Man kennt es als "in der Zone sein", als "Runner’s High" beim Joggen oder als Zustand "müheloser Aufmerksamkeit". In der Wissenschaft hat man sich für diese Geisteszustände auf einen Begriff geeinigt: "Flow", weil sich alles so fließend anfühlt. Vor allem bei der Arbeit und beim Sport verfallen wir in diesen Fluss, vergessen unsere Umwelt – und gar uns selbst.

Hinter diesem eher abstrakten Begriff stecken acht Parameter, die den Flow charakterisieren: Erstens sind wir voll konzentriert, haben ein klares Ziel vor Augen und sofortiges Feedback durch uns selbst oder eine Führungskraft, die Aufgabe fordert uns, ist aber nicht überfordernd.

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Volle Konzentration, klares Ziel vor Augen, eine Aufgabe, die uns fordert, aber nicht überfordert: Wenn wir im Flow sind, gehen uns Dinge leicht von der Hand und machen glücklich
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Ebenso haben wir keine Angst zu scheitern, machen uns weniger Gedanken über die üblichen Alltagssorgen, auch sonstiges Grübeln rückt in den Hintergrund. Menschen im Flow haben das Gefühl der kompletten Kontrolle, gleichzeitig fällt der Sinn für Zeit im Flow weg oder sie fühlt sich verzerrt an.

Und der Antrieb, eine Tätigkeit zu machen, ist nicht die Belohnung danach, sondern die Aufgabe an sich. Letztlich, so das Konzept, verschmelzen wir mit unserer Tätigkeit, das Selbst fällt weg. Was etwas esoterisch klingt, lässt sich allerdings durch Hirnscans zeigen. Jene Region, die für die Differenzierung des Selbst zuständig ist, ist im Flow weniger aktiv.

Fördernde Flexibilität

Neu ist das Konzept keineswegs. In den Siebzigern prägte der amerikanisch-ungarische Psychologe Mihály Csíkszentmihályi den Begriff und die Theorie dahinter. Und nun, wo sich viele Unternehmen die Frage stellen, wie sie die sogenannte New Work umsetzen; welche Aufgabenprofile die Mitarbeitenden haben und ob sie dafür besser Ruhe- oder Gruppenarbeitsplätze brauchen; oder, wie die Zusammenarbeit im hybriden Office klappt, wollen manche die Arbeit nach dem Flow ausrichten. Laut Namensgeber Csíkszentmihályi sei dieser auch Grundlage für die Jobzufriedenheit.

In einer aktuellen Umfrage der Freelancer-Plattform Fiverr gab ein Drittel der befragten 1000 deutschen Büroangestellten an, dass sie einen guten Flow-Zustand erreichen, wenn sie ihre Aufgaben flexibel erledigen können. Google zum Beispiel hat die Bedeutung von Flow längst erkannt und vor Jahren ihre Büros danach ausgerichtet.

Immerhin steckt hinter dem Konzept auch ein Versprechen: Es machen sich danach nicht nur Glücksgefühle breit – die neurochemischen Abläufe im Gehirn sind kaum anders als bei manchen Drogenräuschen. Und Menschen, die häufig in den Flow kommen, sind nicht nur generell zufriedener. Sondern die Forschung vermutet auch, dass wir durch Flow in dem, was wir tun, produktiver sind und besser werden.

Produktiver arbeiten

Diese Annahmen sind allerdings eher anekdotisch belegt, weil etwa eine Verbesserung in vielen Tätigkeiten schwer messbar ist oder weil eine Produktivitätssteigerung häufig nur auf subjektiven Einschätzungen statt auf Zahlen beruht.

Das liegt wohl auch daran, dass Flow gerade in klassischen Wissens- und Kreativberufen – wo Beschäftigte einerseits komplexere Aufgaben haben, andererseits viel selbst entscheiden und meist flexibel umsetzen können – deutlich einfacher ist, Flow zu erleben als etwa am Fließband in der Fabrik, sagen Expertinnen und Experten.

Aber auch beim Sport, Computerspielen, einem Hobby oder künstlerischen Aktivitäten können wir in diesen Zustand verfallen. Laut aktueller Forschung ist die Chance auf Flow am größten, wenn wir für die Tätigkeit Neugierde und Leidenschaft empfinden – und einen Sinn darin sehen.

Fokus setzen

Doch wie kommt man nun in diesen Zustand? Grundsätzlich gilt: Erzwingen lässt sich der Flow nicht. Und ein Patentrezept gibt es auch nicht. Aber einige kleine Kniffe können den Zustand erleichtern.

Gerade die ersten Minuten bedeuten oft einen hohen Kraftaufwand. Wir müssen uns wirklich auf diese eine Sache konzentrieren und um dahin zu kommen oft auch durchbeißen. Hilfreich sei dabei, raten Expertinnen und Experten, möglichst wach und fit zu sein, dann falle es leichter, in den Fluss zu kommen. Auch regelmäßiger Sport ist offenbar günstig, weil wir dadurch besser unsere Aufmerksamkeit bündeln kann.

Alles über den Flow hören Sie auch in der Besser Leben Folge von vergangener Woche

Ebenso wird in der Forschung angenommen, dass es helfe, zu trainieren, die Aufmerksamkeit auf etwas zu richten und dort zu halten. Achtsamkeitstraining dürfte Flow also auch vereinfachen. Immerhin will man dabei in einen Zustand, in dem man möglichst wenig abgelenkt wird – eine ruhige Arbeitsatmosphäre wäre also wünschenswert.

Schwierigkeit der Aufgabe

Entscheidend ist – mitunter auch bei der Ablenkung – vor allem die Schwierigkeit der Aufgabe. Wenn sie uns frustriert weil wir sie nicht nach unseren Ansprüchen schaffen, wird es schwierig mit dem Flow. Denn dann ist das Grübeln lauter als die Fähigkeit, diese Gedanken kraft eigener Überzeugung, die Sache zu schaffen, auszublenden.

Passend zur Schwierigkeit ist es optimal, wenn wir ein persönliches Ziel haben, das nicht nur auf äußerliches Schulterklopfen abzielt. Und es sollte auch ein Ziel sein – zeigen experimentelle Forschungen aus Neuseeland –, das nicht zu spezifisch ist, sondern eher offen.

Und perfekt ist eine Tätigkeit, wo wir schon währenddessen Feedback bekommen, dass wir erfolgreich sind. Zum Beispiel, wenn man sich beim Klettern eine Route sucht, die den eigenen Fähigkeiten entspricht und man sieht einen Fortschritt zum letzten Mal.

Flow-Fähigkeit erblich

Doch nicht alle Menschen können diesen Zustand gleich gut erreichen. Einerseits kann das an der Tätigkeit liegen, andererseits aber auch an der Persönlichkeit. Studien mit Zwillingen haben gezeigt, dass die Fähigkeit, zu flowen, zu rund einem Drittel vererbbar ist.

Wer etwa sehr gewissenhaft ist, aber wenig neurotisch, kommt statistisch leichter in den Fluss. Wer permanent über sich selbst und wie andere einen sehen nachdenkt, steht sich dabei eher selbst im Weg – Selbstbewusstsein und eine gewisse Wurstigkeit dürften hier also helfen.

Aber auch Personen, die daran glauben, dass sie eine Herausforderung schaffen können und sich letztlich stolz und bestätigt fühlen, wenn sie es schaffen, sind zugänglicher für Flow. Und auch jene, die im Alltag gedanklich selten abschweifen, tun sich leichter in ihrem Tun in einen Fluss zu kommen.

Das kann schließlich auch abfärben, mitreißend wirken. Zumindest in der Musik. Psychologen konnten in einer Untersuchung nachweisen, dass umso mehr Flow Musiklehrer erlebten, desto hingebungsvoller musizierten ihre Schüler. (set, 24.9.2021)