Sechs Jahre nach Auffliegen des Dieselskandals, einem Milliardenvergleich in den USA und zig Urteilen bestreitet Volkswagen noch immer, dass seine Autos mit illegaler Abschalteinrichtung unterwegs sind.

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Luxemburg/Wien – Folgt der Europäische Gerichtshof (EuGH) seinem Generalanwalt, was er meistens tut, dann ist in Sachen Dieselskandal im Spätherbst ein kräftiges Signal an Österreichs Gerichte zu erwarten. Denn Athanasios Rantos' Schlussantrag besagt, dass ein Schummelsoftware-Auto von Volkswagen, also ein Diesel, dessen Abgasreinigung zwischen 15 und 33 Grad automatisch abgeschaltet wird, nicht dem Kaufvertrag entspricht.

Ein solches Auto kann auch dann zurückgegeben werden, wenn es über eine Typgenehmigung verfügt. Der Generalanwalt geht sogar noch weiter: Selbst wenn der Verbraucher das Fahrzeug in Kenntnis des Vorhandenseins dieser unzulässigen Abschalteinrichtung (und ihrer Wirkungsweise) erworben hätte, "wird dem Verbraucher nicht das Recht genommen, gemäß der EU-Richtlinie 1999/44 die Vertragsauflösung zu verlangen".

Das darf als klares Signal insbesondere an das für die Landesgerichte Linz, Wels und Salzburg zuständige Oberlandesgericht Linz gewertet werden. Dort wurden dutzende Dieselklagen abgewiesen mit der Begründung, die Käufer hätten die Autos jedenfalls gekauft, weil ihnen, salopp ausgedrückt, der Umweltdefekt egal gewesen wäre.

Realer Fahrbetrieb

In der Sache der verharmlosend als Thermofenster bezeichneten unzulässigen Abschalteinrichtung in der Abgasreinigung schärfte der EuGH-Generalanwalt die im EuGH-Thermofenster-Urteil vom Dezember erfolgten Feststellungen: Als "Normalbetrieb" eines Fahrzeugs seien nicht die Bedingungen auf dem Prüfstand gemäß dem Neuen Europäischen Fahrzyklus gemeint, sondern der reale Fahrbetrieb. Eine Software, die die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringere und "vornehmlich der Schonung von Anbauteilen" wie Dieselpartikelfilter, Abgasrückführungsventil und -kühler dient", fällt demnach nicht unter die Verbotsausnahme. Letztere beschränke sich auf kurzfristigen Schutz des Motors im Fall akuter Probleme.

Details müssten nun die nationalen Gerichte klären. Ein Gericht habe bereits festgestellt, dass sich nicht feststellen ließe, ob die Abschalteinrichtung erforderlich sei, um den Motor vor Beschädigung zu schützen.(AZ: C134/20)

Preisminderung statt Schadenersatz

Die Konsumentenschützer von VKI und Verbraucherschutzverein erwarten vom Urteil, das auf Ersuchen der Landesgerichte Klagenfurt und Eisenstadt und dem Obersten Gerichtshof erfolgt, noch vor Weihnachten, spätestens aber im ersten Quartal 2022 Rückenwind. Der VKi beehrt für seine mehr als 9000 Klienten keinen Schadenersatz, sondern einen Preisnachlass, weil die Fahrzeuge beim kauf nicht einwandfrei waren.

Volkswagen wimmelt ab

Ein Sprecher von Volkswagen erklärte, nach den Kriterien, die der Generalanwalt aufgestellt habe, blieben die in den Fahrzeugen des VW-Konzerns verwendeten Thermofenster weiterhin zulässig: "Sie haben den Zweck, solche plötzlichen und unmittelbaren Risiken einer Beschädigung des Motors zu verhindern." Klagen gegen die Hersteller auf deliktischen Schadenersatz wegen der Verwendung von Thermofenstern hätten daher weiterhin keine Aussicht auf Erfolg. Denn die Software, die bei Dieselfahrzeugen die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen und einem bestimmten Luftdruck abschaltet seit notwendig, um Motorschäden zu verhindern.

Nach Ansicht des Generalanwalts könnten Thermofenster dann gerechtfertigt sein, wenn etwa eine Fehlfunktion eines Ventils verhindert werden solle, die sich abrupt auf den Betrieb des Motors selbst auswirke, ohne dass diese Folgen durch eine regelmäßige und sachgemäße Wartung verhindert werden könnten. (ung, Reuters, 23.9.2021)