Fair ist die Welt der Softwareentwicklung nur selten: Da hat Google in den vergangenen Jahren massive Umbauten an der Basis von Android vorgenommen, und dann folgt bei jeder neuen Version der Vorwurf, dass sich im Vergleich zum Vorgänger recht wenig getan habe. Der Grund dafür ist leicht erklärt: Die breite Masse interessiert sich herzlich wenig für strukturelle Veränderungen, wichtig ist nur, was bei den Nutzern ankommt – und das sind eben vor allem Oberflächlichkeiten. Und in dieser Hinsicht waren die Veränderungen bei Android in den vergangenen Jahren tatsächlich eher iterativer Natur. Ein Vorwurf, den man der neuesten Generation des Betriebssystems nun aber wahrlich nicht machen kann.

Material You

Mit Android 12 verpasst Google der Oberfläche seines Betriebssystems ein grundlegendes Redesign. Unter dem Namen "Material You" wurde eine neue Designsprache geschaffen, die vor allem ein Ziel hegt: Android persönlicher und damit auch "freundlicher" zu machen und so weg vom zwar sehr einheitlichen, aber auch etwas mechanischen Look des Vorgängers "Material Design" zu kommen, wie es Google selbst formuliert. Eines Vorgängers, der schon einige Jahre auf dem Buckel hat: Wurde er doch im Jahr 2014 mit Android 5 eingeführt – überstürztes Handeln kann man dem Softwarehersteller in dieser Hinsicht also schwerlich vorwerfen.

Android 12 wird deutlich bunter – und persönlicher.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Doch wie sieht das nun in der Praxis aus? Kurz gefasst: luftiger, bunter und verspielter. Kaum ein User-Interface-Element, das nicht umgestaltet wurde. Von Knöpfen über Slider bis zu den Kontextmenüs – all dem wurde nicht nur ein neuer Look verpasst: An vielerlei Stellen sind starke Abrundungen zu sehen – etwa bei Dialogfenstern. Generell ist der UI-Aufbau "großzügiger", das heißt: Es wird mehr Raum zwischen den Elementen gelassen. Das ist für die Touch-Nutzung von Vorteil, wird aber auch so manchen Fan einer hohen Informationsdichte verärgert zurücklassen.

Die Bewegung macht den Unterschied aus

Zur vollen Entfaltung kommt das Ganze dann aber erst in Bewegung, allerorten gibt es neue Animationen, die die Übergänge zwischen verschiedenen Vorgängen visualisieren. Die Detailliebe ist beachtlich, wie sich am besten anhand von Beispielen beschreiben lässt. Tippt man auf die – natürlich ebenfalls neu gestaltete – Zahleneingabe, transformiert sich der an sich runde Knopf zunächst kurz in ein Rechteck, bevor es zurück auf die runde Form geht und die Farbe wechselt.

Ein anderes Beispiel wäre das Schließen eines Bild-im-Bild-Videos. Nach einem Touch auf ein solches taucht unten ein großer Knopf auf, in dessen Richtung dann das Video zum Schließen gezogen werden kann. Auf dem Weg dorthin wird das Fenster immer kleiner, bis es schließlich – durch haptisches Feedback begleitet – in den Kreis des Knopfes springt. Selbst dort läuft der Clip in einer Miniform aber noch weiter, bis man dann den Finger vom Display hebt. Das mag, so einzeln herausgestellt, vernachlässigbar bis lächerlich klingen, lässt die Oberfläche aber dynamischer wirken.

Software und Hardware zusammen gedacht

Dazu kommen einige ganz neue Animationen, die nicht nur hübsch anzusehen sind, sondern auch eine stärkere Verbindung zwischen Hard- und Software symbolisieren sollen. Drückt man etwa auf den Einschaltknopf, wird der Bildschirm nicht einfach so aktiviert, stattdessen gibt es eine kurze Animation, die vom besagten Knopf ausgehend das Display nach und nach erhellt. Nutzt man stattdessen einen rückseitigen Fingerprint-Scanner zum Aufwecken, breitet sich diese Animation wiederum von dessen relativer Position auf dem Gerät aus. Ähnliches gibt es beim Aufladen: Wird ein USB-C-Kabel angehängt, folgt eine Glitzerwelle, die sich rasch vom entsprechenden Anschluss aus über den Bildschirm bewegt und so den Beginn der Aufladung symbolisiert. Bei drahtlosem Laden geht diese Bewegung dann wieder von der Mitte des Bildschirms aus.

Damit all diese neuen Animationen und Effekte bestehende Geräte nicht überfordern, hat Google übrigens zahlreiche Performance-Optimierungen am Grafiksystem von Android vorgenommen. Tatsächlich zeigt sich im Test auf einem Pixel 3a – und damit dem schwächsten Gerät, auf dem die neue Version derzeit ausprobiert werden kann – eine ähnliche bis leicht bessere Performance als beim Vorgänger.

Typografie

Was sonst noch stark auffällt: Es kommt vielerorts eine "neue" Schrift zum Einsatz, und zwar Google Sans, das für diesen Zweck erweitert und für den erweiterten Aufgabenbereich auch flexibler gemacht wurde. Überhaupt wird an einigen Orten stark auf Typografie als bestimmendes UI-Element gesetzt, also etwa auf große Überschriften. Besonders deutlich zeigt sich das bei den Systemeinstellungen, wo man jetzt durchaus gewisse Anklänge an das Windows-Phone-Design früherer Jahre erkennen darf.

Die persönliche Komponente

Doch was macht nun eigentlich das erwähnte "Persönliche" bei all dem aus? Das wäre dann im neuen Farbsystem zu finden. Anhand des Bildschirmhintergrunds wählt das Smartphone automatisch eine Palette an Highlight- und Hintergrundfarben aus – und zwar sowohl für den "Light" als auch für den "Dark Mode", also die helle und die dunkle Darstellung der Oberfläche. Die ausgewählten Farben kommen dann an vielerlei Stellen im System zum Einsatz, etwa um UI-Elemente wie Schalter aber auch einzelne Tasten bei der Google-Tastatur Gboard farblich hervorzuheben.

Für die erwähnten Aufgaben werden üblicherweise eher kräftige Farben verwendet, während der Hintergrund bei Systemeinstellungen sowie Apps, die Material You bereits unterstützen, nur leicht eingefärbt wird. Für alle, die besondere Lust auf Abwechslung hegen, ein kleiner Tipp: Wer das Hintergrundbild automatisch wechseln lässt, der bekommt durch dieses System natürlich auch regelmäßig einen neuen Look für die Oberfläche.

Aus jedem Hintergrundbild werden mehrere Farbpaletten erstellt, die dann quer durchs System – und alle Apps, die "Material You" nutzen – zum Einsatz kommen. Die Nutzer können dabei meist zwischen mehreren Optionen wählen. Zu jeder Palette gehören auch passende Farben für den Dark Mode.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Was passiert jetzt, wenn man die automatisch gewählten Farben nicht mag? Nun: Einerseits ist es möglich, das entsprechende Feature zu deaktivieren und stattdessen klassisch aus fixen Highlight-Farben zu wählen. Die Nuancen des neuen Systems gehen dann natürlich verloren. Zudem werden aber für jedes Hintergrundbild – meist – mehrere unterschiedliche Paletten angeboten, aus denen man selbst wählen kann – also je nachdem, ob man es lieber dezenter oder doch farblich ein bisschen knalliger haben will.

All diese Farben werden dabei laut Google automatisch in Hinblick auf einen optimalen Kontrast gewählt. Das funktioniert in der Praxis tatsächlich überraschend gut, manchmal gibt es an einzelnen Stellen dann aber doch leichte Probleme. Dabei könnte es sich aber schlicht auch noch um verbliebene Fehler handeln, die mit späteren Versionen – oder App-Updates – bereinigt werden.

Der Pixel-Faktor

Dann wäre da aber noch eine kleine, aber nicht ganz unwichtige Einschränkung: Diese automatische Farbwahl anhand des Hintergrundbilds ist derzeit noch Pixel-Smartphones von Google selbst vorbehalten. Anderen Herstellern steht natürlich frei, etwas Ähnliches zu implementieren – ob sie das auch tun, muss sich aber natürlich erst zeigen. Erste Android-12-basierte Testversionen von Samsung und Realme zeigen jedenfalls keine Ambitionen in diese Richtung. Das kann sich aber natürlich bis zum fertigen Update noch ändern – oder auch in späteren Versionen folgen. Allerdings gibt es ohnehin Hinweise darauf, dass diese Exklusivität nicht allzu lange aufrechterhalten bleiben soll und dass dieses intern bei Google "Monet" genannte Farbsystem bereits innerhalb der kommenden Monate für alle öffentlich verfügbar sein soll.

Der Homescreen mit einigen Google-Apps sowohl ohne als auch mit Themed Icons. Dieser reduzierte Look passt sich nicht nur automatisch an die gewählte Highlightfarbe an, sondern auch an den Dark Mode.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Apropos Pixel-exklusiv: Wer den "Material You"-Look noch weiter verstärken will, für den gibt es im Pixel Launcher die Möglichkeit, sogenannte "Themed Icons" zu verwenden. Dabei wird dann der Look der Icons auf simple Outlines reduziert, der Hintergrund entspricht der aktuell gewählten Highlight-Farbe des Systems. Das sieht (Achtung: Geschmackssache!) gut aus, hat aber ein klitzekleines Problem: Bisher hat Google keine Dokumentation dazu veröffentlicht, wie Apps solche alternativen Icons anbieten können. Das führt dazu, dass bisher nur Google-Programme eine solche Option anbieten – die dafür aber wenigstens recht umfassend, was bei Google ja auch nicht immer eine Selbstverständlichkeit ist.

Zudem wird in diesem Modus sogar das Google-Icon in der Suchbox optisch nach der aktuellen Farbpalette angepasst, und präsentiert sich so etwas dezenter – was allein schon ein Grund sein könnte, diesen Schalter zu betätigen. In Summe sind die "Themed Icons" im aktuellen Status zwar eine nette Idee – aber auch nicht viel mehr. Immerhin benutzt wohl so ziemlich jeder Apps jenseits des Google-Universum. Da ist dann der klassische Modus ansprechender als die reduzierte, aber ziemlich inkonsistente Darstellung.

Google geht voran

Zumindest gibt es in dieser Hinsicht Hoffnung auf Besserung – will Google doch in naher Zukunft umfassende Richtlinien zur Nutzung von "Material You" veröffentlichen. Immerhin handelt es sich dabei eben nicht bloß um einen neuen Look, sondern um ein gesamtes Designsystem. Eines, das noch dazu zwar auf Android sein Debüt gibt, aber nicht auf dieses beschränkt bleiben soll. Der Softwarehersteller hat bereits angekündigt, dass "Material You" künftig auf all den eigenen Geräten und Services zum Einsatz kommen soll, von der Smartwatch über den Nest-Lautsprecher bis zum Chromebook und Android TV.

Die Flexibilität war angesichts dieser großen Spannweite an Formfaktoren denn auch beim Entwurf von "Material You" ein zentrales Ziel, betont das Unternehmen. Das ist aber alles noch Zukunftsmusik – wann "Material You" quer durch alle Produktgruppen von Google verwendet wird, lässt man offen.

Einige der bereits vollständig angepassten Google-Apps. Von links: Gmail, Taschenrechner, Uhr und Kamera. Wie stark sich die gewählten Farb-Highlights auf den Look auswirken, variiert dabei stark.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Zumindest eine gute Nachricht gibt es: Tatsächlich hat Google zeitgerecht zur Veröffentlichung von Android 12 einige der eigenen Apps im Sinne von "Material You" umgestaltet. Zugegeben wirken viele davon nur minimal überarbeitet, nur einzelne wie Taschenrechner oder Uhr wurden in diesem Zuge gleich gröber neu gestaltet. Auch ist auffällig, dass die meisten dieser Redesigns erst wenige Tage vor dem Release fertig wurden, was nahelegt, dass es mit dem Zeitplan ziemlich eng wurde.

Dazu passt dann, dass bei einigen der Google Apps der neue Look noch halbfertig wirkt. Trotzdem ist das schon mal ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zu früheren Jahren. Nach der Vorstellung von "Material Design" dauerte es Jahre, bis sämtliche Google-Apps entsprechend angepasst wurden.

Lockscreen und mehr

Kommen wir noch zu einigen der zentralen Systemkomponenten: Dem Lockscreen wurde natürlich ebenfalls ein neues Aussehen verpasst. Im Zentrum steht dabei groß die Uhrzeit, die natürlich in einer der Highlight-Farben dargestellt wird. Sind Benachrichtigungen vorhanden, macht die Uhr Platz für deren Darstellung und wird verkleinert. Datum und Wetteranzeige wurden hingegen gleich generell nach links oben verschoben.

Derselbe grundlegende Aufbau wird übrigens auch beim stromsparenden Always-On-Display verwendet. Weckt man den Bildschirm auf, gibt es wieder eine der besagten, nett gemachten Animationen. In diesem Fall eine, bei der die Schrift dicker und der Inhalt eingefärbt wird.

Der Lockscreen in unterschiedlichen Farben, einmal mit und einmal ohne Benachrichtigungen.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Ebenfalls neu gestaltet wurde der sogenannte "Overscroll Effekt", mit dem signalisiert wird, wenn die Nutzer beim Scrollen am Ende angelangt sind. Dabei wird nun die gesamte Darstellung leicht auseinandergezogen. Lässt man los, springt die Anzeige dann zurück. Dieser Effekt kommt künftig von Haus aus für alle Apps zum Einsatz, was auch heißt: Entwickler sollten überprüfen, ob das in ihren Programmen alles korrekt funktioniert.

Bereits erwähnt wurde der optische Umbau der Systemeinstellungen. Dieser geht zusätzlich mit einer leichten Reorganisation einher. Die Benachrichtigungseinstellungen haben einen eigenen Punkt im Hauptmenü erhalten, bei anderen Kategorien wurden Einträge neu sortiert. Negativ fällt dabei auf, dass die "Screen-on Time", also wie lange der Bildschirm seit der letzten vollen Ladung benutzt wurde, nun etwas versteckt ist. Wer diese sucht, findet sie nun unter der aktuellen Akkunutzung, aber eben nur, wenn man extra den Punkt "Systemnutzung" aufklappt. Dort steht dann unter dem Eintrag "Bildschirm" der entsprechende Wert.

Allerdings gibt es hier eine entscheidende Beschränkung: Es wird nun generell nur mehr die Akkunutzung der vergangenen 24 Stunden angezeigt und nicht jene seit der letzten vollen Ladung – was diese Statistik deutlich weniger hilfreich macht. Zumindest wurde der Zugriff auf besagte Statistik zur Akkunutzung einzelner Apps generell jetzt prominenter platziert – was in der Gesamtbetrachtung jedoch nur ein schwacher Trost ist.

Neuer Look für die Schnelleinstellungen

Zu den größten visuellen Änderungen in Android 12 gehört die Umgestaltung der Schnelleinstellungen, die über einen Swipe vom oberen Bildschirmrand aufgerufen werden können. Statt kleiner runder Knöpfe gibt es nun große Schaltflächen, die in der gewählten Highlight-Farbe angezeigt werden. Das braucht natürlich wieder mehr Platz, und führt auch dazu, dass auf den ersten Blick nur mehr vier statt sechs Optionen zur Schnellauswahl stehen. Zieht man den Dialog wie gewohnt weiter nach unten, um ihn auszubreiten, werden es dann aber immerhin acht. Auf weitere Seiten mit entsprechenden Schaltern kommt man dann – ebenfalls wie gewohnt – durch seitliche Swipe-Bewegungen.

Die neuen Schnelleinstellungen ein- und ausgeklappt im direkten Vergleich zum Look von Android 11.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Der gewählte Aufbau führt dazu, dass die Highlight-Farben an dieser Stelle so deutlich wie nirgendwo sonst zum Ausdruck kommen. Diesen Eindruck verstärkt noch, dass hier nun immer ein dunkler Hintergrund verwendet wird. Zudem ist bei den Schnelleinstellungen besonders gut zu sehen, wie viel dicker nun so mancher Regler – etwa jener für die Bildschirmhelligkeit – im "Material You"-Design ausfällt. Negativ fällt auf, dass mancher Text in diesen Schaltflächen zu lang ist – vor allem bei deutschen Spracheinstellungen. Dieser wird dann als Laufschrift dargestellt, also die gesamte Zeit seitlich gescrollt, was unerfreuliche Erinnerungen an das World Wide Web in seinen Frühjahren wach werden lässt.

Neu bei den Schnelleinstellungen ist sonst noch, dass WLAN und Mobilfunk in einer Schaltfläche namens "Internet" zusammengefasst wurden. Ein Druck darauf blendet dann am unteren Bildschirmrand einen Dialog ein, über den wieder einzeln diese Punkte aktiviert oder deaktiviert werden können; auch der Wechsel auf ein anderes drahtloses Netzwerk kann dort schnell vorgenommen werden.

Feinschliff bei Benachrichtigungen

Die Benachrichtigungen wurden ebenfalls optisch überarbeitet.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Wer Schnelleinstellungen sagt, der muss auch Benachrichtigungen sagen, immerhin residieren diese bei Android traditionell direkt untereinander, und daran ändert sich auch mit Android 12 nichts. Optisch wurden aber auch die Notifications einmal mehr angepasst und wirken nun weniger gedrängt. Werden mehrere Benachrichtigungen unter einem Eintrag zusammengefasst, dann wird rechts oben nun die passende Anzahl dargestellt – in der gewählten Highlight-Farbe, versteht sich. Besonders erfreulich ist, dass bei vielen Apps der Übergang von der Benachrichtigung zur zugehörigen App dank neuer Optimierungen in Android 12 schneller vonstatten geht.

Für etwas Verblüffung sorgt Google mit einem anderen Redesign: Baut man doch ausgerechnet jenes Menü, das bei einem Langdruck auf den Einschaltknopf aufgerufen wird und das erst im Vorjahr komplett neu gestaltet wurde, erneut um. Wie dem auch sei: Es heißt zurück zu den Basics – die Gerätekontrollen und der Wallet-Zugriff, die in Android 11 hinzugekommen sind, sind also wieder Geschichte. Also zumindest an dieser Stelle, die entsprechende Funktionalität ist nun nämlich über neue Schaltflächen in den Schnelleinstellungen zu erreichen.

Alternativ gibt es direkt am Lockscreen Knöpfe, über die Gerätekontrollen und Wallet ebenfalls aufgerufen werden können. Das erweist sich zwar als ähnlich flott, trotzdem ist es ärgerlich, dass Google dermaßen grundlegende Umbauten in so schneller Abfolge vornimmt. Anders gesagt: Das Redesign bei Android 11 hätte man sich in der Retrospektive besser erspart.

Das Umdenken dürfte dabei übrigens mit einem ganz anderen Thema zu tun haben: Soll doch in Zukunft bei einem Langdruck auf den Einschaltknopf der Google Assistant aufgerufen werden – ähnlich wie es Apple und Samsung bei ihren Geräten mit den eigenen digitalen Assistenten schon jetzt machen. Das Abschalten funktioniert dann stattdessen über einen neuen Knopf unterhalb der Schnelleinstellungen. Die gute Nachricht: Bisher ist das optional und von Haus aus auch deaktiviert.

Widgets

Mit iOS 14 kam etwas, womit selbst so manch eingeschworener Apple-Fan nicht mehr gerechnet hatte: Nach langen Jahren der Verweigerung gibt es seitdem auch am iPhone Widgets. Das führte in der Android-Welt zu einem gewissen Amüsement – gibt es bei Googles Betriebssystem doch schon seit vielen Jahren ein solches System. Das Lachen war aber nur ein kurzes – zeigte doch Apples Engagement auch, wie sehr Widgets unter Android über die Jahre vernachlässigt wurden.

Die neuen Widgets passen sich nicht nur in ihrer Form (Bilder 1–3 zeigen das neue Google-Drive-Widget), sondern auch in ihrer Farbe automatisch an. Und zwar anhand des direkt darunter liegenden Teils des Bildschirmhintergrunds, wie in Bild 4 gut zu sehen ist.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Mit Android 12 versucht Google nun einen Neustart: Das Widget-System wird also generalüberholt, zu neuen Möglichkeiten für Entwickler gesellt sich ein frischer Look. So sind auch hier die Ecken nun abgerundet, Layouts passen sich von Haus aus adaptiv an die von den Nutzern gewählte Größe an, dazu kommen vorgefertigte Elemente für Schalter oder Checklist-Einträge und natürlich ein sanft animierter Übergang beim Aufruf der zugehörigen App.

Natürlich werden auch die bereits oftmals zitierten Highlight-Farben verwendet, wobei Google für Widgets sogar noch einen Schritt weiter geht. Passen sich deren Farben doch nicht einfach allgemein an das Wallpaper an, sondern an den Bereich direkt darunter. Heißt: Wer das Widget am Homescreen herumschiebt, der bekommt auch unterschiedliche Farbkombinationen – je nach Position

Alles schön und gut, entscheidend wird aber bleiben, ob Google dafür auch Drittentwickler begeistern kann. Zumindest geht Google mit – halbwegs – gutem Beispiel voran. Mittlerweile gibt es zumindest für die wichtigsten Google-Apps neu gestaltete Widgets im Android-12-Stil, die sowohl optisch als auch funktional einen Fortschritt zu ihren lange vor sich hin rottenden Vorgängern darstellen. Auffällig ist dabei vor allem Googles neue Liebe zu außergewöhnlichen Formen.

Splash!

Hegte die Android-Welt noch vor nicht allzu langer Zeit eine gewisse Abneigung gegen Splash-Screens, werden diese künftig universell eingesetzt. Mit Android 12 werden nun bei allen App-Neustarts entsprechende Grafiken angezeigt, um den Übergang vom Klick auf das Icon bis zur eigentlichen App zu überbrücken. Von Haus aus wird dafür das zugehörige Icon genutzt, das mit einer Animation in den Splash Screen übergeführt wird.

App-Entwickler können die Animation aber auch nach eigenen Vorstellungen anpassen, wenn sie lieber einen individuellen Übergang hätten. Wie bereits angedeutet wird diese Zwischengrafik nur dann angezeigt, wenn die App noch nicht im Speicher liegt, also "kalt" gestartet wird. Ist sie bereits vorhanden, geht der Aufruf üblicherweise so flott, dass ein Splash Screen nur irritierend wäre.

Universelle Suche

Die universelle Suche findet sich oberhalb des App Launchers. Sie bietet neben dem Zugriff auf Kontakte auch eine direkte Anbindung an einzelne App-Features oder auch Einstellungen
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Jedes offiziell von Google abgesegnete Smartphone muss auch ein entsprechendes Suchfeld auf dem Homescreen platzieren – so schreiben es die offiziellen Regeln rund um die Lizenzierung von Android-Geräten vor. Mit Android 12 führt Google nun aber einen zweiten Suchdienst ein, und zwar einen, der ausschließlich für lokale Inhalte am Gerät gedacht ist. Mit einer universellen Suche können nicht nur Apps oder Kontakte aufgefunden werden, einzelne Programme können auch eine tiefere Integration zulassen, um so einzelne Funktionen oder Inhalte zum Schnellzugriff zu bieten – also etwa Dokumente oder auch nur Teile davon.

Zu finden ist diese neue Suche im App Drawer, also dort wo sämtliche installierten Programm aufgelistet werden. Dort ersetzt es bei Pixel-Geräten übrigens die Google-Suche, die an dieser Stelle bislang gedoppelt wurde. Bei anderen Herstellern findet sich hier schon bislang der Zugriff auf eine lokale Suche, die aber in ihrem Umfang üblicherweise deutlich beschränkter ist. Die Google-Lösung hat zudem eine interessante Zusatzfunktion: Ist es doch möglich, beim Öffnen des App Drawers automatisch gleich auf die Sucheingabe zu fokussieren und die Bildschirmtastatur einzublenden. Damit wirkt das Ganze dann wie eine Art Pendant zu auf Tastatureingabe fokussierten Schnellstartern, wie man sie bislang eher von Desktopsystemen gewohnt ist.

Da all das mit neuen Schnittstellen für Entwickler einhergeht, ist der Support für dieses Feature natürlich noch recht überschaubar. Derzeit sind es vor allem Google-Apps, die das Ganze schon unterstützen. Doch auch das beschränkt sich meist noch auf Dinge wie die direkte Verlinkung einzelner Funktionen, also etwa um einen neuen Alarm anzulegen oder eine lokal im Google Drive gecachte Datei aufzuspüren. Das Potenzial der offiziell "AppSearch" genannten Funktion ist aber groß. Immerhin handelt es sich dabei um ein vollständige lokale Suchmaschine samt Relevanzreihung und Mehrsprachenunterstützung.

Dieser Service kann übrigens auch dazu genutzt werden, um Daten App-übergreifend – und sicher – zu teilen, also etwa zuzulassen, dass eine App die Inhalte der anderen durchsuchen kann. Auch sonst ist die Datenabfrage nicht auf die erwähnte Stelle im App Drawer beschränkt, in Zukunft könnten also auch andere Dienste diesen Index für weitere Funktionen anzapfen.

Bild in Bild

Links: Der Bild-im-Bild-Modus wurde überarbeitet. Rechts: Im Task Switcher werden nun Icons über Elemente geblendet, die von dort aus direkt kopiert werden – etwa Bilder oder auch URLs aus dem Browser
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Deutliche Verbesserungen gibt es für den Bild-in-Bild-Modus, der vor allem von Video-Apps benutzt wird. Die Darstellung kann in Android 12 frei in der Größe angepasst werden, dazu gibt es eine neue Pinch-to-Zoom-Geste. Vor allem aber vergrößert das doppelte Antippen ein solches Fenster auf die maximale Breite, was sich schnell als nützlich herausstellt. Zusätzlich kann man solche Fenster nun auch zur Seite räumen, in dem man sie an den linken oder rechten Rand des Bildschirms schiebt. Sinnvoll ist das vor allem, wenn einem das Bild gerade im Weg ist, man die Wiedergabe aber nicht gleich abbrechen will. Der betreffende Inhalt wird dann nur mehr über einen dünnen Streifen am Rand angedeutet.

Interessante Detailverbesserungen gibt es ebenso beim Task Switcher, mit dem man schnell durch alle aktiv genutzten Apps navigieren kann: Bei Browserfenstern wird nun die Adresse der gerade geöffneten Seite automatisch zum Kopieren angeboten. Dazu wird ein eigener Knopf über das Geschehen gelagert. Einen ähnlichen Button gibt es auch für Bilder, die auf diesem Weg einzeln aus Apps herauskopiert werden können – selbst wenn die App das sonst nicht zulassen würde.

Google nutzt hier wieder eine lokale Bilderkennungs-KI, die automatisch über die Inhalte der jeweiligen App geht. Schon in aktuellen Versionen lassen sich auf diesem Weg Texte und Bilder aus Apps kopieren oder auch via Google Lens analysieren, insofern macht man dieses Angebot also nur deutlicher. In Summe bleibt der smarte Task Switcher von Google eines der nettesten Features, das kaum jemand kennt – auch weil es die meisten anderen Hersteller nicht übernehmen.

Handhabung

Was bei vielen Android-Smartphones schon länger gang und gäbe ist, zieht nun auch in die offizielle Android-Variante ein: Es gibt einen Einhandmodus, der – einmal aktiviert – mittels einer über dem Gestenbalken ausgeführten Wischbewegung nach unten aufgerufen wird. Dabei werden die Inhalte als Ganzes nach unten gezogen, um sie leichter erreichbar zu machen. Das ist immer nur für einzelne Aktionen gedacht, anschließend wird die Anzeige wieder auf die volle Höhe ausgedehnt. Trotzdem ist das eine sehr nützliche Angelegenheit.

Wer das hingegen nicht braucht, der kann alternativ mit derselben Geste von überall aus den Benachrichtigungsbereich öffnen. Die entsprechende Option findet sich in den Systemeinstellungen unter dem Punkt "Gesten".

Links: Der Einhandmodus schiebt das gesamte Geschehen vorübergehend nach unten. Die beiden anderen Bilder zeigen den Support für scrollende Screenshots.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Wenn wir schon beim Aufholen gegenüber Drittherstellern sind: Auch scrollbare Screenshots gibt es jetzt im offiziellen Android. Und das geht so: Nach der Aufnahme eines Bildschirmfotos gibt es eine Option, um mehr aufzunehmen. Diese öffnet einen Dialog, der den gewünschten Bereich – also über die Länge eines Bildschirms hinaus – definieren lässt. Das funktioniert meist gut, versagt derzeit aber noch bei jener App, bei der man es wohl am dringendsten brauchen könnte, nämlich Chrome.

Immerhin ist das Abspeichern ganzer Webseiten eine der interessantesten Möglichkeiten, die sich dadurch auftun. Support dafür soll aber mit einem kommenden Browser-Update nachgereicht werden. Dass eine solche Anpassung überhaupt notwendig ist, liegt übrigens daran, dass Google dieses Features "sauberer" als andere Anbieter implementiert. Während diese einfach einzelne Screenshots zusammenstückeln, nimmt die Google-Lösung wirklich den gesamten Inhalt der App-Ansicht auf einmal auf.

Intelligentes Rotieren

Eine der Stärken Googles liegt fraglos im Bereich Maschinenlernen, also bei der Integration von smarten Features. In Android 12 gibt es in dieser Hinsicht eine neue Autorotate-Funktion, die sich nicht mehr ausschließlich auf den Lagesensor verlässt. Stattdessen wird die Frontkamera genutzt, um zu sehen, wie die Nutzer gerade den Kopf halten. Das verhindert dann, dass die Darstellung sich dreht, wenn man gerade seitlich liegt und am Smartphone etwas liest – eines der nervigsten Defizite klassischer Autorotate-Ansätze.

Aber: Uhm, was war das mit der Kamera? Heißt dass, dass ich dabei die gesamte Zeit von der Frontkamera überwacht werde? Ja und nein. Denn genau für solche Aufgaben hat sich Google ein neues Konzept namens "Private Compute Core" einfallen lassen. Dabei handelt es sich um einen eigenen Hochsicherheitsbereich, der isoliert vom restlichen Android läuft und in Zukunft für solch sensible Aufgaben verwendet wird. Heißt: Dort gibt es auch keine Internetverbindung, das Android-System erfährt in dem Fall lediglich das Ergebnis der gestellten Aufgabe. Wer jetzt neugierig geworden ist und mehr zum Konzept und Aufbau des Private Compute Core wissen will, der sei auf den passenden Hintergrundartikel zu Android 12 verwiesen, in dem unter anderem diesem Thema nachgespürt wird.

Dunklere Dunkelheit

Während eines Anrufs wird nun oben in der Statuszeile die bisher vertelefonierte Zeit laufend angezeigt.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Eine weitere interessante Detailverbesserung ist ein "Extra Dim" genannter Modus, der die Darstellung am Display mithilfe eines Overlays weiter abdunkelt. Klingt zunächst widersinnig, hat aber ein nicht ganz unwichtiges Einsatzszenario: Bei vielen Smartphones ist die minimale Helligkeit für ein Lesen in einem dunklen Raum noch immer recht hoch. Mit diesem Modus kann man diese weiter reduzieren.

Ein weiteres grafisches Detail: Laufende Anrufe werden nun in der Statuszeile samt der bisher vertelefonierten Zeit dargestellt. Auch die zugehörige Benachrichtigung wurde neu gestaltet. Ebenfalls ein Redesign hat der Lautstärkeregler erhalten, auch wenn dieses nach negativem Feedback in der Betaphase schlussendlich vergleichsweise dezent ausfällt. Für Pixel-Smartphones gibt es zudem eine neue Quick-Tap-Geste, über zweifaches Antippen der Rückseite können allerlei Funktionen aufgerufen werden. Die Nutzer können das beispielsweise nutzen, um ein Bildschirmfoto zu tätigen, den Benachrichtigungsbereich aufzurufen oder auch die Musikwiedergabe zu unterbrechen – oder gleich frei eine App zum Start auswählen.

Audio und Feedback

Die Nutzungserfahrung auf einem Smartphone beschränkt sich natürlich nicht auf Optisches allein. Ein erfreulicher Fortschritt von Android 12 ist, dass nun beim Verändern des Audio-Fokus ein Crossfade vorgenommen wird, also es beim Wechsel der Tonwiedergabe einen sanften Übergang gibt, anstatt wie bisher hart zu wechseln. Vor allem für die Zukunft spannend ist die Möglichkeit für App-Entwickler, haptische Effekte – also das Vibrieren bei gewissen Aktionen – und die Audioausgabe miteinander zu koppeln. Das könnte vor allem für Spiele interessant sein.

Emojis!

Keine neue Android-Generation ohne ein Update der Emoji-Ausstattung. Android 12 bringt dabei aber ausnahmsweise keine ganz neuen Emojis, was zwei Gründe hat. Einerseits gab es das letzte Update in dieser Richtung erst vor wenigen Monaten, vor allem aber ist die neueste Version des Unicode/Emoji-Standards durch die Covid-19-Pandemie verspätet – sie ist erst vor wenigen Tagen finalisiert worden. Stattdessen wurden aber fast 1.000 bestehende Emojis umgearbeitet, um den Look zu vereinheitlichen – sowohl zwischen den eigenen Emojis als auch im Vergleich zu anderen Plattformen.

Wer auf Details achtet: Das Emoji mit Maske wurde für Android 12 freundlicher gestaltet. Die Argumentation von Google: Die Maske habe sich durch Covid-19 von einem Symbol für Krankheit zu einem für die Rücksichtnahme auf andere gewandelt.
Grafik: Google

Wer diesen Punkt im Rahmen der Android-Neuerungen hasst, für den gibt es ebenfalls gute Nachrichten: Emoji-Updates werden nämlich von großen Android-Versionssprüngen entkoppelt. Als Teil der Play Services sollen sie also künftig auf sämtlichen Android-Geräten mit Google-Diensten laufend aktuell gehalten werden. Damit das klappt, müssen sich zwar die betreffenden Apps noch der zugehörigen Kompatibilitätsbibliotheken (AppCompat) bedienen, aber das wird schon werden.

Viel Neues für die Privatsphäre

Ein zweiter Schwerpunkt von Android 12 ist der Bereich Privatsphäre – oder genauer gesagt: Verbesserungen für diese. Da dieses Thema aber an anderer Stelle bereits ausführlich abgehandelt wurde, gibt es im Folgenden nur einen raschen Überblick. Das unumstrittene Highlight ist dabei die Einführung des sogenannten Privatsphären-Dashboards. Über die Systemeinstellungen erreichbar wird darin haarklein verzeichnet, wie oft welche App auf sensible Berechtigungen wie Standort, Mikrofon oder Kamera zugegriffen hat.

Wer will, kann sich bei den erwähnten Berechtigungen sogar eine Zeitlinie anzeigen lassen, die den genauen Ablauf der vergangenen 24 Stunden darstellt. Das geht mit allen Apps, und zwar ohne Ausnahme. Und wer will, kann sich sogar die diesbezüglichen Aktivitäten der Systemdienste anzeigen lassen.

Bei anderen Berechtigungen wie Storage, Kalender oder Kontakte gibt es zwar keine solche Zeitlinie, aber zumindest wird ausgewiesen, welche Apps innerhalb des vergangenen Tages darauf zugegriffen haben. In Summe ist das Privatsphären-Dashboard also ein großer Fortschritt in Sachen Transparenz – können doch die Nutzer auf diesem Weg schnell schauen, welche Apps wirklich regelmäßig sensible Informationen wollen, und wenn ihnen etwas verdächtig vorkommt, die entsprechende Berechtigung (wieder) entziehen.

Das Privacy Dashboard samt der Timeline zweier sensibler Berechtigungen. Bei der Standortberechtigung wurde zudem die optionale Möglichkeit gewählt, auch die Systemdienste anzuzeigen – womit sich reichlich Anfragen ergeben, was vor allem an aktivierter Location History und der Nutzung von Google Fit liegt. Ganz rechts: Kamera und Mikrofon können nun komplett deaktiviert werden, die Apps bekommen dann leere Daten, können aber gezielt nach einer Aktivierung fragen.
Screenshots: Proschofsky / STANDARD

Mikrofon- und Kamera-Blockade

Rund um den Zugriff auf Mikrofon und Kamera gibt es noch zwei weitere Schutzmaßnahmen. So wird nun in der Statuszeile angezeigt, wenn eine App auf diese Ressourcen zugreift – oder gerade eben zugegriffen hat. Von dort aus kann dann auch nachgesehen werden, welches Programm dafür verantwortlich war, um bei Bedarf die Berechtigungen wieder zu entziehen. Wem das nicht reicht, der kann Kamera und Mikrofon nun auch systemweit deaktivieren. Dazu passend gibt es neue Einträge in den Schnelleinstellungen.

Bei aktiver Nutzung der Kamera wird das nun in der Statuszeile symbolisiert. Kurz über die zu sehenden großen Icons, danach nur über einen kleinen grünen Punkt. Zieht man dann die Schnellbenachrichtigungen herab, gibt es wieder die vollen Icons, von wo aus wiederum überprüft werden kann, welche App dafür verantwortlich ist.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD
Bei der Vergabe der Standortberechtigung können die Nutzer nun selbst bestimmen, wie genau die Daten sein sollen.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Dann wäre da noch die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, wie genau jene Standortinformationen sein sollen, die einer App geliefert werden – also ob "grob" oder doch "exakt". Ist es doch in der Realität so, dass viele Programme nur eine ungefähre Verortung der Nutzer brauchen, aber eine exakte anfragen – und so viel zu viele sensible Daten erhalten. Genau das will Google unterbinden – immerhin lassen sich exakte Standortdaten auch dazu nutzen, um Bewegungsmuster zu erstellen. Generell sollte man einen exakten Zugriff auf den Standort nur jenen Apps erlauben, die diesen für ihre Funktionalität auch wirklich benötigen – etwa Fitness-Tracker oder Navigations-Apps.

Werbetracking

Mit der "App Tracking Transparency" hat Apple vor einigen Monaten bei iOS ein System eingeführt, durch das Entwickler vorab die Genehmigung der Nutzer einholen müssen, wenn sie diese App-übergreifend tracken wollen. Ein direktes Pendant dazu gibt es in Android zwar bisher nicht– wer diese Form des Trackings generell unterbinden will, kann das aber nun auch unter Googles Betriebssystem: In den Privatsphäreneinstellungen gibt es einen Punkt, mit dem jene Android-Werbe-ID, die jedem Nutzer zugeordnet ist, komplett gelöscht werden kann. In Folge bekommen dann sämtliche Apps, die diese ID anfragen, einen leeren Wert – der für das Tracking also untauglich ist.

Eine Anmerkung: Derzeit klappt das tatsächlich nur bei Geräten mit Android 12 – über die kommenden Monate soll die Entfernung der "Advertising ID" aber auch bei Smartphones mit älteren Android-Versionen angeboten werden.

Games

Für Spieler von Interesse: Mit Android 12 wird ein zentrales "Games Dashboard" eingeführt. Dieses erlaubt das Starten eines Livestreams ebenso wie die Wahl zwischen verschiedenen Performanceprofilen und Detaileinstellungen. Auf diese Weise können die Nutzer dann künftig selbst auswählen, ob sie die optimale Performance haben wollen oder doch lieber mehr Wert auf die Akkulaufzeit legen.

Damit all das klappt, müssen Spieleentwickler die zugehörigen Schnittstellen aber erst aktiv nutzen, es wird also noch etwas dauern, bis dieses Feature weit verbreitet ist. Zudem soll das Games Dashboard zunächst nur bei ausgewählten High-End-Smartphones angeboten werden. Ähnliche Features kennt man übrigens schon von Spiele-Smartphones. Mit der neuen Softwareversion wird dies aber nun vereinheitlicht.

Ebenfalls Android 12 setzt ein weiteres neues Feature im Play Store voraus. Künftig können Games noch während des Downloads gestartet werden. "Play as you Download" nennt sich das sinnigerweise, und es sollte vor allem bei großen Spielen und langsamen Internetanbindungen von Vorteil sein.

Das Smartphone als Autoschlüssel

Ebenfalls vorerst nur für ausgewählte Smartphones ist eine weitere Neuerung: Android-Smartphones können künftig den Autoschlüssel ersetzen. Bei der Vorstellung hat Google explizit BMW als Partner genannt; der dahinterstehende Standard, der auch von Apple benutzt wird, ist aber ebenso bekannt wie der Umstand, dass auch andere Autohersteller diesen unterstützen wollen.

In diesem Fall hat die Beschränkung auf einzelne Geräte zumindest einen technischen Grund: Wird dafür doch primär UWB-(Ultraweitband)-Support benötigt, den derzeit vor allem aktuelle Samsung-Smartphones bieten. Googles kommendes Pixel 6 soll ebenfalls einen solchen Chip aufweisen. Generell wird von dem Standard allerdings auch das Aufsperren via NFC unterstützt.

Mit den Augen steuern

Im Bereich Barrierefreiheit hat Android in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gemacht. Mit Android 12 gesellt sich ein weiterer hinzu. Etwas versteckt in den diesbezüglichen Einstellungen gibt es einen Punkt, der sich "Switch Access" nennt und in dem wiederum ein spannendes Feature verborgen ist: Kann man dort doch das Smartphone so konfigurieren, dass es mit Augenbewegungen gesteuert werden kann. Dafür kommt natürlich die Frontkamera zum Einsatz. Was mit welcher Augenbewegung ausgelöst wird – etwa Scrollen oder Weitergehen –, lässt sich frei konfigurieren.

Optimierungen und mehr

Auch bei den Easter Eggs steht natürlich "Material You" und sein Farbsystem im Vordergrund.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Bleiben noch ein paar kleinere Punkte im Schnelldurchlauf: Dank zahlreicher Optimierungen quer durchs System soll Android 12 generell etwas flotter, aber auch sparsamer sein. Besonders stark soll sich das bei schwächeren Geräten bemerkbar machen. Die Dialoge zum Einrichten eines neuen Smartphones wurden ebenfalls nach den "Material You"-Richtlinien neu gestaltet. Die Speicherplatzverwaltung zeigt nun den Inhalt des systemweiten Müllkorbs ein, der mit der Vorgängerversion unter Android eingeführt wurde, aber bislang weitgehend versteckt agierte. Ein passendes Update für Android TV ist übrigens auch in Entwicklung, dieses kann unter anderem mit 4K-Support für das User-Interface aufwarten.

Natürlich darf auch ein neues Easter Egg für Android 12 nicht fehlen, das passenderweise die gewählten "Material You"-Farben ganz in den Vordergrund stellt. Doch es gibt dazu noch ein nettes Extra. Ist das Easter Egg einmal aktiviert, steht nämlich auch ein zusätzliches Widget zur Verfügung. Über dieses lässt sich dann die gesamte Farbpalette, die das System aus dem Bildschirmhintergrund extrahiert hat, anzeigen.

Einen offiziellen Codenamen tragen neue Android-Releases ja schon einige Versionen lang nicht mehr, aber wer nicht ganz darauf verzichten will, dem sei verraten: Intern bezeichnen die Google-Entwickler Android 12 als "Snow Cone".

Viel, viel mehr

Ist das alles? Nein, wir kratzen hier nur an der Oberfläche – und das wörtlich. Sämtliche Änderungen "unter der Haube" wurden bereits in einem eigenen Artikel ausführlich abgehandelt. Wer also mehr zu Sicherheit, Privatsphäre, neuen Schnittstellen für Entwickler sowie strukturellen Verbesserungen wissen will und dabei nicht vor Begriffen wie "Generic Kernel Image" zurückschreckt, der sei auf den entsprechenden Hintergrundbericht zu Android 12 verwiesen. Und um noch ein bisschen mehr Appetit darauf zu machen: Dort hat sich dieses Mal wirklich eine ganze Menge getan.

Stabilitätsfragen

Eine große Frage vor jedem großen Update ist immer: Wie stabil läuft das Ganze? Und gerade in diesem Fall ist diese Frage durchaus berechtigt. Der Verlauf der Betaphase war nämlich von einer ungewöhnlichen Fülle an Bugs gekennzeichnet. Dass so manches neue Feature und auch viele der App-Redesigns erst sehr knapp vor der stabilen Version fertig wurden, darf in dieser Hinsicht ebenfalls Sorgen bereiten. Auf den Testgeräten läuft die neue Version mittlerweile aber trotzdem stabil, größere Fehler sind zuletzt nicht mehr aufgetaucht.

Was noch verblieben ist, sind diverse oberflächliche Bugs, etwa visuelle Inkonsistenzen in einzelnen Apps oder auch gelegentliche Fehler beim Wechsel auf eine neue Farbpalette, diese sind aber verschmerzbar. Freilich muss dieser positive Eindruck gleich wieder relativiert werden. Immerhin hängt all das immer auch stark davon ab, welche Programme installiert sind, welche Dienste genutzt werden. Oft sind es einzelne Apps, die nach einem großen Update unerwartete Probleme auslösen.

Angesichts dieser doch etwas unsicheren Ausgangslage mag es sich für manche empfehlen, mit dem Update noch ein bisschen zuzuwarten, um zu sehen, welche im Verlauf der Beta nicht gefundenen Probleme sich bei anderen Usern auftun.

Android 12.1 dürfte bald folgen

Bleibt noch ein kurzer Blick in die Zukunft: Gibt es doch mittlerweile eine Fülle an Belegen dafür, dass Google parallel zu Android 12 an einer weiteren Version seines Betriebssystem gearbeitet hat. Android 12.1 könnte demnach schon in wenigen Monaten erhältlich sein und noch einmal einen Schub an neuen Funktionen und Schnittstellen für Entwickler bringen. Das ist deswegen ungewöhnlich, da Google solche auch für App-Entwickler relevanten Updates sonst nur im Jahresrhythmus vornimmt.

Grund für diese ungewohnte Parallelität dürfte dabei sein, dass Android 12.1 primär für eine Gerätekategorie gedacht ist, die Google bisher – noch – nicht selbst abdeckt: faltbare Smartphones. So soll die nächste Version etwa neue Funktionen wie ein fixes Dock sowie Optimierungen für die parallele Nutzung mehrere Apps aufweisen. Dass Google dem Vernehmen nach an einem ebensolchen Gerät arbeitet, ist dabei wohl kaum ein Zufall. Von solchen Verbesserungen könnten aber natürlich auch die Nutzer anderer Android-Geräte mit größeren Bildschirmen profitieren – allen voran die von Google lange vernachlässigten Tablets.

Fazit

Machen wir es kurz: Android 12 ist das größte Update für Googles Betriebssystem seit langem. Dafür sorgt alleine schon "Material You" und damit das erste umfassende Redesign seit sieben Jahren. Nun kann man das natürlich mit dem Hinweis abtun, dass es sich dabei "bloß" um Oberflächlichkeiten handelt, die funktionell wenig ändern. Die Realität ist aber, dass genau das jene Dinge sind, die für die breite Masse zählen: der Look, das damit verbundene Gefühl bei der Nutzung. Zudem sind diese viel gescholtenen Oberflächlichkeiten immer ein wichtiger Bestandteil von Design, von Moden, wie sie alle Alltagsobjekte begleiten – vom Sessel über Kleidung und Auto bis eben auch zur Smartphone-Software.

Unter diesem Aspekt ist "Material You" ein voller Erfolg. Die konkrete optische Ausformung ist natürlich immer Geschmacksache, doch das Gesamtkonzept ist wohldurchdacht und mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Vor allem aber fügt Google mit den automatisch gewählten Farbhighlights dem gesamten System eine interessante persönliche Note hinzu. Dass manches davon noch nicht ganz fertig wirkt, mag aktuell ärgerlich sein, langfristig ist es aber nebensächlich. Und zumindest hat sich Google dieses Mal bemüht, wenigstens seine wichtigsten Apps zeitgerecht anzupassen – das war ja in der Vergangenheit auch nicht immer so.

Android 12 ist gut geworden.
Foto: Proschofsky / STANDARD

Gleichzeitig lässt sich aber auch nicht leugnen: Das, was Google hier abliefert, ist immer stärker ein Google-Android – oder wenn man lieber will: ein Pixel-Android. Mit dem automatischen Farbsystem behält man einen zentralen Punkt von "Material You" zunächst den eigenen Geräten vor. Doch auch sonst muss sich erst zeigen, ob andere Hersteller den neuen Designideen von Google folgen werden. Das ändert aber nichts daran, dass "Material You" für alle Android-Geräte relevant ist, alleine schon deswegen, weil sich unter den am meisten genutzten Android-Apps üblicherweise zahlreiche von Google selbst finden. Zudem zeigt die Erfahrung, dass die Design-Richtlinien des Android-Herstellers gerne auch von anderen App-Entwicklern übernommen werden.

Ein weiteres Highlight von Android 12 – und eines, von dem wirklich die Geräte sämtlicher Hersteller profitieren – sind die zahlreichen Verschärfungen im Bereich Privatsphäre. Bieten sie den Nutzern doch nicht zuletzt einen besseren Einblick darin, was Apps auf ihrem Smartphone so alles an Daten sammeln. Das hilft wiederum bei der Entscheidung, welche Programme man nutzen will – und von welchen man künftig besser die Finger lässt. In Fragen Transparenz ist das also ein großer Schritt.

Veröffentlichung nur im Quellcode

Android 12 ist ab sofort verfügbar – und auch wieder nicht. Beschreitet Google doch dieses Mal ungewöhnliche Wege bei der Veröffentlichung. Die neue Version wurde nämlich vorerst nur im Quellcode freigegeben. Selbst die Nutzer von Googles eigenen Pixel-Smartphones müssen sich noch etwas gedulden, das entsprechende Update soll erst "in einigen Wochen" erscheinen. Einen Grund für diese ungewöhnliche Trennung nennt der Softwarehersteller nicht. Denkbar ist aber, dass man sich noch etwas Zeit geben wollte, um mehr der eigenen Apps für "Material You" anzupassen.

Der Test basiert insofern noch auf der Beta 5. Sollte sich bis zur Verfügbarkeit der Updates für Pixel-Smartphones noch etwas Substantielles ändern, werden die zugehörigen Passagen aktualisiert. Wer bis dahin nicht mehr warten will, der kann auf unterstützten Pixel-Smartphone – ab dem Pixel 3 – dem Beta-Programm beitreten. Die neue Version kommt dann automatisch als Update an das eigene Gerät. Bei deren Verfügbarkeit folgt dann auch wieder ein Update auf die stabile Version von Android 12 für die Pixel-Geräte.

Ausblick

Die Freigabe des Quellcodes bedeutet aber auch, dass nun Dritthersteller sowie Community-Projekte gleichermaßen damit beginnen können, ihre Updates auf die finale Version zu schmieden. Wann dies in passende Downloads mündet, lässt sich wie immer ebenso schwer sagen wie, welcher Hersteller wie viele der erwähnten Änderungen in die eigenen Varianten von Android 12 übernimmt. Aber es ist ja ohnehin bekannt, welche Anbieter gerne alles ummodeln und welche eher dem Google-Vorbild folgen.

Erfreulich ist jedenfalls, dass heuer eine ganze Reihe von Herstellern eigene Betaversionen parallel zu jenen von Google für einzelne ihrer Geräte veröffentlicht haben. So hat selbst Samsung bereits mit den öffentlichen Tests für sein Android-12-basiertes OneUI 4 begonnen. Das nährt die – zugegeben zarte – Hoffnung, dass es dieses Mal ein bisschen schneller mit den großen Updates gehen könnte. In der offiziellen Ankündigung ist jedenfalls die Rede davon, dass noch dieses Jahr die ersten Geräte von Firmen wie Samsung, OnePlus, Oppo, Realme, Tecno, Vivo und Xiaomi ein Update erhalten sollen.

Gleichzeitig macht es Google seinen Partnern heuer nicht gerade einfach – erscheint Android 12 doch merklich später im Jahr als seine Vorgänger, die zumeist Anfang August oder September verfügbar waren. Insofern gilt abzuwarten, welche Anbieter es trotzdem schaffen, die ersten Updates noch vor Jahresende zu veröffentlichen. (Andreas Proschofsky, 4.10.2021)