Eigentlich wollte Gloria Berghäuser professionelle Tänzerin werden. Wäre da nicht der Klimawandel. Seit sich die 19-Jährige Fridays for Future (FFF) Salzburg angeschlossen hat, ist ihr bewusst, was für ein "Riesenproblem" er für unseren Planeten sei. Das Tanzen behält sie im Hinterkopf, aber: "Ich würde mich schlecht fühlen, wenn ich meine Ressourcen nicht dafür einsetzte, etwas zu bewegen", sagt Gloria. Also hat sich die 19-Jährige nach ihrer Matura dazu entschieden, Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der Boku Wien zu studieren.

Gloria gehört der Generation Z an. Keiner Vorgängergeneration sagt man so sehr das Streben nach Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit nach wie jener der um die Jahrtausendwende Geborenen. Und deren Einsatz für den Klimaschutz kommt nicht von ungefähr. Studien belegen, dass Umweltverschmutzung und Klimawandel die größten Sorgen der Jugendlichen sind – der Greta-Effekt?. Dieser bezeichnet einen Zusammenhang zwischen den von der Aktivistin Greta Thunberg inspirierten Klimademonstrationen und einem gesteigerten Umweltbewusstsein junger Menschen, welches sich in deren Konsum- und Reiseverhalten niederschlagen kann.

Es scheint, als würden junge Leute wie Gloria den Klimaaktivismus nicht nur auf ihre Freizeit reduzieren, sondern viele auch mit ihrer Ausbildung einen Beitrag zum Klimaschutz leisten oder eine Karriere in nachhaltigen Branchen einschlagen wollen. Ein Effekt, der sich auch an den Hochschulen und am Arbeitsmarkt bemerkbar macht.

Sorgen, keinen Job zu finden, macht sich Gloria deshalb nicht. Die Salzburgerin ist davon überzeugt, dass sich der Arbeitsmarkt in eine nachhaltige Richtung entwickelt.

Umstrukturierung

Ähnlich denkt Hanna Grill. Die 22-Jährige hat gerade mit dem Bachelor Energie- und Umweltmanagement an der FH Burgenland begonnen. Zuvor hat sie ein HTL-Kolleg für denselben Fachbereich absolviert und zwei Jahre im Anlagenbau gearbeitet. Ihre Branche hält sie für zukunftsträchtig. "Nachhaltige Heiz- und Kühlsysteme werden immer wichtiger", sagt Hanna.

Damit, dass Gloria und Hanna ihre Jobchancen zuversichtlich einschätzen, dürften die beiden richtig liegen. Investitionen in Klimaschutz werden den heimischen Arbeitsmarkt unweigerlich verändern. Dass Österreich bis 2040 klimaneutral werden will, also nicht mehr CO2 ausstoßen will, als gleichzeitig gebunden und kompensiert wird, kann nur durch Veränderungen in der Wirtschaft gelingen. Ein Expertenbericht der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung aus dem vergangenen Jahr rechnet jedoch vor, dass emissionsärmeres Wirtschaften in Summe kaum Arbeitsplätze kosten wird. Stattdessen wird es zu einer Umstrukturierung am Arbeitsmarkt kommen. Wichtiger werden sogenannte grüne Jobs sein, etwa aus dem Bereich der Umwelttechnik.

Neue Arbeitsplätze wird es in der Nachhaltigkeitsforschung, Abfallvermeidung, im Energiemanagement oder in der E-Mobilität geben, während etwa die sinkende Produktion von Verbrennungsmotoren zu Stellenabbau führen wird.

Deutliche Zunahme

Auch Biologiestudentin Kathrin Bender meint, dass ihr Studienfach "omnipräsent" in der Arbeitswelt sei. "In großen Firmen gibt es eigene Abteilungen, die darauf achten, dass sie so umweltbewusst wie möglich arbeiten, da sind Leute mit Biologiestudium erwünscht", sagt die 19-Jährige. Bei der Bürgerinitiative "Hirschstetten retten" hat sie schon mit neun Jahren mitdemonstriert. Damals habe sie noch nicht realisiert, worum es geht. Heute sagt die Studentin der Uni Wien: "Das Klima retten zu wollen ist ein wichtiger Teil in meinem Leben geworden, der jede meiner Entscheidungen mitprägt."

Die Jugend hört auf den Rat der Wissenschaft. Und sie ist überzeugt, dass es in Zukunft mehr Forschende im Klimabereich brauchen wird. An den Unis, in den grünen Jobs und in der Politik schicken sich die "scientists of future" an, das Klima zu retten.
Foto: Foto: Imago Images / Ralph Peters

Ähnlich dürften viele Studierende denken, folgt man den Einschätzungen österreichischer Unis. Von der FH Salzburg etwa heißt es, der Wunsch, die Zukunft aktiv mitzugestalten, einen Beitrag zu leisten und etwas "mit Sinn" zu studieren, sei eine große Motivation vieler Studienanfänger, wie Gespräche der Studierendenberatung zeigen.

An der FH Campus Wien bemerke man vor allem einen Zuwachs in den Fachbereichen "Bauen und Gestalten" sowie "Verpackungs- und Ressourcenmanagement". Im Studiengang "Architektur – Green Building" sei die Bewerberanzahl seit 2018 gar um 60 Prozent gestiegen. Auch die Studienfächer "Bauingenieurwesen – Baumanagement", "Nachhaltiges Ressourcenmanagement" und "Verpackungstechnologie" verzeichnen eine Zunahme an Interessenten.

Von der Studienberatung der Uni Innsbruck hat DER STANDARD erfahren, dass es einen generellen Anstieg der Studierendenzahlen gebe, nicht nur bei klimarelevanten Studien. Vor allem im Studienfach Biologie und Geografie hätte es aber zeitgleich mit dem Aufkommen der FFF-Bewegungen mehr Erstsemestrige als davor gegeben. Doch nicht alle Fächer, die klimarelevantes Wissen vermitteln, scheinen auf ähnlich großes Interesse zu stoßen. Christoph von Hagke, Professor für Geologie an der Uni Salzburg, vernimmt seit dem Aufkommen der FFF-Bewegung keine Zunahme der Studierendenzahlen in seinem Studiengang. "Jobs für Geologen werden durch die Klimakrise wichtiger für die Gesellschaft, da sich Landschaften stärker verändern", sagt der Geologieprofessor. Nur wenige dürften wissen, dass es sich dabei um einen zukunftssicheren und klimakrisenrelevanten Beruf handele, sagt von Hagke.

Seit Jahren gehen Menschen für mehr Klimaschutz auf die Straße. Was bringt Aktivismus, und wie viel Radikalität ist angesichts einer drohenden Klimakatastrophe notwendig?
DER STANDARD

Schwer zu belegbarer Effekt

Martin Unger erkennt keinen Greta-Effekt an österreichischen Hochschulen. Der Forscher am Institut für Höhere Studien (IHS) erklärt, dass es statistisch schwer zu belegen sei, ob Klimademonstrationen Karriereentscheidungen beeinflussen. Maschinenbaustudierende etwa könnten nach ihrem Abschluss Windkraftanlagen bauen oder an Verbrennungsmotoren arbeiten und würden beide in derselben Absolventenstatistik landen.

Am IHS habe man einen Kern an Umweltstudien heimischer Unis und Fachhochschulen herausgearbeitet und die Studierendenzahlen der vergangenen 20 Jahre für die drei Studienfelder "Umweltschutztechnologien", "Umweltwissenschaften" und "Natürliche Lebensräume und Wildtiere" verglichen. Hier habe sich der Studierendenanteil vervierfacht, das aber bereits bis 2014, also vor Greta Thunbergs Schulstreiks.

Gloria verschiebt ihren Traum vom Tanzen für den Klimaaktivismus.
Foto: Christina Bogner

Doch: "Umwelt zieht. Es werden immer mehr Studiengänge eröffnet, die den Begriff im Titel tragen", sagt der IHS-Forscher. Dass sich manche Studiengänge mit dem Begriff schmücken, könne teils aber auch aus Marketingmaßnahmen erfolgen und weniger mit tatsächlichen umweltwissenschaftlichen Inhalten verbunden sein. Es gehe darum, Studierende zu gewinnen und sich gegen andere Unis durchzusetzen.

Nicht ausschließen möchte Unger einen "versteckten" Greta-Effekt. Soll heißen: Studierende suchen Schwerpunkte oder schreiben Abschlussarbeiten zu umweltrelevanten Themen. Trotzdem sei Umweltschutz seit 20 Jahren ein Thema in der Gesellschaft, also "lange vor Greta", sagt der IHS-Forscher.

Doch auch wenn vom Wald- oder Artensterben bereits seit Jahrzehnten geredet wird: Die Vehemenz, mit der die Generation Z einen Wandel forciert, könnte künftigen Generationen erlauben, tatsächlich ihre Traumberufe zu verfolgen und zugleich Tänzerinnen zu werden. (Allegra Mercedes Pirker, 24.9.2021)