Am 2. November 2020 wurden in Wien bei einem Terroranschlag vier Personen getötet und 23 teils schwer verletzt. Die Opfer sollen nun mehr finanzielle Hilfe erhalten.

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In wenigen Wochen jährt sich der Terroranschlag von Wien zum ersten Mal. Vier Personen wurden dabei getötet, 23 zum Teil schwer verletzt, zahlreiche weitere traumatisiert und der Täter von der Polizei erschossen. Hinterbliebene und Opfer standen nach dem Anschlag mitunter auch vor finanziellen Problemen, etwa weil das Familieneinkommen weggebrochen ist oder psychische Belastungen die Berufsausübung erschwerten.

Kurze Zeit nach dem Anschlag stellte die Regierung einen eigens einzurichtenden Opferfonds für Terroropfer und Hinterbliebene in Aussicht, doch konkrete Pläne wurden lange nicht vorgelegt. In der Zwischenzeit hat die Mutter eines Todesopfers auch Amtshaftungsklage gegen die Republik eingebracht.

100.000 Euro ausbezahlt

Die Betroffenen haben zwar Anspruch auf Leistungen aus dem Verbrechensopfergesetz; diese sind aber zumeist nicht sehr hoch. Mit Stand August haben 44 Personen Schmerzensgeld erhalten, insgesamt wurden 100.000 Euro dafür aufgewendet. Das Gesetz sieht Pauschalbeträge vor, die je nach Schweregrad 2.000 bis 12.000 Euro ausmachen. Geltend gemacht werden können sowohl psychische als auch physische Schmerzen.

Nun soll es offenbar, fast ein Jahr nach dem Anschlag, doch noch finanzielle Hilfe für Opfer und Hinterbliebene über das Verbrechensopfergesetz hinaus geben, wie der "Falter" berichtete. Auch dem STANDARD liegen entsprechende Informationen vor. Demnach soll ein entsprechender Fonds eingerichtet werden. "Endlich hat die Regierung den Opfern des Attentats vom 2. November 2020 finanzielle Hilfe zugesagt. Dieser Schritt wäre zwar schon unmittelbar nach dem Anschlag nötig gewesen, aber besser spät als nie", sagte Opferanwalt Karl Newole.

Fonds über 2,2 Millionen Euro

Donnerstagmittag gab Sozialminister Wolfgang Mückstein (Grüne) gemeinsam mit Familien- und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) in einer Aussendung die Eckpunkte bekannt: Demnach wird ein Betrag von insgesamt bis zu 2,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Diese Summe könne bei Bedarf auch noch erhöht werden. Bei dem Geld handle es sich um "zusätzliche Hilfeleistungen der Opfer des Terroranschlages vom 2. November 2020". Die Möglichkeiten des Verbrechensopfergesetzes seien nicht ausreichend, daher "wurden in meinem Ressort verschiedene Optionen geprüft, um den Bedürfnissen der Opfer hier besser entsprechen zu können", teilte Sozialminister Mückstein mit.

Aus diesen zusätzlichen Mitteln könne "Opfern, die eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, eine zusätzliche Hilfeleistung zur Abgeltung der Schmerzen ausbezahlt werden", heißt es weiter in der Aussendung. Die Höhe bemesse sich nach jenen Grundsätzen, wie sie auch im Falle von Klagen vor ordentlichen Gerichten zur Anwendung kommen. Darüber hinaus sollten Bestattungs- und Überführungskosten in voller Höhe ersetzt werden.

87 Personen wandten sich an Weißen Ring

Die Abwicklung der zusätzlichen Hilfszahlungen übernimmt der Weiße Ring. Dabei steht dem Verein ein Expertengremium unter Vorsitz des ehemaligen Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes, Ronald Rohrer, zur Seite. Zum Kreis der Betroffenen gab der Weiße Ring als Anlaufstelle an, dass insgesamt 87 Menschen sich infolge der Ereignisse vom 2. November 2020 an den Verein gewandt hätten, 69 davon habe man "längerfristig begleitet".

All jene, die infolge des Terroranschlags bereits Zahlungen nach dem Verbrechensopfergesetz oder Ersatz für Bestattungskosten erhalten hätten, würden nun über die zusätzlich zur Verfügung stehenden Mittel informiert, hieß es weiter. Außerdem hat Mückstein angekündigt, die Entschädigung von Verbrechensopfern generell einer Evaluierung zu unterziehen.

Debatte über Gesetz

Zur Auslegung des Verbrechensopfergesetzes waren die Meinungen auseinandergegangen: In einem Interview in der "ZiB 2" hatte der Anwalt der Republik, Wolfgang Peschorn, Anfang Mai gesagt, dass man nichts über die Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz hinaus auszahlen könne, weil das die gesetzliche Grundlage nicht hergebe. Würde man mehr auszahlen, so wäre das "gesetzeswidrig und strafrechtlich relevant", insofern seien ihm die Hände gebunden, so Peschorn. Demnach könnte es auch zu einer Gesetzesänderung kommen, um die Auszahlung zu ermöglichen. Entsprechendes deutete Peschorn bereits damals an.

Amtshaftung offen

Dieser Rechtsauslegung widersprach der Opferanwalt Norbert Wess bereits vor einigen Monaten. Dort zeigte man sich am Donnerstag jedenfalls überrascht über die aktuellen Pläne. Wess vertritt jene Frau, die ihre Tochter beim Anschlag verloren und Amtshaftungsklage eingereicht hat. "Wir sind selbstverständlich über jede Entschädigung, die man Hinterbliebenen zukommen lässt, erfreut", sagt Wess in einer ersten Reaktion. "Neben dem menschlichen Leid sind Familien ja auch durch aufgetretene Kosten in wirklich schwierige Situationen gekommen." In die Verhandlungen eingebunden war er als Opfervertreter aber nicht.

Die Frage nach der Amtshaftung und damit nach der Schuldfrage sieht er vorerst davon nicht berührt. Der grundsätzlich Vorwurf in der Klage: Die Behörden hätten durch korrektes Handeln verhindern können, dass der Anschlag stattfindet. "Nur aufgrund unterlassener und falscher Handlungen des BVT und des LVT (...) konnte K. F. am 2.11.2020 das Attentat begehen", heißt es in der Klagsschrift. (Vanessa Gaigg, spri, 23.9.2021)