Die Forderungen der versammelten Gewerkschafter (rechts) sind aus Sicht der Unternehmer keinesfalls ausbaufähig. Die Frauenquote auf beiden Seiten hingegen schon – nicht nur am Verhandlungstisch.

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Wien – Überzogen und verantwortungslos nannte Arbeitgebersprecher Christian Knill die Forderung der Gewerkschaft nach einer 4,5-prozentigen Lohnerhöhung. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seien aus Sicht der Metallwaren- und Maschinenbauindustrie differenziert zu betrachten.

Knill spielt damit auf die Unterschiede innerhalb der Metallindustrie an. Denn während Stahlerzeuger wie die Voestalpine oder Aluminiumhersteller wie die Amag von stetig anziehenden Weltmarktpreisen profitieren, leiden Fahrzeugindustrie, Metallverarbeiter, Maschinenbau und Gießereien, weil sich die Verteuerung von Roh- und Vormaterialien kaum in den Verkaufspreisen unterbringen lässt.

Umfassendes Paket

Die Gewerkschaft macht diesbezüglich keinen Unterschied, sie übergibt ihre Forderungen traditionell allen vier Sektoren der Metallindustrie, die einst gemeinsam die Kollektivvertragserhöhungen verhandelte. Wiewohl die metalltechnische Industrie stets für sich reklamiert, die Lohnerhöhungen dank dieser Teilung in Grenzen gehalten zu haben: Abgeschlossen haben Eisen- und Stahlerzeuger, Nichteisen-Metaller, metalltechnische (mit Gießereien) und Fahrzeugindustrie bisher allerdings immer auf gleicher Höhe.

Die Begrüßung war noch freundlich, danach dürfte die Stimmung merklich abgekühlt sein.
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Was auch immer bei den Verhandlungen herauskommen wird, das Forderungspaket ist umfassend. Denn abseits der prozentualen Erhöhung geht es auch um höhere Zulagen für Nacht- und Schichtarbeit, blockweisen Abbau von Zeitguthaben und Lehrlingsentschädigungen, die man nach dem Vorbild der Elektronikindustrie von 749 auf tausend Euro pro Monat im ersten Lehrjahr erhöht sehen will.

Kräftige Forderung

Beobachter gehen davon aus, dass sich die Arbeitgeber jeden einzelnen Punkt abkaufen lassen – zu welchem Preis, wird sich frühestens nach der ersten echten Verhandlungsrunde am kommenden Mittwoch (29. September) erahnen lassen.

Mit der Forderungsübergabe durch Produktionsgewerkschaftschef Rainer Wimmer und Karl Dürtscher von der Privatangestelltengewerkschaft GPA wurde am Donnerstag die Herbstlohnrunde offiziell eröffnet – und quasi ein Pflock eingeschlagen. Denn mit 4,5 Prozent liegt für die 1.200 Betriebe der metalltechnischen Industrie eine kräftige Forderung auf dem Tisch. Allein mit der massiven Anhebung der Lehrlingsentschädigung ist garantiert, dass es auf allen Ebenen rumpeln wird.

Die Höhe kommt angesichts der steigenden Inflation und des Wirtschaftswachstums rechnerisch nicht überraschend. Die Forderungen seien eine "Zumutung", sie gefährdeten Arbeitsplätze, und schadeten dem Standort, konterte die Industrie.

Inflation steigt

Die Ausgangslage stellt sich so dar: Die Jahresinflationsrate der vergangenen zwölf Monate, lag bei 1,89 Prozent. Aktuell beträgt die Teuerungsrate jedoch 3,2 Prozent, was die Jahresinflation auf gut zwei Prozent erhöhen dürfte.. Das BIP-Wachstum wurde im Sommer auf vier Prozent taxiert, im Jahr 2022 wird ein Plus von fünf Prozent erwartet.

Im Vorjahr wurde bei einer Jahresinflationsrate von 1,4 Prozent mit einem KV-Plus von 1,45 Prozent abgeschlossen. Der Mindestlohn in der Metallindustrie liegt bei 2.000 Euro brutto.

Informell hatten sich beide Verhandlungsseiten für die 134.800 Arbeiter und Industrieangestellten seit Wochen warmgelaufen. Spürbar müsse der Abschluss sein, und zwar bei den Reallöhnen, postulierten Wimmer und Co. Bei den Gewinnausschüttungen seien die Unternehmer schließlich nicht einmal in der Corona-Pandemie zimperlich gewesen.

Plafond bald erreicht?

Man habe die Pandemie kaum überwunden, warnten die Arbeitgeber, die den Aufschwung durch steigende Energie- und Rohstoffpreise ebenso gefährdet sehen wie durch Lieferschwierigkeiten, Chipkrise und steigende Transport- und Rohstoffkosten. Da sei eine Verschlechterung der Lohnstückkostenpositionen – einen der wichtigsten Indikatoren für die Wettbewerbsposition der österreichischen Industrie. Man sei nach dem elfprozentigen Minus im Vorjahr gerade dabei, aus dem Tal der Tränen herauszukommen. Daher brauche es Augenmaß, der Plafond des Aufschwungs werde bald erreicht sein.

Die Forderung nach Reallohnerhöhungen scheint ambitioniert. Denn gefüllte Auftragsbücher verleihen den Arbeitnehmern wohl Rückenwind – Daten der OECD und des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo zeigten aber bereits im Frühjahr, dass die Löhne in Österreich im Vorjahr real um 0,7 bzw. 0,8 Prozent zurückgegangen sind. Das ist nach der Kurzarbeit (mit Lohnverzicht) nicht überraschend und in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung im vergangenen Jahrzehnt kein Einzelfall,. In der Sachgüterproduktion ist es aber eher die Ausnahmeerscheinung.

Je geleistete Arbeitsstunde gab es mit Ausnahme der Finanzkrisenjahre 2010 und 2011 hingegen kaum Rückgänge. Die Stundeneinkommen stiegen dank Kurzarbeit im Schnitt um sieben Prozent. (Luise Ungerboeck, 23.9.2021)