vordergrund gestellt, und auch das Wiedergabe-UI wurde neu gestaltet. Bei Maps werden jetzt Infos zu Lieferdiensten und Öffnungszeiten angezeigt, GNOME Calendar kann endlich ICS-Dateien manuell importieren. Ein kompletter Neuzugang im Softwarereigen des Desktops ist GNOME Connections. Dabei handelt es sich um einen simplen VNC/RDP-Client zur Remote-Desktop-Nutzung, der zuvor Bestandteil von GNOME Boxes war und für die Auslagerung etwas erweitert wurde. Boxes konzentriert sich hingegen fortan ganz auf Virtualisierungsaufgaben.

Richtlinien

Ebenfalls nicht zu vernachlässigen sind die für Entwickler relevanten Veränderungen. So gibt es mittlerweile eine neue Version der Human Interface Guidelines, an denen sich Entwickler für ihre Programme orientieren können. Generell wurde die Webseite für die GNOME-Dokumentation in den vergangenen Monaten grundlegend überarbeitet. Außerdem ist mit der libadwaita eine neue Bibliothek in Entwicklung, in die all die GNOME-spezifischen Dinge oberhalb von GTK+ ausgelagert werden – also etwa Stylesheets für Theming oder auch zusätzliche UI-Widgets. Hier gibt es bisher aber nur eine Vorversion.

Verfügbarkeit

GNOME 41 steht ab sofort in Form des Quellcodes der einzelnen Komponenten zur Verfügung. Zudem sollte die neue Version bald in die Entwicklungszweige einiger Distributionen einfließen, immerhin ist GNOME bei vielen davon die Default-Wahl. Wer sich nicht so lange gedulden will, kann mit GNOME OS ein eigenes Testsystem herunterladen, das sich etwa bequem in einer virtuellen Maschine installieren lässt und täglich den neuesten Stand der GNOME-Entwicklung als Update bekommt. (Andreas Proschofsky, 22.09.2021)