Wie ein Schwalbennest klebt die Wohnung des Buchhändlers Ingo Wenzinger an den Felsen des Kapuzinerberges hoch über der Stadt Salzburg. Es sind unzählige Stufen nach oben, und manchmal schaut sogar eine Gämse vorbei.

"Die Wohnung habe ich über ein ganz normales Inserat gefunden. Ich hab’ das gelesen und mir gedacht: oh – netter Ausblick. Da ich mehrmals die Woche auf den Kapuzinerberg gelaufen bin, kannte ich die Gegend ja gut und hab’ mir den Flecken von oben angesehen und die Besitzerin angeschrieben.

Von Vorteil war auch, dass sie die Wohnung während der Covid-Zeit privat und nicht über ein Maklerbüro vermietet hat.

In der Stadt und doch am Berg: Ingo Wenzinger in seinem Terrassengarten über Salzburg.
Foto: Anna Aicher

Mit ein Grund, warum ich die Wohnung bekommen habe, war wohl auch, dass ich zugesagt habe, den hinteren, seit 30 Jahren verwilderten, mit Brombeeren überwucherten Gartenteil wieder herzurichten. Und so einfach ist das ja auch nicht zu vermieten: Es gibt keinen Parkplatz, und man muss alles heraufschleppen. Die Stufen habe ich noch nie gezählt, aber es ist quasi der siebte Stock.

Das war auch beim Einrichten eine Challenge. Die Stiege in dem Altstadthaus über der Steingasse ist sehr schmal, das Sofa habe ich auseinanderschneiden und oben wieder zusammenleimen und -schrauben müssen. Den alten chinesischen Schreibtisch habe ich auf Willhaben gefunden, der ist aus verschiedenen Teilen zusammengesteckt und war leichter zu transportieren.

Die Aussicht vom Schreibtisch aus ist großartig. Die Festung ist fast in Augenhöhe und der Mönchsberg ebenso, wo ja Peter Handke und Gerhard Amanshauser wohnten. Man sieht das Tennengebirge, das Hagengebirge, den Göll, dann natürlich den Untersberg, und hat einen schönen freien Blick auf sieben der elf Salzburger Altstadtkirchen. Ganz toll finde ich auch den direkten Blick aufs Wasser, auf die Salzach. Du hast Berg, Wasser und Stadt zusammen – das taugt mir. Es ist wie eine kleine Oase in der Stadt hier.

Der Blick von Ingo Wenzingers chinesischem Schreibtisch aus reicht weit über die Stadt Salzburg.
Foto: Anna Aicher

Die 50 Quadratmeter der Wohnung sind eng an den Felsen gebaut. Wenn ich in die Küche will, muss ich vom Wohnzimmer durch das Schlafzimmer. Deshalb habe ich, wenn Gäste da sind, eine Tagesdecke über dem Bett, das schaut nicht so schlafzimmermäßig aus.

Die Küche sieht mit dem Holzverbau fast ein bisserl so wie eine Almhütte aus. Ein Teil der Wand ist der Felsen des Kapuzinerberges; im Sommer ist es hier immer schön kühl.

Ein bisserl feucht ist es natürlich schon: Wenn es zwei Wochen hindurch regnet, kann schon mal Wasser den Felsen runterrinnen. Das fließt dann aber quasi durch die Küche und unten wieder raus. Es ist aber nicht arg, es schimmelt nichts.

Die Küche (links) ist einen Stock höher, und über allem wacht einer der historischen Wehrtürme der Kapuzinerberg-Bastei.
Foto: Aicher

Einmal ist es schon vorgekommen, dass ich in der Küche ungebetenen Besuch vom Berg bekommen habe. Ich war im Wohnzimmer, und es hat einen Mordsrumpler in der Küche getan. Wie ich dann oben war, sehe ich den umgekippten Tisch, die Obstschüssel war in Scherben. Auf einem der Äpfel war ein Bissabdruck, und auf der Terrasse waren Gamskötel. Da hat sich eine der Kapuzinerberggämsen einen Apfel aus der Küche geholt. Ich bin neugierig, ob die Hausratsversicherung die Schüssel ersetzt.

Von der Küche geht man wieder ein paar Stufen hinauf auf die Terrasse und in den Garten. Ich habe ja keine Nachbarn hier heroben, ich kann die Musik laut aufdrehen und nackt im Garten sitzen.

Den Garten lasse ich auch, so weit es geht, verwildern, ich schneide nur invasive Pflanzen raus, die die Diversität nicht unterstützen und alles überwuchern. Die Sonne habe ich schon zum Frühstück auf der Terrasse, etwa um halb acht; sie bleibt dann bis zum Abend.

Foto: Anna Aicher

Begrenzt wird der Garten bergseitig von der Basteiwehrmauer. Die ist Weltkulturerbe. Wie ich vergangenes Jahr eingezogen bin, war die ganze Mauer noch von Efeu überwuchert, das war wunderschön. Alle paar Jahre wird der Efeu aber von der Stadt runtergeschnitten, weil man das Weltkulturerbe ja auch sehen muss.

Über dem hinteren Eck des Gartens steht einer der Wehrtürme der Basteimauer. Vor Jahren wohnten noch Obdachlose in den Türmen, jetzt sind diese aber vergittert und versperrt.

Ich mag Jimi Hendrix. Von ihm gibt es dieses bekannte Dylan-Cover All Along the Watch tower – ja, und so wohne ich jetzt: All along the watchtower." (Thomas Neuhold, 27.09.2021)